Pflaumenbaum
(Zwetschenbaum,
Prunus
Tourn.), Untergattung der
Gattung
Prunus
(Familie der
Rosaceen),
Bäume oder
Sträucher mit ganzen, breiten, gesägten Blättern, aus besondern
Knospen
[* 2] meist vor den Blättern erscheinenden
zu 1-2 stehenden, nicht langgestielte
Blüten, meist leicht bereiften
Früchten mit oder ohne Längsfurche und zusammengedrücktem
Stein mit scharfen Seitenkanten. Der
Zwetschenbaum (Pflaumenbaum
domestica
L.), ein 6-8 m hoher
Baum mit etwas pyramidenförmiger
Krone, verwildert von sparrigem Wuchs, dornig und dann besonders
Ausläufer bildend, mit elliptischen, behaarten, später mehr
oder weniger kahlen, kerbig gesägten Blättern, gepaarten oder zu dreien auf behaarten Stielen stehenden, etwas grünlichweißen
Blüten und länglichen, violettblauen, weichen
Früchten, stammt vielleicht aus
Turkistan und dem südlichen Altaigebirge;
das klassische Land für denselben ist aber der österreichisch-türkische
Grenzbezirk, wo er seit 400
Jahren in großer
Menge
gebaut wird und, zumal südlich von der
Donau, ganze
Wälder bildet, deren
Früchte 4-6
Wochen lang die Hauptnahrung der
Bevölkerung
[* 3] bilden, getrocknet in großer
Masse exportiert, hauptsächlich aber auf
Branntwein verarbeitet werden.
Die Einführung des Pflaumenbaums
in diese Gegenden fällt vielleicht mit dem Auftreten der
Magyaren zusammen. Auch bei uns
tritt der an Waldrändern, in der
Nähe von Dörfern verwildert auf. Von dieser Art werden verschiedene
Sorten kultiviert;
aber nicht alle länglichen Pflaumen gehören hierher, auch gibt es wohl
Blendlinge zwischen Zwetsche
und echter oder
Damaszener Pflaume. Das
Holz
[* 4] ist ziemlich hart, schön braun, geädert und wird häufig als
Atlasholz zu
¶
mehr
Tischlerarbeiten benutzt. Aus dem Stamm fließt Gummi (s. Kirschgummi); aus den stets bittern Samen
[* 6] gewinnt man durch Pressen
ein mildes, fettes Öl; bei Destillation
[* 7] mit Wasser geben sie bittermandelartig riechendes, blausäurehaltiges Wasser. Die syrische
oder Damaszener Pflaume (Damaszene, Pflaumenbaum
syriaca Borkh.),
mit weniger festem, oft brüchigem Holz, dicken, aber auch längern, reichbehaarten Trieben, elliptischen,
mehr gekerbten, besonders auf der Unterseite weichhaarigen Blättern, weichhaarigem Blattstiel mit zwei Drüsen am obern Ende
und meist gepaarten, blendend weißen Blüten, macht wenig oder gar keine Ausläufer, verwildert aber sehr leicht und bildet
dann einen sparrigen, auch dornigen Strauch. Sie stammt aus Syrien und bildet dort kleine Wälder.
Die Früchte sind in Form und Farbe ungemein verschieden; es gehören hierher alle Damaszener Pflaumen, aber auch manche damaszenenartige
Zwetschen. Die Krieche (Haferschlehe, Spilling, Pflaumenbaum
insititia L.) wird bisweilen als Stammpflanze der vorigen, mit mehr Recht
als eine verwilderte Form derselben betrachtet. Sie bildet einen hohen, oft dornigen Strauch in Vor- und
Laubwäldern, treibt starke Wurzelausläufer, hat weichhaarige Triebe, breit elliptische, gesägte bis doppelt gesägte, besonders
auf der Unterseite stark behaarte Blätter, auf schlanken, behaarten Stielen meist zu zweien stehende, weiße Blüten und hängende,
runde, schwarzblaue Früchte mit weichem, süßem, am Steine nicht wenig herbem und fest anhängendem Fleisch.
Sie findet sich durch ganz Europa
[* 8] und wird zum Teil als kleine Damaszener oder Johannispflaume kultiviert. In Gärten kommt
sie mit gefüllten Blüten (oft unter dem Namen gefüllte Schlehe) vor. Die Reineclaude (Pflaumenbaum
italica Borkh.)
ist ein niedriger Baum mit abgerundete Krone, ziemlich dicken und langen, sehr bald unbehaarten Trieben,
großen, runzeligen, elliptischen, tief, meist doppelt gesägten Blättern, zwei Drüsen am obern Ende des Blattstiels, meistens
zu zweien auf unbehaarten Stielen stehenden, weißen Blüten und rundlicher, gelblicher, grünlicher oder rötlicher bis violettblauer
Frucht mit grünlichweißem, härtlichem Fleisch.
Das Vaterland der Reineclaude ist unbekannt, vielleicht ist sie durch Kreuzung der Zwetsche und Damaszener
Pflaume entstanden. Hierher gehören aber auch viele der zwetschenartigen Damaszener Pflaumen. Die Kirschpflaume (Myrobalane,
türkische Pflaume, Pflaumenbaum
cerasifera Ehrh.) ist ein am Stamme meist weit herab verästelter Baum mit eirund-länglicher Krone, ohne
Ausläufer, mit weißem Holz, bei schlechter Kultur dornig, mit unbehaarten Trieben, länglichen, nach der
Basis zu verschmälerten, seltener elliptischen, meist nur längs des Mittelnervs auf der Unterseite behaarten Blättern,
meist einzeln stehenden, weißen Blüten auf ziemlich langen, unbehaarten Stielen und runden, heller oder dunkler braunroten
Früchten mit süßlichem, etwas festem und gelbem Fleisch.
Die kleinern, schließlich gelbrötlichen Früchte heißen speziell Kirschpflaumen, die fast doppelt so
großen, dunklern, braunroten Myrobalanen. Die Kirschpflaume wird zuerst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. genannt;
sie wurde wohl aus dem Orient (sicher nicht aus Amerika)
[* 9] eingeführt, und von ihr stammen auch wahrscheinlich mehrere unsrer
kultivierten Pflaumen ab. Der Schlehendorn (Pflaumenbaum
spinosa L., Schwarzdorn), ein sparriger Strauch mit zum
Teil in Dornen auswachsenden Zweigen, elliptischen Blättern an schwach behaarten Zweigen, vor den Blättern ungemein zahlreich
erscheinenden einzeln
stehenden, weißen Blüten mit kurzen, unbehaarten Stielen und blauer, rundlicher, fleischiger, aufrecht
stehender Frucht.
Der Schlehendorn findet sich in Europa und Asien,
[* 10] gehört vielleicht mit zu der Stammpflanze der zwetschenartigen Damaszenen,
eignet sich trefflich als Heckenpflanze, wird auch als Zierstrauch in mehreren Varietäten kultiviert,
liefert Dornwerk für die Gradierhäuser, Knotenstöcke und Nutzholz für Drechslerarbeiten. Blüten (flores Acaciae), Rinde
und Früchte waren früher offizinell; auch bereitet man aus letztern wohl ein Mus und einen Fruchtbrei und benutzt die Blätter
als Surrogat des chinesischen Thees. Von einer Abart, Pflaumenbaum
fruticans Weihe, in Gärten, werden die Früchte eingemacht
und auf Wein verarbeitet.
Die pomologische Einteilung der Pflaumen bietet besondere Schwierigkeiten dar. Lucas teilt die Pflaumen in zehn Familien:
1) Rundpflaumen, runde Damaszenen. Frucht rund, Längen- u. Breitendurchmesser gleich, als Tafelfrucht brauchbar. Fleisch saftreich, weich. Haut [* 11] im Kochen säuerlich, zum Dörren untauglich. Sommertriebe kahl oder behaart.
2) Ovalpflaumen, längliche Damaszenen. Frucht oval, Längendurchmesser größer als der Breitendurchmesser, sonst wie bei Familie 1. 3) Eierpflaumen, Frucht eiförmig, groß und sehr groß, nach dem Stiel merklich verjüngt; Fleisch pflaumenartig, weich, nicht zum Dörren gut. Sommertriebe kahl oder behaart.
4) Edelpflaumen (Reineclauden), rund u. rundlich, von sehr edlem, erhabenem Zuckergeschmack, mit etwas konsistentem Fleisch.
5) Wachspflaumen (Mirabellen), kleine, runde und rundliche Früchte, Fleisch konsistent, sehr süß, zum Dörren sehr brauchbar. Wuchs sparrig, vielästig.
6) Zwetschen, längliche, nach dem Stiel und Stempelpunkt hin verjüngte Früchte; Fleisch süß, fest, Schale ohne Säure, Sommertriebe meist kahl, mitunter behaart; zum Dörren sehr gut.
7) Halbzwetschen, Früchte von ovaler Form und zwetschenartigem Fleisch, nach Stiel und Stempelpunkt hin gleichmäßig abgerundet; Sommertriebe kahl oder behaart; zum Dörren brauchbar.
8) Dattelzwetschen, sehr lange, elliptisch geformte Früchte von mehr pflaumen- als zwetschenartigem Fleisch, Sommertriebe glatt; zum Dörren nicht brauchbar.
9) Haferpflaumen, runde Pflaumen, die als Tafelobst nicht brauchbar sind.
10) Spilling
spflaumen, längliche Pflaumen, als Tafelobst ebenfalls nicht brauchbar. Jede Familie zerfällt in fünf Ordnungen:
blaue, rote, gelbe, grüne, bunte Früchte;
jede Ordnung in drei Unterordnungen: Fleisch am Stein gut, halb, nicht ablöslich.
Zum Anbau sind besonders zu empfehlen: A. Rundpflaumen oder Damaszenen: bunter Perdrigon, Kirkes' Pflaume, Braunauer aprikosenartige Pflaume, Lepine;
B. Oval- oder Königspflaumen: Königspflaume von Tours, [* 12] Esperens Goldpflaume, Washington, [* 13] Jefferson, Lucas' Königspflaume;
C. Eierpflaumen: Nienburger Eierpflaume, violette Jerusalemspflaume;
D. Edelpflaumen oder Reineclauden: frühe Reineclaude, große Reineclaude, Althanns Reineclaude, Meroldts Reineclaude, Reineclaude von Jodoigne;
E. Wachspflaumen oder Mirabellen: Rangheris Mirabelle, gelbe Mirabelle, frühe von Bergthold;
F. Zwetschen: Hartwiß' gelbe Zwetsche, Fürsts Frühzwetsche, große Zuckerzwetsche, italienische Zwetsche, Wangenheims Frühzwetsche, Eßlinger Frühzwetsche, Hauszwetsche (Bauernpflaume);
G. Halbzwetschen: Biondecks Frühzwetsche, violette Diapré, Königin Viktoria, Frankfurter Pfirsichzwetsche, Freudenberger Frühpflaume. - Die Pflaumen enthalten: ¶
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Bestandteile | Gelbe Mirabellen | Reineclauden | Schwarzblaue Pflaumen | Zwetschen | |
---|---|---|---|---|---|
Wasser | 82,236 | 79,720 | 88,751 | 81,930 | |
Feste Bestandteile | 17,764 | 20,280 | 11,249 | 18,070 | |
Löslich | Zucker | 3,584 | 3,405 | 1,996 | 5,793 |
freie Säure | 0.582 | 0.870 | 1,270 | 0.952 | |
Eiweißsubstanzen | 0.197 | 0.401 | 0.475 | 0.785 | |
Pektin | 5,772 | 11,074 | 2,313 | 3,646 | |
Asche | 0.570 | 0.398 | 0.496 | 0.734 | |
Unlöslich | Pektose | 1,080 | 0.245 | 0.509 | 0.630 |
Schalen | 0.179 | 1,035 | ↗ | 1,990 | |
Kerne | 5,780 | 2,852 | 4,190 | 3,540 | |
Asche | 0.082 | 0.037 | 0.041 | 0.094 |
Die Pflaumen finden hauptsächlich Verwendung als Obst, frisch, eingemacht und getrocknet. Getrocknete Pflaumen (Backpflaumen) bilden einen wichtigen Handelsartikel; von den deutschen sind die Thüringer oder Saalpflaumen bevorzugt, auch die bayrischen oder fränkischen und die böhmischen. Große Geschäfte in Pflaumen machen mehrere Gegenden in Frankreich, von wo besonders die Prünellen und Katharinenpflaumen kommen. Die größten und besten (Katharinenpflaumen) sind aber die türkischen Pflaumen aus den Ländern der untern Donau, welche vielfach selbst nach Amerika exportiert werden. Auch Pflaumenmus wird in großen Quantitäten dargestellt.
Der Pflaumenbaum
gedeiht mit seinen nach der Oberfläche sich ausbreitenden Wurzeln am besten in einem warmen, etwas schweren, feuchten
Boden in etwas geschlitzter Lage. Dicht geschlossenes Pflanzen im Verband
[* 15] und in Abständen von 4, höchstens 5 m befördert das
Wachstum, die Tragbarkeit und Dauer. Trefflich gedeihen die Bäume auch als Zwischenpflanzung in Obstplantagen
zwischen Äpfeln. Sie liefern etwa 30 Ernten und räumen dann den Apfelbäumen den Platz. Man vermehrt sie durch Samen oder
Wurzelausläufer und veredelt am besten durch Okulieren
[* 16] oder Kopulieren. Als Unterlage benutzt man Hauszwetsche oder Haferschlehe,
auch die Kirschpflaume. Aus Wurzelausläufern erzogene Stämme haben wieder die Neigung zu starkem Austreiben
von Wurzelschossen. Mehrere Sorten, wie Damaszene, Reineclaude, sind aus Samen ohne Veredelung in derselben Sorte fortzupflanzen.
Man erzieht den Pflaumenbaum
meist als Hochstamm, weniger als Pyramide und nur ausnahmsweise als Spalierbaum. - Die Pflaume stammt wohl
aus Syrien und kam durch Alexander d. Gr. nach Griechenland.
[* 17] Die Römer
[* 18] lernten sie hauptsächlich durch
die Kriegszüge des Pompejus kennen und zwar zuerst die Spillinge und Mirabellen. Die Zwetsche erscheint zuerst vor etwa 400 Jahren
in Ungarn
[* 19] und dürfte dorthin aus Turkistan gelangt sein. Das Wort Zwetsche (Zwetschke), obwohl von slawischem Klang, kommt
doch in der slawischen Sprache
[* 20] nicht vor und soll aus dem griech. damaskenon entstellt sein. S. Litteratur bei
Pomologie.