(hierzu
Karte »Verbreitung der
[* 2] wichtigsten Pflanzengruppen
[* 3] der
Erde«, mit
Text), dasjenige Gebiet
der
Botanik, welches die Verteilung des
Pflanzenreichs auf der
Erde sowie die daraus für die verschiedenen Gegenden sich ergebenden
Vegetationsverhältnisse und die Erforschung der diesen
Erscheinungen zu
Grunde liegenden
Ursachen zum Gegenstand hat. Die verschiedenen
Pflanzenarten sind auf der Oberfläche der
Erde nicht gleichmäßig verteilt. In erster
Linie wird dies
durch die klimatischen Verhältnisse und zwar hauptsächlich durch die Verteilung der
Wärme
[* 4] auf der
Erde bedingt; denn die
unter den gleichen Breitengraden liegenden Gegenden zeigen eine gewisse
Gleichheit in ihrem Vegetationscharakter, während
in verschiedenen entlegenen Breitengraden die Pflanzendecke der
Erde bedeutende Verschiedenheiten darbietet.
Diese
Erscheinung führt zur
Annahme der pflanzengeographischen
Zonen auf der nördlichen und südlichen
Halbkugel, welche nach
ihren gleichen Temperaturverhältnissen
u. den Hauptcharakteren ihrer
Vegetation festgestellt worden sind. Die letztere stimmt
zwar in ihren Einzelheiten nicht im ganzen
Umfang jedes um die
Erde laufendenGürtels überein; aber in
ihren Hauptzügen zeigt sie ein einheitliches Gepräge, welches in dem Gesamtbild, das die Pflanzenwelt der einzelnen Erdgegenden
gewährt, und in dem Vorherrschen bestimmter Pflanzenformen sich ausspricht, daher man diese
Zonen auch durch gewisse Pflanzenformen
botanisch charakterisiert. Wir unterscheiden folgende acht
Zonen:
2) Die tropische
Zone oder
Zone der
Baumfarne, vom 15. bis 23.° nördl. und südl.
Br., unterscheidet sich von der
vorigen durch
das Zurücktreten der
Lianen und schmarotzendenOrchideen.
3) Die subtropische
Zone, vom 23. bis 34.° nördl. und südl.
Br., wird durch
Myrten und
Lorbeergewächse charakterisiert.
4) Die wärmere gemäßigte
Zone oder
Zone der immergrünen
Laubhölzer, vom 34. bis 45.° nördl. und südl.
Br., zeichnet sich
durch die
Menge der
Holzgewächse mit nicht abfallenden Blättern aus.
5) Die kältere gemäßigte
Zone oder
Zone der blattwechselnden
Laubhölzer, vom 45. bis 58.° nördl. und
südl.
Br., besitzt Waldungen von
Laub- und Nadelholz, die von
Wiesen,
Prärien und
Heiden unterbrochen sind.
6) Die subarktische
Zone oder
Zone der
Nadelhölzer,
[* 7] vom 58. bis 66.° nördl. und südl.
Br., hat vorherrschend Koniferenwälder,
die nur von einigen Laubbäumen, besonders von
Weiden und
Birken, begleitet werden.
7) Die arktische
Zone oder
Zone der
Alpensträucher, vom 66. bis 72.° nördl. und südl.
Br., beherbergt eine Pflanzendecke,
die vorwiegend aus niedern Sträuchern und
Stauden nebst
Moosen und
Flechten
[* 8] besteht.
Die durch die vertikale Verteilung der
Wärme bedingten Veränderungen der Vegetationsverhältnisse nach der
Höhe über dem
Meer nötigen zur
Annahme bestimmter
Regionen der vertikalen Pflanzenverteilung. Wie wir in Gebirgsgegenden,
von der
Ebene in vertikaler
Richtung aufsteigend, im allgemeinen dieselbe Abstufung der
Temperatur wiederfinden, wie sie beim
Vorschreiten gegen die
Pole zu stattfindet, so besteht auch ein
Parallelismus der pflanzengeographischen
Zonen mit den vertikalen
Regionen der Pflanzenverteilung, so daß die unter dem
Äquator bis zur
Schneegrenze reichenden
Gebirge die
Analoga der Vegetationscharaktere wie der Klimate der ganzen
Erde darbieten, die von dem
Äquator entfernten
Gebirge aber in
ihren verschiedenen
Regionen immer nur die von ihnen aus gegen die
Pole zu liegenden
Zonen repräsentieren, bis endlich in den
arktischen und
Polarzonen die Schneeregion immer näher an dasMeer herunterrückt und damit die ganze
Vegetation den
Charakter der Hochgebirge annimmt. Wir unterscheiden in den
SchweizerAlpen
[* 9] folgende fünf Pflanzenregionen:
1) Die Kulturregion, von der
Ebene am
Fuß der Nordabhänge bis 550 m, auf der Südseite bis 700 m, wird charakterisiert durch
die vorherrschende
Kultur von
Obst und
Wein, welche die
Wälder zumeist verdrängt hat, sowie durch Einmischung
von südlichen Florenbestandteilen.
2) Die Waldregion, bis zu 1350 m auf der Nordseite, bis 900 m in der Südschweiz, stimmt mit der vorigen im allgemeinen
überein, unterscheidet sich aber durch das Fehlen des
Weins von jener und wird durch die hauptsächlich aus
Buchen, auf der Südseite aus
Kastanien bestehenden Laubwälder charakterisiert. An der obern
Grenze verschwindet der Obstbau
ganz.
3) Die
Region der
Nadelhölzer oder subalpine
Region, bis
ca. 1800 m, bildet einen
Gürtel
[* 10] von Nadelwäldern, in der nördlichen
Schweiz
[* 11] vorzüglich aus
Fichten und
Weißtannen, in der Zentralschweiz aus Lärchen undArven bestehend,
mit welchem der Baumwuchs seine
Grenze (Baumgrenze) erreicht. Der Getreidebau verschwindet in der
Schweiz je nach den lokalen
Verhältnissen zwischen 1230 und 2100 m. 4) Die
Region der
Alpensträucher oder untere alpine
Region, bis
ca. 2300 m (untere
Schneegrenze), wird charakterisiert durch eine den
Alpen¶
Äquatorial-Maßstab 1:100.000.000
Tropische Urwaldpflanzen mit hohem Wärme- und Feuchtigkeitsbedürfnis.
Savannenpflanzen mit hohem Wärme- und Trockenheitsbedürfnis.
Immergrüne Buschpflanzen mit mittlerem Wärmebedürfnis; Wälder, Maquis, Scrubs bildend, bisweilen mit Coniferen gemischt.
Laubwerfende Bäume Dikotylen mit geringem Wärmebedürfnis.
Hellgelber Grundton bezeichnet das nördliche aussertropische Pflanzenreich, hellblauer das alt- und neuweltliche, weisser
das altozeanische Florenreich. FarbigeStellen ohne nähere Bezeichnung bedeuten vegetationsleeren Gebiete (Wüsten etc.) Die
roten Linien und Ziffern finden im Text ihre Erklärung.
5) Die Region der Alpenkräuter oder obere alpine Region, von 2300 m bis zum Kamm und den Gipfeln des Gebirges, ist die Heimat
der eigentlichen Alpenpflanzen (s. d.). Ihnen schließen sich noch als letzte Vertreter der Holzpflanzen
nur wenige Zoll hohe Weiden an. Da die Gletscher stellenweise weit herabreichen, so sind sie oft unmittelbar von der üppigsten
Vegetation umgeben. Selbst die eigentliche Schneelinie, welche in den nördlichen Alpen bei 2700, in den südlichen Zentralalpen
bei 3000 m anzunehmen ist, stellt noch nicht die oberste Grenze der Vegetation dar.
In denAlpen kommen Silene
[* 15] acaulis, Ranunculus glacialis u. a. noch über 3000 m vor, und besonders sind es Moose
[* 16] und steinbewohnende
Flechten, welche nebst der Alge des roten Schnees hier die letzten Spuren vegetabilischen Lebens darstellen. Die Übereinstimmung
der obern Pflanzenregionen mit den entsprechenden Zonen der nordischen Flora geht noch über den allgemeinen
landschaftlichen Vegetationscharakter hinaus und zeigt sich sogar in dem Auftreten einzelner identischer Arten.
Von 294 Spezies hochalpiner Gewächse kommen 64 Arten auch in den Hauptgebieten der arktischen Zone rings um den Pol vor. Eine
Anzahl von Arten haben die Alpen ferner mit den höhern GebirgenEuropas und Asiens gemeinsam. Nur in den
SchweizerAlpen einheimische Pflanzen zählt man ca. 182. Außer der Differenz gewisser Spezies, die mit dem ursprünglichen Verbreitungsbezirk
derselben zusammenhängt, bestehen aber noch anderweite Verschiedenheiten, die sich durch gewisse Abweichungen der klimatischen
Verhältnisse, die auf die Vegetation großen Einfluß haben, erklären. Die höhern Gebirgsgegenden haben
bei gleicher Mitteltemperatur weniger hervortretende Temperaturextreme; in den entsprechenden nordischen Ebenen sind die Winter
kälter, die Sommer wärmer; ferner sind in den höhern Gebirgsregionen die Niederschläge häufiger und die Insolation
[* 17] weit
stärker. Letztere beiden Umstände bedingen einen durchaus verschiedenen Charakter der alpinen und arktischen Flora (s. Alpenpflanzen).
Wenn man ohne Rücksicht auf die die Physiognomie der Erdoberfläche bedingenden Gesamtcharaktere der
Vegetation alle diejenigen Länder und Gebirgsregionen zusammenfaßt, über welche eine bestimmte Pflanzenart verbreitet ist,
so erhält man ihren Verbreitungsbezirk oder ihr Areal, das durch bestimmt gerichtete Linien, die Vegetationslinien, umschlossen
wird. Verhältnismäßig wenige Pflanzen, welche man kosmopolitische nennt, sind über die ganze Erde zerstreut;
zu diesen gehören hauptsächlich Kryptogamen, einige Wasser- und Schuttpflanzen.
Die meisten Pflanzen haben verhältnismäßig beschränkte Verbreitungsbezirke; manche bewohnen nur ein eng begrenztes Gebiet,
z. B. eine Insel oder ein einzelnes Gebirge; man bezeichnet ein solches Vorkommen als Endemismus. So wächst z. B. Wulfenia
carinthiaca nur auf der Kuhwegeralp in Kärnten. Die Verbreitung der meisten Pflanzenarten ist wiederum
durch die klimatischen Verhältnisse bedingt, indem sie im allgemeinen in der Richtung der Parallelkreise viel beträchtlicher
als in derjenigen der Längengrade ausgedehnt ist und in manchen Fällen sogar einen den Isothermen folgenden Gürtel rings
um die Erde bildet.
Dies wird jedoch gegen den Äquator hin wegen der großen räumlichen Ausdehnung,
[* 18] die hier die Zonen annehmen,
immer unvollständiger und seltener.
Mit der Abhängigkeit der Vegetation von den Temperaturverhältnissen hängt auch die
Unterbrechung der Verbreitungsbezirke mancher Pflanzen zusammen. So treten viele der Hochgebirgspflanzen erst wieder in einer
oft weit entfernten horizontalen Zone auf. Der Fall, daß dieselben Arten in den entsprechenden Klimaten
der nördlichen und südlichen Hemisphäre auftreten, ist verhältnismäßig selten.
Doch kommen nach R. Brown im südlichen Australien
[* 19] ungefähr 40 unsrer europäischen Spezies wiederum vor. Um die Verbreitung
der einzelnen Pflanzenarten auf der Erde zu erklären, hat die Pflanzengeographie die Hypothese aufgestellt, daß, ähnlich
wie dies für das Menschengeschlecht angenommen wird, auch jede Pflanzenart nur in einem oder wenigen Individuen an irgend
einem Zentralpunkt ihres Verbreitungsbezirks entstanden sei und sich erst mit ihrer Vervielfältigung über ihr gegenwärtiges
Areal allmählich ausgedehnt habe.
Sie greift dabei auf die geologischen und klimatischen Verhältnisse der der Jetztzeit vorhergegangenen
Erdperioden zurück und leitet so z. B. die Übereinstimmung der nordischen Flora mit der der höhern Gebirgsregionen Mitteleuropas
aus der Eiszeit
[* 20] ab, wo die Gletscher weit nach Süden reichten und ganz Mitteleuropa eine arktische Flora besaß, welche sich
später in die kältern Gegenden und Regionen zurückziehen mußte. Auch der geologisch nachweisbare oder
wahrscheinliche frühere Zusammenhang jetzt durch Meere getrennter Kontinente die in gewissen Pflanzenarten übereinstimmen,
wird zur Erklärung herangezogen.
Aber es müssen auch wirkliche Pflanzenwanderungen angenommen werden. Die wichtigsten Verbreitungsmittel der Pflanzen sind:
4) Die Einwirkung des Menschen, durch welchen mit oder ohne Absicht bedeutende Veränderungen in den Verbreitungsbezirken
der Pflanzen herbeigeführt worden sind. Vor allem gilt dies von den Kulturpflanzen, aber auch von Unkräutern und andern Pflanzen,
welche unter den verschiedensten Verhältnissen Verbreitung fanden. - Auch die Gattungen und selbst viele Pflanzenfamilien
zeigen bestimmte Verbreitungsbezirke, die natürlich meist weiter als die ihrer Arten sind. Dabei kommt
vielfach das Verhältnis vor, daß eine Gattung in verschiedenen Ländern oder Erdteilen durch verschiedene Arten vertreten ist.
Für manche
¶
Ein besonderer Zweig der Pflanzengeographie, welcher Pflanzenstatistik heißt, hat es mit den numerischen Verhältnissen des
Vorkommens der Arten, Gattungen und Familien der Pflanzen zu thun. Die Zahl der bis jetzt bekannten Pflanzenarten
beträgt wenigstens 100,000, wovon auf die Phanerogamen ungefähr 80,000, auf die Kryptogamen über 20,000 kommen. Da aber noch
viele Erdstriche botanisch wenig oder selbst gar nicht durchforscht sind und auch in den bekanntern Ländern besonders von
Kryptogamen noch fortwährend neue Arten aufgefunden werden, so darf man die Zahl der wirklich auf der
Erde existierenden Pflanzenarten auf 200-300,000 schätzen.
(Abgrenzung der Florenreiche und Vegetationsformen). Das Hauptergebnis der neuern Pflanzengeographie gegenüber
der ältern, vorzugsweise klimatologischen Richtung besteht in dem von Engler und seiner Schule geführten Nachweis, daß die
Verteilung der Gewächse auf der Erdoberfläche in erster Linie von den Vegetationsverhältnissen der Tertiärzeit abhängig
erscheint, in welcher eine Scheidung in bestimmte, pflanzengeographisch abgegrenzte Gebiete bereits vollzogen war, und die
den in weiterer geologischer Umbildung begriffenen, sich trennenden oder vereinigenden Ländergebieten
deutlich nachweisbare Kerne von Stammformen zu späterer Artausbildung und Umprägung überlieferte. Im
ältern und mittlern
Tertiär haben sich von den damaligen Polarländern her Gewächse nördlichern Charakters, das arktotertiäre FlorenelementEnglers,
über Europa, das nördliche und mittlere Asien
[* 43] und Nordamerika verbreitet und die dort ansässige Tropenflora
in die südlich anstoßenden Länder zurückgedrängt.
Diese nördliche Tertiärflora zerfiel bereits in einen innern, etwa von 75-80° nördl. Br. reichenden borealen Gürtel und
eine mehr südliche Zone, welche zahlreiche, mit tropischen Formen verwandte Sippen enthielt; letztere bilden einen wesentlichen
Bestandteil in der miocänen Pflanzenwelt von Mitteleuropa und sind in der lebenden Flora vorzugsweise
im mittlern Nordamerika (Virginien) und in Ostasien (China,
[* 44] Japan, südliche Amurlandschaften) erhalten.
Während des jüngern Tertiär und der Eiszeit erfolgte dann ein zweiter Vorstoß der arktotertiären Pflanzen, indem deren nordische
Vertreter weiter südwärts vordrangen und gleichzeitig die noch vorhandenen Reste der tropischen Vegetation dem
eingetretenen kältern Klima
[* 45] nicht Widerstand zu leisten vermochten; die davon betroffenen Gebiete von Europa, Asien und Amerika
wurden dadurch zu einem einheitlichen Florengebiet, dem nordischen (Drude), umgeprägt, in welchem keine tropischen Vertreter
mehr enthalten sind, und dessen Kernbestandteile den tertiären Polargegenden entstammen.
Dieser Umstand erklärt die so oft unrichtig gedeutete teilweise übereinstimmung zwischen der Hochgebirgsflora
Europas und Asiens mit der Skandinaviens und der arktischen Länder. Die Überbleibsel der subborealen Tertiärflora wurden in
den Mittelmeerländern, in China und Japan und im mittlern Nordamerika durch besondere geologische Ursachen voneinander isoliert
und entwickelten sich in Gestalt selbständiger Florenreiche mit besondern Arten weiter; Beweis dafür
sind einzelne, in der jüngern Tertiärflora (Miocän und Pliocän) über Nordamerika, Europa und Asien verbreitete Stammarten,
wie Platanus aceroidesGöpp., aus denen in der darauf folgenden Zeit zwei nahe verwandte, aber nach dem östlichen und westlichen
Wohngebiet scharf gesonderte Tochterarten (Platanus occidentalis und orientalisL.) sich herausbildeten (s.
Platane).
[* 46]
In denTropen hat sich dagegen die ursprüngliche Tertiärflora am ungestörtesten weiter entwickeln können, so daß dort
gewisse gemeinsame Bestandteile vorhanden sind;
jedoch waren schon während der Tertiärzeit zwei verschiedene Tropenfloren,
eine östliche und eine westliche, vorhanden, welche Engler als das paläotropische (Afrika nebst Inseln, Südasien) und das
neotropische Florenelement (südliches Nord- und nördliches Südamerika)
[* 47] bezeichnet;
die Unterschiede beider
liegen vorzugsweise darin, daß einzelne Pflanzenfamilien ausschließlich dem einen oder dem andern Gebiet angehören;
Engler nimmt für diese Gebiete ein gemeinsames altozeanisches Florenelement
an, dessen Formen die Fähigkeit besessen haben, über große Strecken des Ozeans hinweg zu wandern und
sich an den Ansiedelungsorten zu neuen Arten zu entwickeln. Drude vermutet, daß gleichzeitig mit der
¶
mehr
Ausscheidung der arktischen Elemente aus der ehemaligen arktotertiären Flora der nördlichen Halbkugel ähnliche Umbildungen
sich auch auf den Südspitzen der großen Kontinente in der Weise vollzogen haben, daß die Entwickelung von Anfang an unter
Isolierung erfolgte; zum Beweis führt er unter andern die auffallend enge Begrenzung des Wohngebiets bei gewissen,
dem Kapland und Australien eigentümlichen Pflanzenordnungen (Proteaceen, Restiaceen, Epakrideen u. a.) und die große Zahl daselbst
ausschließlich einheimischer (endemischer) Arten an. Drude faßt ferner in einem gewissen Gegensatz zu Engler als Florenreich
alle die geographischen Gebiete zusammen, in welchen eine überwiegende Menge herrschender Pflanzensippen (d. h. Gattungen,
Tribus, Unterordnungen) auf ein gemeinsames Ursprungsgebiet hinweisen, und scheidet sie nach ihrem
allgemeinen Charakter in die drei Hauptgebiete der borealen, tropischen und australen Pflanzenwelt. Dieselben gliedern sich
in 14 einzelne Florenreiche, die zu annähernder Vergleichung mit den Abgrenzungen Englers und Grisebachs in folgender Übersicht
vereinigt sind, wobei bezüglich der geographischen Einzelheiten auf die Karte »Verbreitung der wichtigsten
Pflanzengruppen der Erde« zum ArtikelPflanzengeographie im Hauptwerk (Bd. 12) verwiesen
werden muß.
Die
verschiedenen Florenreiche zerfallen weiter in Unterabschnitte, wie z. B.
Zonen, Provinzen und Bezirke. Alle diese Einteilungen stützen sich ausschließlich auf floristische Untersuchungen der betreffenden
Gebiete, wie sie in den Pflanzenkatalogen und in systematischen Werken niedergelegt sind. Eine davon durchaus verschiedene
Gruppierung wird erhalten, wenn von den Anpassungen der Gewächse an bestimmte Bedingungen des Klimas und
Standortes, d. h. also von physiologischen Faktoren oder von hervorragenden Lebenseigentümlichkeiten, wie z. B. den periodischen
Wachstumserscheinungen, der Ernährungsweise und andern biologischen Merkmalen, ausgegangen wird.
Als derartige Vegetationsformen hat z. B. A. de Candolle nach den verschiedenen Graden des Wärmebedürfnisses die Gruppen der
Mega-, Meso-, Mikro- und Hekistothermen (d, h. Pflanzen mit großem, mittlerm, kleinem und kleinstem Wärmebedürfnis)
und nach den Feuchtigkeitsansprüchen die Gruppen der Hygro- und Xerophilen (d. h. Pflanzen feuchter und dürrer Standorte)
unterschieden. Grisebach bezeichnete nach der physiognomischen Tracht sowie nach biologischen und systematischen Merkmalen
50-60 Gewächsformen, beispielsweise von Holzgewächsen die Palmen-, Farnbaum-, Pisang-, Pandanus-, Bambusen-, Nadelholz-, Lorbeer-,
Oliven-, Eukalyptus-, Sykomoren-, Buchen-, Weiden-, Linden-, Eschen-, Mimosen-, Bananen- und Mangroveform, die
Strauchformen der Eriken, Myrten, des Oleanders, der Proteaceen, die Sodada- und Rhamnusform, die Dornsträucher, endlich die
Kasuarineen-, Cypressen-, Tamarisken-, Spartium- und Zwergpalmenform als typisch.
Drude begnügt sich mit der Unterscheidung folgender Vegetationsklassen:
10) Parasiten (grüne und nichtgrüne). Kerner von Marilaun verwendete als Einteilungsgrund teils das allgemeine
Substrat und die Art der Nahrungsaufnahme, teils aber auch die verschiedenartigsten morphologischen Merkmale, so daß
die von ihm unterschiedenen Pflanzengruppen: Wasserpflanzen,
[* 49] Steinpflanzen, Erdpflanzen, Überpflanzen, Verwesungspflanzen,
Tierfänger, Schmarotzer, Ernährungsgenossenschaften (Flechten), Flachblatt- und Rollblattpflanzen, Filzpflanzen, Dickblattpflanzen,
¶
mehr
Nopalgewächse (Stammsukkulenten), Rutengewächse, Flachsproßgewächse, Lianen, Dornsträucher u. a., zwar eine vorzügliche,
habituelle Charakteristik, aber keine durchgreifende biologische Übersicht gewähren. Wie Drude hervorhebt, ist es bis jetzt
noch nicht gelungen, eine vollkommen einwurfsfreie Klassifikation und Nomenklatur der Vegetationsformen nach rein biologischen
Merkmalen festzustellen. Über die Flora des asiatischen Monsungebiets s. den Bericht: Naturforscherversammlung,
S. 639.
Derselbe, Handbuch der Pflanzengeographie (Stuttg. 1890),
und dessen fortlaufende Berichte über Pflanzengeographie in Wagners »Geographischem Jahrbuch«
(Gotha).
Vegetationsformationen.
In der Anwendung dieses von Grisebach (1838) eingeführten Begriffs sind die Pflanzengeographen bisher ziemlich willkürlich
verfahren, indem sie unter demselben teils gewisse natürliche biologische Pflanzengemeinden (wie Wälder, Gebüsche, Wiesen,
Savannen u. a.), teils die Vegetation bestimmter Abschnitte des Terrains (wie Sumpf, Ufer, Strand, Thal,
[* 51] Hügel, Berg u. a.), teils
einzelne, nur aus wenigen Arten gebildete Pflanzenbestände, z. B. von Empetrum, Betula nana u. a., verstanden
haben.
Drude geht daher bei der Abgrenzung der Vegetationsformation von ganz bestimmt charakterisierten, aus Vegetationsformen gebildeten
Hauptbeständen eines Florengebiets oder Florenbezirks aus, deren dauernder Zusammenhalt durch eine Reihe gemeinsamer, äußerer
Lebensbedingungen (Insolationslage, Bewässerung, Bodenunterlage u. a.) bewirkt wird. Die Formationen erscheinen
hierbei als Untergliederungen eines bestimmten Florengebiets und haben zunächst nur innerhalb des letztern Geltung und Bedeutung;
sie setzen sich aus geselligen Hauptarten und einzeln auftretenden Nebenarten zusammen, welche im Bereich jener eine Wohnstätte
finden.
Um an einem Beispiel zu zeigen, wie sich Drude die Formationsgliederung eines kleinern Ländergebiets praktisch
durchgeführt denkt, wendet er seine Grundsätze auf die Pflanzenwelt des Hercynischen Berglandes an, d. h. auf die Landschaften
vom Harz über Thüringen und Sachsen
[* 52] bis an das Ostende
[* 53] des Sudetenzugs und an den Südrand des Böhmerwaldes, welche im nordischen
Florenreich ihrem allgemeinen Charakter nach der Zone der immergrünen Zapfen- und sommergrünen Laubbäume
mit Mooren, Wiesen und Heiden angehören.
Von Formationsklassen treten in diesem Gebiet Wälder, Gebüsche, Gesträuche, Grasfluren (Wiesen), Felsen, Moore, Sümpfe und
Teiche sowie von Regionen die Niederung (bis 150 m), die Hügelregion (bis 500 m), die Bergregion (bis 1300 m) mit einer untern
(bis 800 m) und obern Waldregion (bis 1100 m) sowie einer Strauchregion (bis 1300 m), endlich die alpine
Region (von 1300-1600 m) auf; in dem Alpenbezirk bildet die Nadelholzbergregion mit Bergwiesen, Voralpenwiesen und hochwüchsigen,
geselligen Stauden (Karflur) den untern und die Hochgebirgsregion mit alpinen Heiden, Alpenmatten, Fels- und Geröllhalden,
Krummholzbeständen und Hochmooren den obern Abschnitt. Schließlich ergibt sich folgende, hier nur auszugsweise
wiederzugebende Gliederung des Hercynischen Berglandes nach Vegetationsformationen:
Ein * bei einem Pflanzennamen bedeutet eine Pflanze mit besonders charakteristischer Verbreitung.
Erste Gruppe: Wälder und denselben sich anschließende Gehölz- und Strauchformationen.
2) Auenwälder (mit periodisch nassem oder sumpfigem Untergrund und stellenweise mit Sumpfgräsern, wie Molinia, oft im
Überschwemmungsgebiet der Flüsse liegend), teils aus Eichen, teils aus gemischten Beständen gebildet. - Nebenarten: Poa
[* 54] nemoralis,
Listera, Smilacina bifolia, Ficaria, Milium effusum, Circaea, Angelica, Heracleum.
3) Bruchwälder und Waldmoore (mit dauernd sumpfigem Untergrund und Sumpfgräsern), aus Erlen oder gemischtem Bruchwald mit
Betula pubescens, Alnus, Pinus silvestris, Salix-Arten bestehend. - Nebenarten: Athyrium Filix femina, A.
Filix mas, *Calla palustris.
6) Dürre, geschlossene Nadelwälder (auf trocknem oder wenig feuchtem Boden, ohne Bergsträucher und Bergstauden), aus Kiefern
mit Heidegesträuch (Calluna), Vaccinium Myrtillus und Vitis idaea bestehend. - Nebenarten: Corynephorus, Jasione, Sarothamnus,
Agrostis.
[* 56]
8) Nadelmengwälder (an höhere Luftfeuchtigkeit gebunden, der Boden durch eine Moosschicht vor dem Austrocknen geschützt,
den obersten Teil der Hügel- und den untern der Bergregion einnehmend), entweder aus gemischten Beständen von Picea, Abies,
Fagus mit eingestreutem Acer, Ulmus, Fraxinus, Gesträuch von Sambucus racemosa, Lonicera Xylosteum, Daphne,
oder aus geschlossenem Fichtenbestand (Picea) ohne Tannen, aber mit Pinus silvestris und einer aus Moosen und Lebermoosen gebildeten
Bodenschicht. - Nebenarten in dem gemischten Bestand: Smilacina, Paris,
[* 57] Polygonatum, Farne,
[* 58] Lysimachia
[* 59] nemorum, Trientalis,
Actaea, *Prenanthus purpurea, *Aruncus, *Digitalis purpurea, oder in dem Fichtenbestand: Hypnum-Arten, Blechnum, Pirola-Arten,
Monotropa.
10) Gemischte Voralpenwälder (auf sonnigen, breiten Bergrücken, die am höchsten aufsteigende Form der Laubwälder in Verbindung
mit Nadelholz), aus geselligen Abies, Picea und den unter 9) genannten Laubhölzern. - Nebenarten: Knautia silvatica, Homogyne
alpina.
11) Obere Fichtenwälder (oberste Waldregion bis zur Baumgrenze), aus Picea mit Gebüsch oder Gesträuch
von Sorbus, Rubus idaeus, Vaccinium Myrtillus und Stauden (Luzula maxima, Calamagrostis, Halleri etc.). - Nebenarten: Homogyne alpina,
Prenanthes, *Digitalis purpurea, *Streptopus amplexifolius.
12) Waldbach- und Quellflurformation (im Anschluß an 7), mit Beständen von Chaerophyllum hirsutum, Chrysosplenium, Crepis
palustris und Petasites albus, oberhalb 800 m Mulgedium, Aconitum, Ranunculus aconitifolius. - Nebenarten
¶