Pfeilgift
,
vegetabilische oder animalische
Stoffe, mit welchen Geschoßspitzen versehen werden,
um sie schneller und sicherer tötend zu machen. Die
Skythen bereiteten ein Pfeilgift
aus gefaulten
Vipern und gefaultem Menschenblut,
und ähnliche Fäulnisgifte, zu deren Gewinnung oft unheimliche
Tiere benutzt werden, kennt man auch aus Südafrika
[* 2] und
Amerika.
[* 3] Auch das
Herakleische Pfeilgift
, welches das
Blut des
Nessos derart vergiftete, daß es selbst nun wieder die furchtbarsten
Wirkungen äußerte, konnte nur ein Fäulnisgift sein, welches fermentartig wirkt. In
Norwegen
[* 4] gebraucht man noch jetzt zur
Jagd auf den
Nordkaper
(Balaenoptera rostrata) ein Pfeilgift
, welches aus
Leichengift früher erlegter
Tiere besteht.
Odysseus vergiftete seine
Pfeile mit Pflanzensäften, die er aus der
Ferne holte, und
Achilleus fiel offenbar
durch einen Giftpfeil. Die
Giftpflanze
[* 5] der
Skythen und Dalmatiner wird im
Altertum Helenium genannt. Nikander von
Kolophon erwähnt
ein Toxicum (von toxon,
Bogen,
[* 6]
Pfeil) genanntes Pfeilgift
der perrhäischen
Nomaden und der
Ackerbau treibenden
Völker am
Euphrat, auch
wurde dieser
Name besonders häufig dem Pfeilgift
der alten
Kelten und
Gallier beigelegt. Die
Pflanze, aus der es
bereitet wurde, hieß Xenium. Es sollte augenblicklich töten, und man beeilte sich, das
Fleisch rings um den
Pfeil auszuschneiden,
damit das
Tier vor schneller
Fäulnis bewahrt bliebe.
Daß das Pfeilgift
im
Magen
[* 7] nicht giftig wirkte, wußte man recht gut. Der
Wurzel
[* 8] von
Aconitum ferox sollen sich
asiatische
Stämme, der
Anemone ranunculoides die
Kamtschadalen als Pfeilgift
bedienen. Auf den
Gebrauch vergiftete
Pfeile bei den alten
Germanen deuten manche
Mythen, aber niemals scheint man sie im
Krieg benutzt zu haben. 388 sollen
Franken auf die
Soldaten
des
Quintinus mit vergifteten
Pfeilen geschossen haben, und das
Salische Gesetz verbot nur den
Gebrauch der Giftpfeile gegen
Stammesgenossen, nicht gegen
Fremde.
Später durften Giftpfeile nur auf der
Jagd angewandt werden, und dieser
Gebrauch erhielt sich bei
Marseille
[* 9] bis ins 14., in
verborgenen Alpenthälern bis ins 16. Jahrh. Die Älpler benutzten die
Knollen
[* 10] der
Ranunculus thora zur Bereitung von Pfeilgift
, mit welchem zu Lobels
Zeiten noch ein regelrechter
Handel betrieben wurde.
Nach
Gesner wirkte das Thoragift in einer halben
Stunde, war aber im
Magen völlig unschädlich. Das einzige
Gegengift sollte
Aconitum anthora liefern. Die noch jetzt in
Asien
[* 11] und
Amerika gebräuchlichen Pfeilgifte
wurden zuerst durch
Raleigh 1595 und Försch 1775 bekannt. Das
Upas-Antiar
(Pohon-Upas), welches auf den ostindischen
Inseln aus dem
Milchsaft des
Antiar- oder Upasbaums
(Antiaris toxicaria
Lech.) bereitet
¶
mehr
wird, bildet eine schwarzbraun Latwerge, schmeckt äußerst bitter und scharf, bringt ein Gefühl von Erstarrung auf der Zunge und im Schlund, Konvulsionen, Diarrhöe und Erbrechen hervor und tötet nicht sehr schnell. Es enthält Antiarin, von welchem 1 mg einen Hund in 10-15 Minuten unter den gewaltsamsten Konvulsionen tötet. Das Upas-Tjoeté (Tieuté), Upas-Radja oder Tschettikgift ist das wässerige Extrakt der Wurzelrinde des aus Java und Borneo heimischen Strauchs Strychnos Tieuté Lech., schmeckt sehr bitter und enthält Strychnin, woraus sich die Symptome von Tetanus bei den durch dieses Gift Vergifteten erklären.
Die vergifteten Pfeile werden aus Blasrohren geschossen. Das im nordöstlichen Südamerika
[* 13] übliche Curare
(Urari, Woorari), das Extrakt des Splints und der Rinde von Strychnaceen, ist schwarzbraun, spröde, bitter, in Wasser größtenteils
löslich und kommt in kleinen Kürbissen nach Europa;
[* 14] es enthält 3-4 Proz. Curarin
, welches farblose Kristalle
[* 15] bildet, in
Wasser und Alkohol, nicht in Äther löslich ist, an der Luft braun und schmierig wird, alkalisch reagiert
und mit Säuren kristallisierbare Salze bildet.
Curare wirkt sehr schwach vom Magen aus, sehr schnell aber, wenn es in eine Wunde gelangt, und am heftigsten beim Einspritzen in eine Vene. Es lähmt die motorischen Nerven, [* 16] so daß bei erhaltenem Bewußtsein alle willkürlichen Bewegungen unmöglich werden, und tötet durch Lähmung der Brustmuskeln und daraus folgende Aufhebung der Atmung. Durch künstliche Unterhaltung der Atmung können nicht zu starke Dosen überwunden werden. Es wirkt dem Strychnin entgegen und kann als Gegengift desselben betrachtet werden.
Man benutzt es als Heilmittel bei Tetanus, Epilepsie, Wasserscheu, Veitstanz und zum Lähmen der Tiere bei Vivisektionen
(vgl. Steiner, Das amerikanische Pfeilgift
Curare, Leipz. 1877). Das Urari der Macuschi bei Pirara in Südamerika wird hauptsächlich
aus den Rinden und Wurzelstöcken von Strychnos toxifera Schomb., S. cogens Benth. und S. Schomburgkii Kl. dargestellt. Das Tikunagift
wird von den Tikunaindianern aus einer Liane, die auf der Insel Mormorote im obern Marañon wächst, nach
Condamine aber aus mehr als 30 Arten von Wurzeln und Kräutern bereitet. Es wirkt augenblicklich tödlich; über seine chemische
Beschaffenheit fehlen nähere Angaben.
Das Pfeilgift
der Goajiroindianer im äußersten Norden
[* 17] von Südamerika ist Schlangengift; nach andern Berichten wird es auch aus zusammen
verwesten Schlangen,
[* 18] Kröten, Eidechsen,
[* 19] Skorpionen, Taranteln dargestellt; einige Indianer benutzen auch die
Ausschwitzung eines Laubfrosches (Phyllobates melanorhinus). Das Pfeilgift
der Buschmänner ist eine Mischung von Schlangengift, dem
Saft einiger giftiger Euphorbiumarten und der nicht giftigen Zwiebel von Haemanthus toxicarius; dies Gift ist eins der stärksten
und tötet selbst größere Tiere sehr schnell. Als Gegengift wird Ätzkali gerühmt.