Titel
Pf
eiffer,
1) Burkhard
Wilhelm, hess.
Jurist, geb. zu
Kassel,
[* 2] studierte anfangs
Theologie, dann
Rechtswissenschaft
und wurde 1799 Archivar bei der
Regierung,
1803
Staatsanwalt, 1808
Substitut des
Generalprokurators bei dem Appellationsgericht
zu
Kassel, 1814
Regierungsrat und 1817 Oberappellationsgerichtsrat. 1820 folgte er einem
Ruf als Oberappellationsgerichtsrat
nach
Lübeck,
[* 3] kehrte aber schon im folgenden Jahr in seine frühere
Stellung zurück. 1831 ward er Mitglied der
Ständeversammlung
und von dieser zum
Präsidenten gewählt, nach
Auflösung derselben 1832 Vorstand des bleibenden
Ausschusses. 1843 pensioniert,
arbeitete er nach
Berufung des Märzministeriums von 1848 für die Realisation einer konstitutionell-monarchischen
Staatsverfassung,
bekämpfte
nach
Berufung des
Ministeriums
Hassenpflug im
Februar 1850 dieses aufs lebhafteste und suchte
selbst nach Unterdrückung der
Preßfreiheit die Rechtmäßigkeit der konstitutionellen
Sache in
Kurhessen sowie des von der
aufgelösten
Ständeversammlung geleisteten
Widerstandes darzulegen in den
Schriften: »Die Selbständigkeit und Unabhängigkeit
des Richteramts«
(Götting. 1851, 2. Aufl. 1865) und »Der
alte und der neue
Bundestag«
(Kass. 1851). Er starb in
Kassel. Von seinen
Schriften sind noch hervorzuheben: »Vermachte
Aufsätze über Gegenstände des deutschen und römischen
Privatrechts« (Marb. 1802);
»Praktische Ausführungen aus allen Teilen der Rechtswissenschaft« (Hannov. 1825-50, 8 Bde., mit Register);
»Geschichte der landständischen Verfassung in Kurhessen« (Kassel 1834);
»Das deutsche Meierrecht« (das. 1848);
»Fingerzeige für alle deutschen Ständeversammlungen« (das. 1849).
2)
Ida, geborne
Reyer, Reisende, geb. zu
Wien,
[* 4] verheiratete sich 1820 mit dem
Advokaten Pf
eiffer, von welchem sie sich jedoch
bald trennte, und bereiste, nachdem sie die
Erziehung ihrer
Kinder vollendet, 1842
Palästina
[* 5] und
Ägypten,
[* 6] 1845
Skandinavien
und
Island;
[* 7] 1846-48 besuchte sie
Brasilien,
[* 8]
Südamerika
[* 9] (besonders
Chile),
[* 10]
Tahiti,
[* 11]
China,
[* 12]
Vorderindien,
Persien,
[* 13]
Kleinasien und
Griechenland.
[* 14] Unterstützt von der österreichischen
Regierung, machte sie 1851-54 eine zweite Weltfahrt über
England und
Afrika
[* 15] nach den
Sundainseln und
Molukken, wo sie 18
Monate verweilte, sodann über
Australien
[* 16] nach
Amerika,
[* 17] wo sie nacheinander
Kalifornien,
Oregon,
Peru,
[* 18]
Ecuador,
Neugranada, die Mississippigebiete und die Binnenseen
Nordamerikas bereiste.
Das kaiserliche Naturalienkabinett zu Wien verdankt dieser Reise eine große Bereicherung an Insekten, [* 19] Reptilien etc. Auf Anregung A. v. Humboldts und Ritters wurde sie zum Ehrenmitglied der Berliner [* 20] Geographischen Gesellschaft ernannt, vom König von Preußen [* 21] erhielt sie die goldene Medaille für Wissenschaft und Kunst. Im Mai 1856 verließ sie Wien von neuem, begab sich über Berlin [* 22] nach Paris, [* 23] wo sie zum Ehrenmitglied der Geographischen Gesellschaft ernannt ward, und schiffte sich Ende August zu Rotterdam [* 24] nach Madagaskar [* 25] ein.
Dort aber wurde sie längere Zeit gefangen gehalten und sodann aus dem Land gewiesen. Die erlittene brutale Behandlung hatte ihre Gesundheit untergraben; siech kehrte sie über England und Hamburg [* 26] nach Wien zurück, wo sie starb. Sie drang auf ihren Reisen, auf denen sie über 240,000 km zur See und gegen 32,000 km zu Lande zurücklegte, in Gegenden vor, welche vor ihr noch kein Europäer betreten hatte, und wenn ihre Berichte auch keine neuen wissenschaftlichen Resultate brachten, so verbreiteten sie doch über manchen dunkeln Punkt Licht. [* 27] Sie schrieb: »Reise einer Wienerin in das Heilige Land« (Wien 1845, 3 Bde.; 4. Aufl. 1856, 2 Bde.);
»Reise nach dem skandinavischen ¶
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Norden [* 29] und der Insel Island« (Pest 1846, 2 Bde.); »Eine Frauenfahrt um die Welt« (Wien 1850, 3 Bde.); »Meine zweite Weltreise« (das. 1856, 4 Bde.) und »Reise nach Madagaskar« (mit der Biographie der Verfasserin, das. 1861, 2 Bde.).
3) Louis Georg Karl, Naturforscher, Sohn von Pf
eiffer 1), geb. zu
Kassel, studierte 1821 bis 1825 in Göttingen
[* 30] und Marburg
[* 31] Medizin und ließ sich 1826 in seiner Vaterstadt als Arzt nieder. 1831 wirkte
er in Polen als Stabsarzt. Er starb in Kassel. Pf
eiffer hat sich namentlich um die Botanik und die Kunde der niedern Tiere
verdient gemacht. Von seinen Schriften sind hervorzuheben: »Enumeratio diagnostica cactearum hucusque
cognitarum« (Berl. 1837);
»Beschreibung und Synonymik der in deutschen Gärten lebenden Kakteen« [* 32] (das. 1837);
»Abbildungen und Beschreibungen blühender Kakteen« (Kassel 1838-50, 2 Bde.);
»Synonymia botanica« (das. 1870, mit Suppl. 1874);
»Nomenclator botanicus« (das. 1871-75, 2 Bde.);
»Symbola ad historiam heliceorum« (das. 1841-46, 3 Bde.),
die Frucht eines Aufenthalts in Cuba im Winter 1838-39 sowie einer Reise nach Paris, Ungarn, [* 33] auf die Krainer und Kärntner Alpen [* 34] und in die Gegenden von Fiume [* 35] und Triest [* 36] 1840-43;
»Monographia heliceorum viventium« (Leipz. 1848-77, Bd. 1-8; die die Landschnecken betreffenden Abteilungen von Philippis);
»Abbildungen und Beschreibungen neuer od. wenig gekannter Konchylien« (Kassel 1845-51, 3 Bde.);
»Monographia pneumonopomorum viventium« (das. 1852-76, 3 Bde. u. 3 Suppl.);
»Monographia auriculaceorum viventium« (das. 1856);
»Novitates conchologicae« (das. 1854-79, 5 Bde.);
»Nomenclator heliceorum viventium« (das. 1879-81).
Außerdem lieferte er zahlreiche Beiträge für die von ihm mit Menke seit 1846 zu Kassel herausgegebene »Zeitschrift für Malakozoologie«, seit 1854 als »Malakozoologische Blätter« fortgesetzt.
4) Franz, Germanist, geb. zu Bettlach bei Solothurn, [* 37] studierte 1834-40 in München [* 38] erst Medizin, dann germanische Sprachen, wurde 1846 königlicher Bibliothekar in Stuttgart [* 39] und folgte 1857 einem Ruf als Professor der deutschen Litteratur an die Universität zu Wien, wo er 1860 zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften ernannt wurde und starb. Von seinen Schriften sind hervorzuheben: »Zur deutschen Litteraturgeschichte« (Stuttg. 1855);
»Über Wesen und Bildung der höfischen Sprache [* 40] in mittelhochdeutscher Zeit« (Wien 1861);
»Der Dichter des Nibelungenlieds« (das. 1862),
worin er den Minnesänger von Kürenberg als den Verfasser des Gedichts nachzuweisen suchte (s. Kürenberg und Nibelungenlied, S. 128);
ferner: »Forschung und Kritik auf dem Gebiet des deutschen Altertums« (das. 1863) und »Freie Forschung; kleine Schriften zur Geschichte der deutschen Litteratur und Sprache« (das. 1867).
Auch gab er zahlreiche Werke der altdeutschen Litteratur heraus, wie: »Barlaam und Josaphat« von Rudolf von Ems (Leipz. 1843);
»Die Weingartner und Heidelberger Liederhandschrift« (Stuttg. 1843, 2 Bde.);
Ulrich Boners »Edelstein« (Leipz. 1844);
»Die deutschen Mystiker des 14. Jahrhunderts« (das. 1845-57, 2 Bde.);
»Marienlegenden« (Stuttg. 1846; neue Ausg., Wien 1863);
»Wigalois« von Wirnt von Gravenberg (Leipz. 1847);
die »Deutsche [* 41] Ordenschronik« des Nik. v. Jeroschin (Stuttg. 1854);
die Predigten des Berthold von Regensburg (Wien 1862) u. a. Pf
eiffer redigierte die von ihm gegründete »Germania«,
[* 42] eine Vierteljahrsschrift für deutsche Altertumskunde (Stuttg. 1856 ff., seit 1859 Wien; nach seinem Tod
von K. Bartsch, seit 1888 von
O. Behaghel fortgesetzt),
und rief die Sammlung »Deutsche Klassiker des Mittelalters« ins Leben, für die er selbst als 1. Band [* 43] »Walther von der Vogelweide« (6. Aufl. von Bartsch, Leipz. 1880) bearbeitete.