Pfahlgraben
,
die namentlich in Süddeutschland noch jetzt in ausgedehnten Resten vorhandenen
Anlagen der
Römer
[* 2] zum
Grenzschutz ihrer rechtsrhein. Besitzungen auf deutschem
Boden. Der
Name Pfahlgraben
oder
Pfahl rührt von den neuerdings
noch in Resten aufgefundenen Palissaden auf einzelnen
Strecken der röm. Grenzlinie her. Der Pfahlgraben
bildete den durch die
Römer
gegenüber den deutschen Völkern mit ganz besonderer Sorgfalt ausgestatteten Grenzstreifen (limes). Einen solchen Limes
legte zunächst der
Cäsar
Tiberius nach der
Niederlage des
Varus auf der Ostseite des röm. Untergermanien auf
der rechten Rheinseite einige
Stunden östlich vom Rheinstrom an; dieser Limes zog sich von der Gegend bei Duisburg
[* 3] südlich
bis Neuwied. In ausgedehnter
Weise dagegen wurde das röm. Obergermanien, zuerst unter Domitianus, der neben der
Anlage am
Taunus das Neckarthal in die röm. Linien hineinzog, dann unter Hadrianus und seinen
Nachfolgern, welche die
Arbeiten bis zur obern Donau führten, in solcher Art geschützt.
Diese 542 km lange künstliche Grenze, die den einspringenden Winkel [* 4] des Oberlaufs der beiden großen röm. Grenzströme, des Rheins und der Donau, deckte (s. die Karte: Germanien [* 5] u.s.w., Bd. 7, S. 862), zerfällt in den obergerman. und rhätischen Limes. Der obergermanische Limes (368 km) beginnt bei Rheinbrohl, zieht südöstlich über Ems [* 6] zum Taunus, umfaßt diesen und wendet sich südlich dem Main zu, den er bei Groß-Kotzenburg erreicht. Dann folgt er dem Main bis Miltenberg und geht in schnurgerader südsüdöstl.
Linie bis Pfahlbronn. Hier schließt sich der rhätische Limes an (die sog. Teufelsmauer, 174 km), der nördlich ausbiegend der Donau zustrebt und sie oberhalb Kehlheim erreicht. Die Bauweise des Limes war, soweit nicht die Flußgrenze vorhanden war, eine verschiedene. Der Grenzstreifen wurde nach innen durchgängig durch eine Grenzstraße, nach außen durch eine, in einem kleinen Graben verborgen liegende Versteinung abgeschlossen. Zwischen beiden lag entweder wie in Obergermanien ein bis 3 m hoher Erdwall mit Graben (bis 1 m tief) oder wie in Rhätien eine Verpalissadierung, später eine Mauer, hinter oder in denen sich zahlreiche Wachthäuser oder Wachttürme befanden.
Weiter zurück lagen in wechselnden Abständen Kastelle, eine Art befestigte Kasernen, von denen auf der ganzen Linie bisher (Sommer 1894) 60 sicher gefunden sind, 17 mit Wahrscheinlichkeit vermutet werden. Die nähere Bestimmung des ganzen Grenzsystems und seiner allmählichen Entstehung wird erst möglich sein, wenn die seit 1892 begonnenen Ausgrabungs- und Aufnahmearbeiten zu Ende geführt sind; der Reichstag hat dafür 1892 200000 M. bewilligt, und eine aus Fachleuten aller beteiligten Bundesstaaten bestehende Kommission ist zusammengetreten; sie giebt das «Limesblatt» (Trier, [* 7] seit 1893) zur Orientierung über die neuesten Forschungsresultate heraus.
Immerhin läßt sich schon jetzt mit Sicherheit sagen, daß der Limes keine Verteidigungslinie, sondern in erster Hinsicht eine Grenzsperre gegenüber den benachbarten Barbarenvölkern darstellte. Er wurde durch ständige Posten und Patrouillen überwacht, ein Signaldienst nach rückwärts war eingerichtet. Die Überschreitung war nur an gewissen Stellen unter gewissen Vorsichtsmaßregeln und unter Erlegung der Grenzzölle erlaubt, bei Nacht keinem, bei Tage bewaffneten Leuten nicht gestattet.
Der Pfahlgraben
ist verfallen, seitdem in der Zeit des
Gallienus das rechte Rheinufer den
Römern verloren ging.
Vgl. Arnold, Deutsche [* 8] Urzeit (3. Aufl., Gotha [* 9] 1881);
Cohausen, Der röm. Grenzwall in Deutschland [* 10] (Wiesb.1884; Nachtrag, ebd.1886);
Mommsen, Röm. Geschichte, Bd. 5 (3. Aufl., Berl. 1886);
Hübner, Der röm. Grenzwall in Deutschland (in den «Jahrbüchern des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinlande», Heft 63, Bonn [* 11] 1878);
ders., Neue Studien über den röm. Grenzwall (in Heft 80, ebd. 1885);
Herzog, Die Vermessung des röm. Grenzwalls in seinem Laufe durch Württemberg [* 12] (Stuttg. 1880);
Haupt, Der röm. Grenzwall in Deutschland (Würzb. 1885);
Ohlenschlager, Die röm. Grenzmarke in Bayern [* 13] (Münch. 1887);
Kofler, Die Neckar-Mümlinglinie von Schlossau an bis zur hess. Grenze (in der «Westdeutschen Zeitschrift», Bd. 8, Trier 1889);
Mommsen, Der Begriff des Limes (ebd., Bd. 13, 1894);
Popp, Der Palissadenzaun am rhätischen Limes (ebd.);
Sarwey und Hettner, Der obergermanisch-rhätische Limes (Heidelb. 1894 fg.).