Pettenkofer
,
Max von, Begründer der experimentellen
Hygieine, geb. auf der Einöde Lichtenheim
bei Neuburg
[* 2] an der Donau, studierte in
München
[* 3]
Medizin und Naturwissenschaften, arbeitete dann in chem. Laboratorien zu
München,
Würzburg
[* 4] und Gießen,
[* 5] trat hierauf als chem. Assistent in die königl.
Münze in
München und wurde 1847 außerord., 1853 ord. Professor der mediz.
Chemie daselbst. Pettenkofer
begann
seine wissenschaftliche Laufbahn mit physiol.-chem.
Arbeiten: Gallenprobe, die seinen
Namen führt, über einen neuen Körper
(Kreatin und Kreatinin) im
Harn u. s. w. Infolge seiner Thätigkeit an der Münze nahmen seine
Arbeiten auch eine technische
Richtung, z. B. über
Affinierung des
Goldes,
Verbreitung des Platins (Platin in
Kronenthalern). Dieser
Richtung
entstammen nach seinem
Übertritt an die
Universität auch noch andere
Arbeiten, z. B. Unterschied zwischen Portlandcement und
deutschen hydraulischen Kalken, Erfindung eines
Leuchtgases aus Holz
[* 6] und Regenerationsverfahren der Ölgemälde (s.
Ölmalerei,
Bd. 12, S. 579 a), das in den bayr.,
später auch in andern Staatssammlungen offiziell eingeführt und in der
Schrift
«Über
Ölfarbe und Konservierung
der
¶
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Gemäldegalerien» (2. Aufl., Braunschw. 1872) beschrieben wurde. Nach Antritt seiner Professur entwickelte er bald die hygieinische Richtung, die er zunächst in Vorträgen über Diätetik und in einer Arbeit (1850) über Ofen- und Luftheizung vertrat.
In den weitesten Kreisen wurde P.s Name bekannt durch seine Arbeiten über den Luftwechsel in Wohngebäuden
(Ventilation), sowie durch die gemeinschaftlich mit Karl Voit ausgeführten Untersuchungen über den Stoffwechsel mit Hilfe
des von Pettenkofer
erfundenen Respirationsapparates (s. d.). Von größter
Tragweite sind auch die 1854 begonnenen Untersuchungen P.s über die Verbreitungsart der Cholera geworden (Einfluß von Boden,
Grundwasser,
[* 8] Grundluft, Bodenverunreinigung und Reinhaltung des Bodens), die von Buhl, Seidel, Port u. a.
weiter verfolgt und auch auf den Abdominaltyphus ausgedehnt wurden.
Auf Antrieb P.s wurden 1865 an den bayr. Landesuniversitäten eigene Lehrstühle für Hygieine errichtet und in München das
Fach ihm übertragen. Pettenkofer
war Vorsitzender der 1873 vom Reichskanzleramt eingesetzten Cholerakommission und steht jetzt an der
Spitze der Epidemiologen, welche die Kontagiosität der Cholera und damit die Wirksamkeit aller Sperr- und
Isoliermaßregeln bestreiten, die Entwicklung von Choleraepidemien nicht einfach vom Cholerakranken, sondern von der Choleralokalität
ausgehen lassen und den Schutz gegen Choleraepidemien lediglich in den sanitären Verbesserungen der Lokalität erblicken;
ebenso beim Abdominaltyphus. 1883 wurde Pettenkofer
in den erblichen Adelstand erhoben, 1889 zum Präsidenten
der königlich bayr. Akademie der Wissenschaften ernannt; trat er in den Ruhestand.
Die meisten hygieinischen Arbeiten P.s sind in der «Zeitschrift für Biologie» erschienen, die er seit 1864 mit von Buhl und von Voit herausgab. 1883 gründete er das «Archiv für Hygieine» (gemeinschaftlich mit Hofmann und Forster). Ein umfassendes «Handbuch der Hygieine» (3. Aufl., Lpz. 1882 fg.) erscheint unter P.s und von Ziemssens Leitung; die einzelnen Kapitel desselben sind durchweg von P.s Schülern bearbeitet. Von andern Schriften P.s sind noch zu erwähnen: «Untersuchungen und Beobachtungen über die Verbreitungsart der Cholera» (Münch. 1855),
«Über den Luftwechsel in Wohngebäuden» (ebd. 1858),
«Die atmosphärische Luft in Wohngebäuden» (Braunschw. 1858),
«Über einen neuen Respirationsapparat» [* 9] (Münch. 1861),
«Choleraregulativ» (mit Griesinger und Wunderlich, ebd. 1866; 2. Aufl. 1867),
«Zur Ätiologie des Typhus» (mit Wolfsteiner, ebd. 1872),
«Beziehungen der Luft zu Kleidung, Wohnung und Boden» (4. Aufl., Braunschw. 1877),
«Verbreitungsart der Cholera in Indien» (ebd. 1871),
«Was man gegen die Cholera thun kann» (Münch. 1873),
«Über Nahrungsmittel [* 10] und über den Wert des Fleischextrakts» (2. Aufl., Braunschw. 1876),
«Über den Wert der Gesundheit für eine Stadt» (3. Aufl., ebd. 1877),
«Populäre Vorträge» (3. Aufl., ebd. 1877),
«Vorträge über Kanalisation und Abfuhr» (Münch. 1880),
«Der Boden und sein Zusammenhang mit der Gesundheit der Menschen» (Berl. 1882),
«Zum gegenwärtigen Stand der Cholerafrage» (Münch. 1887),
«Die Cholera von 1892 in Hamburg» [* 11] (im «Archiv für Hygieine», 1893).