Petrus
,
eigentlich
Simon,
Apostel Jesu, war der Sohn des Fischers Jona zu Kapernaum und wie sein
Bruder
Andreas (s. d.) vor seiner
Berufung ebenfalls Fischer. Den
Beinamen Petrus
(vom grch. petra, d. h. Fels; aramäisch
kephas) legte ihm nach
Matth. 16,18. (vgl.
Joh. 1,42).
bei Gelegenheit seines Bekenntnisses zu Jesu als dem Messias
Jesus selbst bei. Indessen ist diese Erzählung
wahrscheinlich spätern Ursprungs. Unter den
Jüngern Jesu gaben ihm die
Evangelien von Anfang an eine hervorragende
Stellung
und schildern ihn als rasch und feurig in Wort und That.
Doch wird er auch als vorwitzig und schnell wieder kleinmütig dargestellt, so namentlich bei Gelegenheit der Gefangennahme
Jesu. Nach Jesu
Tode genoß er in der Urgemeinde mit den
Aposteln Jakobus und
Johannes das höchste Ansehen
und galt neben Jakobus, dem
Bruder Jesu, noch lange nachher als das Haupt der ältesten
Nazarener.
Über die
Stellung, die Petrus
in
den Kämpfen zwischen
Juden- und Heidenchristentum einnahm, sind die Nachrichten sehr unzureichend. Die
Apostelgeschichte führt
die erste Heidenbekehrung (die des röm. Hauptmanns
Cornelius) auf ihn zurück, läßt ihn gegenüber
der streng judenchristl.
Richtung die gesetzesfreie
Heidenmission ähnlich wie
Paulus verfechten, während sie gegenteilige
Daten verschweigt. Aus den
Briefen des
Paulus ist jedoch ersichtlich, daß Petrus
das Evangelium stets nur den
Juden predigen wollte und
bei einem Besuch in
Antiochia die Gemeinschaft mit den dortigen Heidenchristen aus Veranlassung einiger Abgesandten des Jakobus
wieder aufgab, weshalb ihn
Paulus mit scharfen Worten zur Rede stellte. Später haben nicht bloß die judenchristl.
Sendlinge in Galatien sich ohne weiteres auf die
Autorität der ältern
Apostel berufen, sondern auch in der
Gemeinde von
Korinth
[* 2] hat eine der dortigen Parteien sich nach Petrus
genannt. In Wahrheit scheint er in der Folgezeit jener
mildern Meinung sich zugeneigt zu haben, welche die Heidenchristen als Proselyten des
Thores zur Messiasgemeinde zulassen
wollte. In der judenchristl. Überlieferung dagegen erscheint
Simon Petrus
als der echte Heidenapostel, der
dem falschen
Apostel
Simon, unter dessen
Maske hier
Paulus befehdet wird, von Land zu Land nachzieht, um ihn zu widerlegen, und
zuletzt in
Rom
[* 3] ihm ein schmähliches Ende bereitet. Dem gegenüber kam in der alten kath.
Kirche die Erzählung auf, daß beide
Apostel vereint die Gemeinden zu
Antiochia,
Korinth und
Rom gestiftet und gemeinsam zuletzt den Märtyrertod
unter Nero erlitten hätten. Eine weitere Ausbildung der letztern Sage macht den Petrus
zum ersten
Bischof von
Rom und läßt ihn
dieses
Amt 25 Jahre hindurch verwalten. Letzteres ist
¶
mehr
chronologisch unmöglich, und unerweislich ist auch, daß Petrus
überhaupt nach Rom gekommen sei, daher auch sein angeblicher
Märtyrertod zu Rom auf unverbürgter Überlieferung beruht. Auch im ersten Petrus
brief tritt diese Überlieferung nur erst
in seltsamer Verhüllung auf, indem Rom «Babylon» genannt wird.
Von den neutestamentlichen zwei Petrinischen Briefen ist der zweite unecht und spät verfaßt. Derselbe
kennt bereits eine Sammlung Paulinischer Briefe, deren Rechtgläubigkeit Petrus
beglaubigen soll. Aber auch der erste Brief stammt
sichtlich aus Paulinischen Kreisen und läßt erkennen, daß die Christen bereits gerichtlichen Verfolgungen ausgesetzt waren,
aber in den Formen der Zeit des Trajan. Die Gemeinden, an die er gerichtet sein will, gehörten zum Missionsgebiete
des Paulus. Übrigens ist der Brief reich an tiefen und schönen Gedanken und will die Christen auf die nahe Wiederkunft Christi
durch Ermahnungen vorbereiten. Dagegen gehört der dem ersten sonst vielfach nachgebildete zweite Brief bereits einer Zeit
an, wo die Hoffnung auf die Wiederkunft Christi im Erlöschen war. - Kommentare verfaßten zum 1. Brief:
Steiger (Berl. 1832), Usteri (Zür. 1887);
zu beiden Briefen: Schott (Erlangen [* 5] 1861 u. 1863), De Wette (3. Aufl., von Brückner, Lpz. 1865), Kühl (in H. A. W. Meyers «Kommentar»; 5. Aufl., Gött. 1887),
von Soden (im «Handkommentar zum Neuen Testament», Bd. 3, Freib. i. Br. 1890).
Vgl. noch Seufert, Die Abfassungszeit des ersten Petrus
briefs (in der «Zeitschrift
für wissenschaftliche Theologie», 1885);
Spitta, Der 2. Brief des Petrus
und der Brief des Judas (Halle
[* 6] 1885).
Außer diesen Briefen sind dem Petrus
noch andere Schriften beigelegt (s. Petrusapokalypse und Petrusevangelium). Die sog. «Predigt
des Petrus»
war eine judaistische Tendenzschrift, welche die Grundlage der sog.
Clementinischen Homilien (s. Clemens Romanus) gebildet zu haben scheint. Außerdem sind noch apokryphische Akten des Petrus
und
Akten des Petrus
und Paulus in griech., lat., syr.,
slaw., kopt. Sprache
[* 7] erhalten. -
Vgl. Mayerhoff, Einleitung in die Petrinischen Schriften (Hamb. 1835);
Weiß, Der Petrinische Lehrbegriff (Berl. 1855);
F. Chr. Baur, Paulus (2. Aufl., 2 Bde., Lpz. 1866);
ders., Der erste Petrinische Brief (in seinen «Theol. Jahrbüchern», 1856);
Holsten, Zum Evangelium des Paulus und des Petrus (Rostock [* 8] 1868);
Lipsius, Die Quellen der röm. Petrussage (Kiel [* 9] 1872);
ders., Die apokryphen Apostelgeschichten und Apostellegenden, Bd. 2, 1. Hälfte (Braunschw. 1887).
Die röm. Kirche verehrte schon seit dem 2. Jahrh. in dem «Apostelfürsten» Petrus ihren Stifter und ersten Bischof, dessen Amtsdauer sie auf die J. 42-67 bestimmt. Unter Berufung auf Matth. 16, 18. betrachtet sie ihn als das Oberhaupt der Christenheit, eine Würde, die er auf seine Nachfolger auf dem röm. Bischofsstuhl vererbt habe. Bereits zu Ende des 2. Jahrh. zeigte man in Rom die Todesstätten des Petrus und Paulus, jene in den Neronischen Gärten auf dem Vatikan, [* 10] diese an der Straße nach Ostia.
Bischof Sixtus II. von Rom ließ die (vermeintlichen) Gebeine des Petrus und Paulus 29. Juni 258 aus den Katakomben aufheben und an diesen Stätten beisetzen. Seitdem wird der Peter-Paulstag jährlich 29. Juni gefeiert und zwar, wie man schon im 4. Jahrh. meinte, als Todestag der Apostel. Über dem Grabmal des Petrus wölbt sich die Kuppel der Peterskirche (s. Tafel: Italienische Kunst III, [* 4] Fig. 2), unmittelbar über dem Grabe steht das von Bernini ausgeführte kostbare Tabernakel (s. Tafel: Altäre II, [* 4] Fig. 5); im Mittelschiff in der Nische des vierten (Kuppel-)Pfeilers befindet sich die wahrscheinlich aus dem 5. Jahrh. stammende Bronzestatue des Petrus auf weißem Marmorsessel (s. Tafel: Altchristliche Kunst I). Seit dem 5. Jahrh. feiert die röm. Kirche am 18. Jan. die Errichtung des römischen, 22. Febr. die des antiochenischen Bischofsstuhls durch Petrus (Petri Stuhlfeier). Das jüngste der Petersfeste ist Petri Kettenfeier. Der Tradition nach soll die Kaiserin Eudoxia, Gemahlin Theodosius’ des Jüngern, die Ketten zum Geschenk erhalten haben, die der Apostel im Gefängnis zu Jerusalem [* 11] getragen hatte. Diese Ketten soll später der Papst, nebst den Ketten, die Petrus im Gefängnis zu Rom getragen, aufbewahrt und zu ihren Ehren das Fest der Kettenfeier Petri (festum Petri ad vincula) für den 1. Aug. angeordnet haben.