Petrokow
(poln. Piotrkow, deutsch Petrikau), russisch-poln. Gouvernement, im S. an Galizien, im SW. an Preußen (Schlesien), im W. an das Gouvernement Kalisch, im N. an Warschau, im O. an Radom und Kjelzy grenzend, hat ein Areal von 12,249 qkm (222,5 QM.). Das Land ist flach, gegen S. wellenförmig ansteigend, der Boden sandig oder sandig-lehmig. Die Bevölkerung beträgt (1883) 865,777, d. h. 71 Einw. pro QKilometer, darunter ca. 75 Proz. Katholiken, 13 Proz. Protestanten und 12 Proz. Juden. Alle Getreidearten gedeihen; über den innern
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Bedarf werden aber fast nur Kartoffeln, Runkelrüben und etwas Hafer gebaut. Das Erdreich liefert Steinkohlen, Eisen, Zink, Galmei, Kalk und Zement. Der Viehbestand betrug 1878: 178,500 Stück Hornvieh, 447,000 Schafe, 79,500 Schweine und 65,400 Pferde. Die Gesamtproduktion aus Feldbau und Viehzucht repräsentierte 1878 einen Wert von 16¾ Mill. Rubel. Die Industrie ist sehr bedeutend; man zählte 1884: 1858 Fabriken mit 43,649 Arbeitern. Der Wert der gesamten Produktion wird auf 83,615,000 Rub. angegeben. Besonders entwickelt ist die fast ausschließlich von Deutschen betriebene Woll- und Baumwollindustrie, welche sich hauptsächlich in Lodz konzentriert und seit Eröffnung der Warschau-Wiener Bahn mit einer Zweiglinie nach Lodz in stetem Aufschwung begriffen ist. Die Baumwollweberei repräsentiert in ihrer Jahresproduktion einen Wert von 21 Mill. Rub., die Baumwollspinnerei von 15 Mill. Rub., die Wollspinnerei von 11½ Mill. Rub., die Wollweberei von 12,2 Mill. Rub., die Tuchweberei von 3,2 Mill. Rub., die Druckerei und Färberei von 3,5 Mill. Rub. In zweiter Linie sind zu nennen: die Branntweinbrennerei (4,368,000 Rub.), die Mühlenindustrie (3,370,000 Rub.), die Bierbrauerei (915,000 Rub.). Außerdem gibt es noch Rübenzuckerfabrikation, Ziegeleien, Ölschlägereien, Zementfabriken, Glas-, Lichte-, Leder-, Leinwandfabrikation u. a. Die Zahl aller Lehranstalten ist (1883) 573 mit 39,580 Schülern, nämlich 569 Volksschulen, 3 Mittelschulen und eine Handwerkerschule. Das Gouvernement zerfällt in acht Kreise: Bendin, Bresiny, Czenstochowa, Lask, Lodz, Nowo-Radomsk, Petrokow und Rawa. Bemerkenswert sind ferner die drei Fabrikstädte Sgersh, Pabianize und Tamaschow, in denen sich neben Lodz auch der Großhandel des Gouvernements konzentriert. Die gleichnamige Hauptstadt, an der Strada und der Warschau-Wiener Bahn, hat eine lutherische, eine griechische und mehrere katholische, zum Teil in gotischem Stil erbaute Kirchen, mehrere Klöster, eine Synagoge, ein Gymnasium, ein Mädchenprogymnasium, schönes Rathaus, verfallenes Schloß, eine Judenvorstadt und (1885) 24,866 Einw. Petrokow ist eine der ältesten Städte Polens; unter der Jagellonischen Dynastie im 15. und 16. Jahrh. wurden hier die Reichstage gehalten und die Könige gewählt; später war Petrokow der Sitz des Oberlandesgerichts (Krontribunals) für die großpolnischen Provinzen. König Kasimir d. Gr. ließ die Stadt mit einer Mauer umgeben und das Schloß erbauen. 1769 wurden hier die Anhänger der Barer Konföderation von den Russen geschlagen.