Pest
oder
Pestilenz (vom lat. pestis
, pestilentia), in der Volkssprache jede bösartige, weitausgebreitete
Seuche,
Epidemie (s. d.), und in diesem
Sinne wird das Wort auch von den alten Schriftstellern gebraucht.
Die erste Weltseuche,
die sichern Nachrichten zufolge der im heutigen und engern
Sinne so genannten Pest
, der
Drüsen- oder
Beulenpest,
gleich war, ist die, welche von 542 n. Chr. an, vom
Orient ausgehend, ein halbes Jahrhundert lang Europa
[* 2] entvölkerte
(Justinianische
Pest
). Aus dem Mittelalter (dem 14. Jahrh.) sind die unter dem
Namen des
Schwarzen
Todes (s. d.) beschriebenen
Pest
epidemien am meisten bekannt geworden.
Die Drüsenpest
,
Beulen- oder
Bubonenpest, orientalische Pest
(pestis
orientalis, inguinalis) ist eine fieberhafte
Infektionskrankheit,
die sich auszeichnet durch das Auftreten von brandigen
Beulen (Pestkarbunkel) in der
Haut
[* 3] und brandiger
Entzündung und
Vereiterung
der
Lymphdrüsen (Pestbeulen, Pestbubonen), namentlich der Leistengegend, seltener der Achselhöhle und der
Unterkiefergegend. Die äußere Erscheinung der
Kranken erinnert nicht selten an
Typhus, weshalb man die
Affektion wohl auch
als
Bubonentyphus bezeichnet hat.
Die Krankheit pflanzt sich nur durch Ansteckung fort und bricht gewöhnlich zwei bis fünf Tage nach der Aufnahme des noch unbekannten Kontagiums aus. Das Bild der Krankheit ist ein höchst mannigfaltiges. Nachdem sich die Kranken ein bis drei Tage äußerst matt gefühlt, tritt heftiges Fieber mit lebhaften Delirien auf, und wenn dies nach wenig Tagen den höchsten Grad erreicht hat, bilden sich die Beulen- und Drüsenschwellungen. In günstigen Fällen brechen nach drei bis sechs Tagen einzelne Lymphdrüsen auf, es entleert sich Eiter und nach einem reichlichen Schweißausbruch erfolgt die Genesung; bei ungünstigem Verlauf stellt sich unter Steigerung der Allgemeinerscheinungen, unter Hirnzufallen oder Erscheinungen der Blutvergiftung nach drei bis vier Tagen der Tod ein.
Die Epidemien, die bloß einige Wochen, aber auch ein Jahr und länger anhalten können, sind äußerst mörderisch. Von den Befallenen sterben oft zwei Drittel, so daß ganze Städte und Gegenden veröden. Wer in Pestgegenden leben muß, isoliere sich möglichst von den ärmern und unsaubern Volksklassen, vermeide jeden Verkehr mit Pestkranken und hüte sich vor Excessen jedweder Art. Hinsichtlich der Behandlung der Pestkranken, welche vorwiegend eine diätetische sein soll, sorge man durch ausgiebige Ventilation für gute reine Luft und behandle das Fieber durch kalte Einpackungen und Bäder, Limonaden und andere kühlende Mittel; die drohende Herzschwäche ist durch starke Reizmittel (Wein, Kaffee, Äther, Kampfer) zu bekämpfen.
Die Heimat der Pest ist der Orient, namentlich Unterägypten, doch zeigt sie sich jetzt auch dort fast ganz erloschen, seitdem die Sümpfe und Unratstätten in Alexandria beseitigt worden sind. Nachdem es eine Zeit lang schien, als ob die Pest vollständig vom Erdboden verschwunden sei, tauchte sie neuerdings unerwartet wieder in einzelnen größern Epidemien in Mesopotamien, Persien [* 4] und unter den nomadisierenden Arabern der tripolitanischen Küste sowie 1879 im Gouvernement Astrachan auf.
Die Quarantänen gewährten nur einen ungenügenden Schutz gegen das Einschleppen der Krankheit;
am meisten hat sich die Vernichtung der Leichen, der verdächtigen Habseligkeiten und womöglich auch der Häuser durch Feuer bewährt. –
Vgl. auch Tholozan, Histoire de la peste bubonique en Mésopotamie (Par. 1874);
ders., Les trois dernières épidémies de peste du Caucase (ebd. 1879);
Hirsch, [* 5] Handbuch der histor.-geogr. Pathologie, Bd. 1 (2. Aufl., Stuttg. 1881).