Titel
Persĭen
(hierzu die
Karte »Persien«
),
[* 2]
Afghanistan

* 3
Afghanistan. im Land selbst
Irân genannt, asiatische
Monarchie, welche die größere Westhälfte
des alten
Ariana umfaßt und im N. (gegen Russisch-Kaukasien) vom
Fluß
Aras und dem
Kaspischen
Meer, im S. vom
Persischen
Meerbusen
und von dem
Arabischen
Meer begrenzt wird, während es im W. in dem armenisch-kurdischen Hochgebirge an
Türkisch-Kurdistan und
Irak Arabi, im O. an
Afghanistan
[* 3] und
Belutschistan stößt. Im
NO. ist die
Grenze zwischen Persien
und dem von
den
Russen eroberten Turkmenengebiet 1882 neu bestimmt worden.
Sie folgt hiernach dem Unterlauf des Atrek aufwärts bis zum Fort Tschat, dann dem Kamm des Songu Dagh und dem Sjagirimgebirge, schneidet den obern Tschandyr, läuft nordöstlich zum Sumbar, dem sie bis zu seiner Quelle [* 4] folgt, und dann auf dem Kamm des Kopet Dagh nach SO., indem sie im großen und ganzen der nördlichen Wasserscheide des Atrekflußgebiets bis Aschabad folgt und dann in südöstlicher Richtung bis Serachs verläuft. Der Flächenraum wird zu 1,647,070 qkm (29,912 QM.), die Bevölkerung [* 5] zu ca. 7½ Mill. berechnet.
Deprés - Depression [u
![Bild 54.953: Deprés - Depression [unkorrigiert] Bild 54.953: Deprés - Depression [unkorrigiert]](/meyers/thumb/54/54_0953.jpeg)
* 6
Depression.Bodengestaltung.
Das ganze Gebiet bis zum Indus (Afghanistan und Belutschistan eingeschlossen) wird von einem im einzelnen mannigfach abgestuften, abflußlosen, durch Faltung und nachfolgend Verwitterung und Abtragung entstandenen Hochland eingenommen, welches rings von Randgebirgen umgeben ist und sich in der Mitte bis zu 500 m Höhe einsenkt. Der Salzgehalt dieser von Wüsten erfüllten Depression [* 6] beweist, daß sie in frühern geologischen Epochen von einem Binnenmeer bedeckt war (Tietze schreibt neuerdings den Salzgehalt der Steppen einem subaërischen Ursprung zu).
In den
Gebirgen Persiens
walten drei
Richtungen vor, darunter zwei von beschränkter Verbreitung: eine ostwestliche
im äußersten Südosten, an der
Grenze von
Belutschistan (Zamirân- und Daramgebirge), und eine von ONO. gegen WSW., welche
im östlichen Elburzgebirge (Sewad
Kuh, Schahwar
Kuh etc.) auftritt.
Alle andern
Gebirge, sowohl längs der
Küste als im Innern,
verlaufen fast ausnahmslos von SO. nach
NW., also in derselben
Richtung wie der westliche
Himalaja, der
Kaukasus etc. Vom Kören
Tagh im
NO., an der
Grenze der Turkmenensteppe, bis zu den letzten Vorbergen des Puschti
Kuh gegen das Tiefland des
Tigris wiederholt
sich diese
Richtung unzähligemal; besonders scharf ist sie in den zahlreichen parallelen Kalkzügen
Luristans
und
Chusistans ausgedrückt. Im ganzen scheinen in Persien
sämtliche geologische
Formationen vertreten zu sein, von den altkristallinischen
an bis zu den jüngern Eruptivgesteinen und jüngsten Detritusbildungen.
Geologische Formatione

* 7
Geologie.
Übrigens sind
Geologie
[* 7] und
Orographie Persiens
bis heute noch sehr wenig erforscht (einen Abriß der
Geologie gaben Blanford
in »Eastern Persia«, Lond. 1876, und E. Tietze).
Die Gebirgszüge treten nicht bis unmittelbar an den
Persischen
Meerbusen, sondern lassen für einen flachen, heißen
Strand
Raum. Die
Gebirge erscheinen, mit Ausnahme der zwei Frühlingsmonate April und Mai, in denen ein grüner
Anflug entsteht, einförmig
rotbraun und dürr.
Daher bleiben nur die untern Teile der Gebirgsabhänge und ihr Übergang zu den
Hochebenen
sowie die Hügellandschaften nebst den die
Flüsse
[* 8] säumenden Landstrichen als diejenigen
Strecken übrig, in denen Bodenkultur
möglich ist. Zu den angenehmsten
Landschaften gehören die sich sanft senkenden Südabhänge des Elburzgebirges, namentlich
die
Landschaft Schimran im N. von
Teheran, welche zahlreiche dicht bei einander und zwischen immergrünen,
herrlichen
Gärten gelegene
Dörfer enthält.
Norddeutscher Lloyd -
![Bild 62.415: Norddeutscher Lloyd - Nordenberg [unkorrigiert] Bild 62.415: Norddeutscher Lloyd - Nordenberg [unkorrigiert]](/meyers/thumb/62/62_0415.jpeg)
* 9
Norden.
Hydrographisch läßt sich Persien
in drei Gebiete teilen: in den
Norden,
[* 9] den
Süden und das abflußlose
Innere. Die große
Erhebung
des
Landes gegenüber den nördlich vorliegenden
Wüsten (Plateaustufen von 1500-1800 m, Randgebirge von 4-5000, ja im
Demawend
über 6000 m
Höhe) bedingt eine sehr ungleichartige Verteilung der
Niederschläge: an der Südküste des
Kaspischen
Meers sind dieselben sehr bedeutend und erzeugen dort die üppigste
Vegetation, im Innern Persiens
und an seinen
südlichen
Küsten sind sie sehr selten und stellenweise fast gleich
Null.
Reich an Flüssen ist darum nur der Norden, das Gebiet des Kaspischen Meers, mit dem Aras (dem alten Araxes), dem Kisil Uzen oder Sefid Rud, den zahlreichen kurzen, aber wasserreiche Flüssen Masenderans und dem Gurgen und Atrek, welch letztere beide im nördlichen Chorasan entspringen. Auch der Süden, und besonders der Südwesten, ist nicht ganz arm an Flüssen, welche in dem westlichen und nordwestlichen Gebirgsrand entspringen und nach kurzem Lauf teils in den Tigris, wie der Kercha und Kuren, teils in den Persischen Meerbusen, wie der Dscherra, Zore, Sefid Rud, Sitaregjan, Nabend Rud, Chalata etc., münden. Schiffbar ist außer dem Aras nur der Karun aufwärts bis Ahwas, doch bedarf er noch sehr menschlicher Nachhilfe. Durchaus arm an Niederschlagen und Flüssen ist aber das abflußlose Innere, dessen wenige Flüsse im Sande der großen Salzwüste (Deschti Kuwir) bald versiegen oder in Salzseen und Sümpfe (Urmiasee, Nirîs oder Bachtegân und Hamunsumpf) sich ergießen. Am Austritt aus dem Gebirge bewässern diese Flüsse meist fruchtbare Oasen, ¶
Persien

* 2
Seite 12.865a.Maßstab [* 11] 1:9000000.
Anschluss s. Karte »Zentral-Asien« [* 12] u. »Ost-Indien« [* 13]
Persien (Klima, Naturp

* 14
Seite 12.866.mehr
so die Umgegend von Kum, Kaschan, Ispahan, Jezd, Kirman, Tebbes, Turschiz etc.
Klima und Naturprodukte.
Das Klima, welches durchweg durch die Geringfügigkeit der Niederschläge charakterisiert wird, weist nach Verschiedenheit der Lage des Landes außerordentliche Gegensätze auf; während in einigen Gegenden der Winter mit äußerster Strenge auftritt, herrscht in andern fast ewiger Sommer mit glühender Hitze. Die höchsten Gebirgskette bleiben lange mit Schnee [* 15] bedeckt. Teheran hat schon Ende Oktober -5° R. und Anfang März oft noch viel von Schnee und starkem Frost zu leiden.
Himation - Himmel

* 17
Himmel.
Dagegen zeigt das Thermometer
[* 16] um Mitte April oft schon 22° R., und in Schiraz fällt es um Mitte Juni
kaum je unter 30° R. Während die nördlichen Provinzen plötzlichen Wechseln der Witterung ausgesetzt sind, zeigen Ispahan
und Schiraz sowie der ganze Süden eine auffallende Regelmäßigkeit ihrer klimatischen Erscheinungen. Im wüsten Küstenstrich
herrscht afrikanische Sommerhitze bei großem Feuchtigkeitsgehalt der Luft. Im ganzen aber ist Persien
(mit Ausnahme der
feuchten Niederungen am Kaspischen Meer) ein gesundes Land. Die Luft ist überaus trocken, der Himmel
[* 17] von außerordentlicher Klarheit
und daher der Glanz der Sterne bei Nacht von ungewöhnlicher Pracht. Wo der Boden Persiens nur einigermaßen Bewässerung erhält,
zeigt er auffallende Fruchtbarkeit; selbst an der ganz sandigen Küstenebene von Buschir, die nur Tau und
wenige Gewitterregen erfrischen, erntet man 14fältige Frucht.
Daher bringen auch künstliche Kanäle hohe Renten. Hauptprodukte sind: vorzüglicher Weizen, Gerste, [* 18] Reis, Hülsenfrüchte, Wein in mehreren Provinzen (hochberühmt, obwohl unserm Geschmack wenig zusagend, ist der von Schiraz). Außerdem werden Maulbeerbäume in Fülle am Kaspischen Meer gebaut, wo die Seide [* 19] ein wichtiger Handelsartikel ist, ebenda sowie in Gilan und Masenderan sehr viel Zuckerrohr, das man indessen schlecht behandelt. Andre vegetabilische Handelsartikel, die man gewinnt, sind: Gummitragant, Asa foetida.
Indigofera [unkorrigie
![Bild 59.561: Indigofera [unkorrigiert] Bild 59.561: Indigofera [unkorrigiert]](/meyers/thumb/59/59_0561.jpeg)
* 21
Indigo.
Gelbbeeren, Safran, Henna und Krapp. Tabak,
[* 20] besonders den nur in Persien
gedeihenden für Wasserpfeifen (tämbaku), kultiviert man
im N., Indigo
[* 21] in Laristan (zum Färben des Bartes), Baumwolle,
[* 22] Hanf und Hopfen
[* 23] nach Bedarf. Mohn zur Opiumgewinnung
wurde anfangs nur im SW., dann um Jezd, seit Beginn der 60er Jahre jedoch auf Befehl der Regierung überall und in steigendem
Maß angebaut, und der Export von Opium hat sich in letzter Zeit ungemein gehoben (von 870 Kisten in 1871-72
auf 7700 in 1880-81). Daneben gewinnt man Datteln, Granatäpfel, Melonen (die von Ispahan sind die schönsten, die von Gurgab
die größten der Welt) und Arbusen, Schaddaks, Zitronen und Orangen (am Kaspischen Meer), Äpfel, Birnen, Aprikosen, Pistazien,
Walnüsse, Quitten etc. in Menge.
Der Rand des Kaspischen Meers ist mit Eichen, Buchen, Ahornen, Ulmen, Buchsbaum, wilden Kirschen etc. bedeckt,
die sämtlich durch üppig wachsende Weinranken miteinander verbunden sind. Süßholz erzeugen die Ebenen von Merdascht und
die um Schiraz; die Ammoniakpflanze (Dorema armeniacum), bis fast 2 m hoch, wächst im südlichen Persien
und liefert das Ammoniakharz
in den Handel. Die gewöhnlichen Gemüse gedeihen reichlich, und auch der Blumenflor (namentlich alle Arten
von Rosen) ist in der bewässerten Gegend von seltener Pracht.
Löwe (Tier)

* 24
Löwen.Das Tierreich bietet an wilden Tieren Löwen [* 24] (in den öden Gegenden längs der Flüsse) sowie Tiger, wenngleich selten; ferner Leoparden, Wölfe, Schakale, Hyänen, zahlreiche Füchse, Stachelschweine, schöne und starke wilde Schafe, [* 25] Bergziegen, wilde Esel, Bären, Antilopen und Hirsche [* 26] in großer Mannigfaltigkeit, große Wildschweine u. a. Zur Gazellenjagd richtet man den Gepard ab. Fischerei [* 27] ist nur in den Mündungen der ins Kaspische Meer fließenden Ströme ergiebig und wird verpachtet.
Als Haustiere zieht man außer den gewöhnlichen Tieren auch Kamele. [* 28] Auf die Pferdezucht [* 29] versteht man sich vortrefflich. Das persische Pferd [* 30] ist kräftig und ausdauernd, aber ursprünglich keineswegs schön und gut geartet, daher man es durch die arabische Rasse aufzubessern versucht hat. Die Kamele bilden in den dürren und sandigen Landstrichen den Hauptreichtum der Bevölkerung; in den übrigen Landesteilen bedient man sich zum Tragen von Lasten der Maultiere.
Rinder

* 31
Rinder.Der Reichtum der Wanderstämme besteht in Schafen, zu deren Bewachung der Hund der wichtigste Gefährte des Nomaden ist. Außerdem finden sich Rinder, [* 31] namentlich aber Ziegen und fast alles europäische Geflügel. Auch die ausgebreitete Bienenzucht [* 32] und die Zucht der Seidenraupe verdienen Erwähnung. Der Mineralreichtum Persiens, namentlich an Kupfer, [* 33] Eisen, [* 34] Blei, [* 35] Arsenik, Antimon, Kobalt, ist ein bedeutender; außerdem findet sich Steinsalz in unermeßlicher Menge sowie Bitter- und Glaubersalz, Alaun, [* 36] Borax, [* 37] Kali und Natronsalze, Salpeter, Naphtha, Schwefel, Mangan, Nickel, Chrom, Zink, Zinn, Erdöl [* 38] etc.; endlich Steinkohle (namentlich am Elburz) und Braunkohle (bei Tebriz), beide noch der Ausbeutung harrend. Von Edelsteinen sind berühmt die Türkise, welche man beim Dorf Maaden, 50 km nordwestlich von Nischapur in Chorasan, findet. Unwahrscheinlich ist, daß man noch wertvolle Gold- und Silberlager entdecken wird.
Bevölkerungsverhältnisse. Geistige Kultur.
Die Zahl der Bevölkerung Persiens läßt sich nicht mit Genauigkeit angeben; Hutum-Schindler ^[richtig: Houtum-Schindler (= Albert Houtum-Schindler, 1846–1916)] schätzt dieselbe (nach Stolze und Andreas aber zu gering) 1881 folgendermaßen:
99 Städte | 1![]() ![]() | |
Dörfer und städtelose Distrikte | 3![]() ![]() | |
Nomaden Araber | 57![]() |
|
" Türken | 160![]() |
|
" Kurden, Lak | 150![]() |
|
" Belutschen, Zigeuner | 4600 Familien | |
" Bachtiaren, Luren | 52![]() |
1![]() ![]() |
Zusammen: | 7![]() ![]() |
Persien (Bevölkerung,

* 40
Seite 12.867.(4,6 Menschen auf 1 qkm). Davon sind 6,860,600 Schiiten, 700,000 Sunniten und mohammedanische Sektierer, 8000 Parsen, 19,000 Juden, 43,000 Armenier und 23,000 Nestorianer und Chaldäer. Diese Bewohner sind nach Abstammung, Sitte und Sprache [* 39] außerordentlich verschieden (Perser, Turktataren, Turkmenen, Armenier, Nestorianer, Chaldäer, Juden, Kurden, Araber, Zigeuner, Neger, Afghanen, Belutschen, Hindu etc.). Die überwiegende Mehrzahl besteht aus Tadschik, den seßhaften Ureingebornen oder Ureinwanderern, die namentlich den Nordwesten und einige mittlere Provinzen bewohnen. Daneben besteht ¼ oder ⅓ der Bevölkerung aus eingewanderten Stämmen, welche sich durch ihre Gewohnheiten und ihre Lebensweise von den übrigen Bewohnern Persiens unterscheiden. Sie heißen Ilat oder Ilijat und bewohnen die innern Ebenen im O., die Nordostgrenzen und die Gebirgsländer im W. Einige leben stets unter Zelten, im Winter auf den tiefer gelegenen Ebenen in Kischlaks oder ¶
mehr
Winterquartieren, im Sommer auf den kühlern Bergen [* 41] (Jailaks oder Sommerquartiere); andre in Städten. Nahrung und Kleider geben ihnen ihre Schafherden, aus deren Milch sie Raffan oder flüssige Butter bereiten, die durch ganz Persien verkauft wird; Pferde [* 42] und Kamele ziehen sie zum Verkauf. Außerdem besitzen sie Rinder, Maultiere, Ziegen, Esel und schöne Hunde. [* 43] Jedem Stamm ist von der Regierung sein Bezirk angewiesen, und wo einer die ihm gesteckten Grenzen [* 44] nicht innehält, da entstehen harte Kämpfe, wie solche z. B. in Luristan nie ganz aufhören.
An der Spitze der kleinen Gemeinden stehen Alte oder Risch e sefids (»Weißbärte«),
welche die Rechte ihres Stammes auch der Regierung gegenüber ohne Scheu wahrnehmen, bei Streitigkeiten die Entscheidung geben und die Verordnungen des Gouverneurs (Hakim) bestätigen. Von Geld wissen die Ilijat wenig, sie bezahlen mit Schafen oder Wolle. Ihre schwarzen Zelte bestehen aus Ziegenhaarfilz, den die Frauen weben, ihre Gerätschaften aus Teppichen, Polstern, dem nötigen Küchengeschirr, einem Kessel zum Butterauslassen und einem Schlauch zur Bereitung von saurer Milch und Butter.
Die Ilijat haben zwar auch Abgaben zu zahlen, doch sind sie verhältnismäßig viel weniger belastet als die übrigen Perser. Die Abgaben, je nach der Zahl ihres Viehs, zahlen sie ihren Oberhäuptern, und diese berechnen sich mit der Regierung. Auch sind sie zum Kriegsdienst verpflichtet, und zwar soll jeder größere Stamm ein Bataillon Fußvolk und 100 Mann Reiterei stellen. Viele Ilijat sind mit der Zeit feste Städtebewohner geworden, so daß man Schehr nischin (Städter) und Sohra nischin (Feldbewohner) unter ihnen unterscheidet.
Die Ilijat umfassen verschiedene Volksabteilungen. Bis zur Eroberung Persiens durch die Araber (651) mag die Bevölkerung weniger gemischt gewesen sein, aber von da an wird das Volk allmählich zu einem andern. Später (1234) kamen unter Dschengis-Chan türkische Fremdlinge von O. her ins Land, und Timur mit seinen Scharen hat mehrfach das ganze Gebiet durchzogen und neue Mischungen hinzugebracht. Daher unterscheidet man jetzt noch türkische, arabische und lekische Ilijat, von denen jeder Stamm seine eigne Sprache und seine Tradition hat, welche berichtet, wo seine ursprüngliche Heimat gewesen, und durch wen er nach Persien geführt worden sei. Zu den türkischen Ilijat gehört der an Zahl schwache, aber mächtige Stamm der Kadscharen, der persische Erbadel, der durch die jetzige, aus ihm hervorgegangen Dynastie die ganze übrige Bevölkerung beherrscht.
Sie sind Städtebewohner und haben Astrabad und Teheran zu Hauptorten. Zu den lekischen (altpersischen Ursprungs) gehören die Kurden in Chorasan und im W. Persiens und die Luren, welche in Feili und Bachtijaren zerfallen. Außerdem finden sich in allen Städten zahlreiche Juden, im NW. (Aserbeidschân, im O. von Ardilan, im NW. von Irak Adschmi) viele Türken und Armenier, im SW. Araber (je näher dem Westende des Persischen Meerbusens, desto zahlreicher), im N. Turkmenen: fast alles kriegerische und räuberische Völker, welche die Einwohner arg belästigen.
Asiatische Völker

* 45
Völker.Die eigentlichen Perser (s. Tafel »Asiatische Völker«, [* 45] Fig. 33) sind im allgemeinen hoch gewachsen und von starkem Gliederbau. Kopf und Gesicht [* 46] haben kaukasische Gepräge; die Nase [* 47] ist kühn gebogen, die Augen sind groß und dunkel; der Mund ist süßlich und wollüstig gestaltet, die Gesichtsfarbe weiß, Bart und Haupthaar dicht und schwarz. Das Haar [* 48] wird auf dem Scheitel und am Hinterkopf geschoren; an den Seiten bleibt es stehen, meist in Locken lang herabfallend.
Der Bart wird in neuerer Zeit voll und lang getragen. In der Nationalkleidung der Männer ist die Kopfbedeckung, bestehend in einer fast ½ m hohen kegelförmigen Mütze von schwarzem Filz oder Schaffell mit eingestülpter Spitze, charakteristisch. In Bezug auf Charaktereigentümlichkeit hat man die Perser die asiatischen Franzosen genannt. Sie sind in ihren Manieren angenehm, gewandt und lebhaft, geschwätzig und voller Komplimente; sie halten viel auf den äußern Schein und Anstand, lieben Pracht und Schimmer und erscheinen höherer Bildung weit zugänglicher als die Türken.
Deck - Decke

* 49
Decke.Dabei aber sind sie unaufrichtig, arglistig, treulos und prahlerisch, geizig und diebisch und die ersten Lügner der Welt. Gegen ihresgleichen artig, sind sie gegen ihre Obern knechtisch und gegen Untergebene im äußersten Grad hochmütig. In religiöser Beziehung bekennen sich die Perser, sowohl Tadschik als Ilijat, fast ausschließlich zum Mohammedanismus, und zwar sind sie eifrige Schiiten, daher schon darum geschworne Feinde der sunnitischen Türken, Araber etc. Sie tragen die strengste Rechtgläubigkeit zur Schau, sollen aber unter dieser Decke [* 49] eine starke Neigung zum Abweichen von derselben verbergen.
Die Korangelehrten heißen, soweit sie die Stellung von Geistlichen einnehmen, Molla, die höhern Geistlichen Muschtahid (Glaubensverteidiger), die Obergeistlichen der großen Städte Imam Dschuma. Der Sejids oder Nachkommen des Propheten gibt es in eine große Menge, doch sind viele Betrüger; ein Zehntel der Landeseinkünfte wird als Gnadengehalt an sie verteilt. Daneben hat der pantheistische Sufismus viele Anhänger, die in Persien in zwei Hauptabteilungen zerfallen: Sufi Mutascharria (Sufi nach dem Gesetz), die den Koran als Gotteswort anerkennen, aber vieles in demselben sinnbildlich auslegen, und Sufi Mutlak (vollkommene Sufi), welche weder den Koran noch den Propheten anerkennen, jede geoffenbarte Religion verwerfen und nur aus dem innern Licht, [* 50] welches jedem Menschen innewohne, die wahre Erkenntnis schöpfen.
Blutbewegung (chemisch

* 51
Blüte.Außerdem finden sich, von Christen (Nestorianern) und Juden abgesehen, noch Gebern oder Parsi in einzelnen Orten. Die persische Sprache (s. d.) ist indogermanischen Stammes und im ganzen Orient verbreitet, wie die französische im Occident. Von der frühern geistigen Blüte [* 51] Persiens sind jetzt kaum noch schwache Spuren übrig, und die große Masse des Volkes befindet sich im Zustand ganzer oder halber Barbarei und geistiger Versunkenheit; aber der Schriftschatz der Perser von ältern Zeiten her ist sehr bedeutend, besonders auf dichterischem Gebiet (s. Persische Litteratur), und die glänzendsten Dichter der Vorzeit, wie Firdusi, Sadi, Hafis, Dschami, stehen noch jetzt in hohen Ehren.
Von wesentlicher Bedeutung im persischen Volksleben sind in dieser Beziehung die dem Land eigentümlichen Naqqal (Geschichtenerzähler), die ein Geschäft daraus machen, öffentliche Stücke aus dem »Shâhnâme« und andern Dichtungen sowie mündlich überlieferte Geschichten und Sagen vorzutragen. Druckereien gibt es zu Teheran und Tebriz, doch liefern sie nur groben Steindruck; dagegen gelten die Perser mit Recht für die ausgezeichneten Schönschreiber des Orients. Die Wissenschaft steht in Persien trotz der 72 Zweige, welche dieselbe dort zählt, und trotz Hinzuziehung europäischer Lehrer in neuerer Zeit auf sehr niedriger Stufe. Doch ist eine bedeutende Anzahl Medressen (s. d.) vorhanden, in welchen Lesen, Schreiben, persische, arabische und ¶