Persephŏne
(Persephassa, bei den Römern Proserpina), in der griech. Mythologie Tochter des Zeus [* 3] und der Demeter, [* 4] ward, als sie einst auf der nysischen Flur (nach späterer Sage bei Enna in Sizilien) [* 5] Blumen sammelnd von ihren Gespielinnen sich entfernt hatte, von Pluton, [* 6] der plötzlich aus der Erde auftauchte, geraubt und so zur Beherrscherin der Unterwelt erhoben. Demeter suchte die Tochter mit der an den Flammen des Ätna [* 7] angezündeten Fackel auf der ganzen Erde, bis ihr die Nymphe Arethusa oder ¶
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Helios
[* 9] das Schicksal derselben enthüllte. Zeus versprach ihr darauf, ihr die Tochter zurückzugehen, wenn dieselbe im Reich
der Schatten
[* 10] noch nichts genossen hätte, und gewährte ihr, da Persephone
mit Pluton bereits einen Granatapfel geteilt hatte, daß
sie wenigstens zwei Drittel des Jahrs auf der Oberwelt zubringen durfte. Der Sinn des Mythus ist unschwer
zu erraten: er ist eine allegorische Darstellung des alljährlich vor unsern Augen sich erneuernden Schauspiels der absterbenden
und wieder auflebenden Pflanzenwelt.
In den Eleusinischen Mysterien wurde der Mythus als das Bild einer höhern Idee, nämlich der Unsterblichkeit der Seele, aufgefaßt.
Hier tritt Persephone
als Kora (Tochter) in Verbindung mit ihrer Mutter Demeter und deren Sohn Iakchos auf, heißt
aber auch, gleich jener, Despoina (»Herrin«). Außer in Eleusis ward Persephone
auch in Böotien, im Peloponnes und auf Sizilien verehrt,
meist gemeinschaftlich mit ihrer Mutter. Bei den Orphikern der spätern Zeit ist eine allwaltende Naturgottheit und wird vielfach
mit andern mystischen Gottheiten, Hekate,
[* 11] Gäa, Rhea,
[* 12] Isis,
[* 13] vermengt.
Der römische Name Proserpina scheint nur eine Latinisierung von Persephone
zu sein. Dargestellt ward Persephone
und Hades (Relief im
Vatikan
[* 14] zu Rom)
[* 15] Persephone
entweder als liebliche Tochter der Demeter oder als strenge Gemahlin des Hades, mit königlichen Insignien
und der Fackel, dem Symbol der eleusinischen Weihen (s. Abbildung). Einzelbilder sind schwer zu bestimmen,
da ihr Ideal mit dem ihrer Mutter mehr oder weniger zusammenfließt; nur wird sie stets jugendlicher aufgefaßt sein. In einer
Gruppe bildete sie Praxiteles, in einem Relief (zusammen mit Pluton, Dionysos
[* 16] und zwei Nymphen) Kolotes.
Öfters kommt sie in größern Darstellungen vor, besonders in Schilderungen der Aussendung des Triptolemos
(s. Abbildung bei Demeter, Fig. 2), ihrer Entführung durch Hades und ihrer Rückkehr auf die Erde. Diesen Gegenstand behandeln
mit Vorliebe die römischen Sarkophagreliefs, doch war der Raub der Kora auch Inhalt eines Gemäldes des Nikomachos und einer
Gruppe des Praxiteles. Die Auffahrt der Persephone
aus der Unterwelt ist sehr schön auf einem Vasenbild (Fragment
des Marchese del Vasto) dargestellt. In der römischen Zeit ist ihre Vereinigung mit Dionysos (als Liber und Libera), der Brautzug
beider unter Begleitung bacchantisch rasender Satyrn
[* 17] und Mänaden sehr häufig auf Sarkophagen behandelt. Eine
dichterische Bearbeitung der Persephonesage
enthält Goethes kleines, dem »Triumph der Empfindsamkeit« eingeschaltetes Monodrama
»Proserpin«.
Vgl. Preller, Demeter u. Persephone
(Hamb. 1837);
Förster, Der Raub und die Rückkehr der Persephone
(Stuttg. 1874) und in den
»Jahrbüchern für Philologie« (1876, S. 804 ff.);
Overbeck, Griechische Kunstmythologie, 4. Buch: »Demeter und Kora« (Leipz. 1878).
[* 8]
^[Abb.: Persephone
und Hades (Relief im Vatikan zu Rom).]