Perlmuscheln
,
mehrere
Gattungen
Muscheln,
[* 3] welche die echten
Perlen erzeugen. Die Seeperlmuschel
(Meleagrina margaritifera
L., s. Tafel
»Mollusken
[* 4] etc.«),
aus der Familie der Aviculidae, mit rundlich viereckiger Schalen, hat je nach der Beschaffenheit des Bodens, auf welchem sie wohnt, und nach den pflanzlichen und tierischen Organismen, welche ihre Schalen überwachsen, ein verschiedenes Aussehen und lebt, in größerer Anzahl vereinigt, in Tiefen von 6-30, am häufigsten von 7,5-15 m auf Banken, meist von Korallengrund, mittels der hornigen Fäden des Byssus angeheftet. Man findet sie im Persischen Golf, im Roten Meer, an den Küsten von Ceylon, [* 5] an den Inseln des Großen Ozeans, im Meerbusen von Panama [* 6] und Mexiko, [* 7] an der kalifornischen Küste und an der Küste von Westaustralien.
Die Perlen in ihr sind ein Erzeugnis des Widerstandes der Muschel gegen einen fremden Eindringling. Sie gleichen in ihrem Bau der Perlmutter (s. d.) welche die innern Schichten der Schale bildet, d. h. sie bestehen aus zahlreichen zarten, übereinander liegenden, aber nicht regelmäßig verlaufenden Schichten organischer, stark mit kohlensaurem Kalk imprägnierter Substanz und sind daher nichts andres als eine übermäßige Absonderung von Perlmutter an einer bestimmten Stelle, an welcher ein ungewöhnlicher Reiz auf den Organismus ausgeübt wird.
Letzteres geschieht nun z. B. durch leblose Gegenstände, welche beim Offenstehen der Schale mehr oder weniger zufällig hineingeraten sind, oder durch Parasiten, wie Eingeweidewürmer, kleine Wassermilben und Fadenalgen, die sich in der Substanz des Mantels festgesetzt haben. In letzterm, sehr häufigem Fall entstehen die schönsten runden, ringsum freien Perlen, während, wenn der fremde Körper der Innenfläche der Schale anliegt, die Perle mit mehr oder weniger breiter Basis aufsitzt (Kropfperlen).
In der Regel enthält mithin jede Perle in ihrem Innern den ihre Bildung veranlassenden fremden Gegenstand, wenn auch oft ziemlich unkenntlich. Die Perlen haben ein spezifisches Gewicht von 2,6, sind etwas härter als Kalkspat, [* 8] also bei weitem nicht so hart wie Edelsteine [* 9] und deshalb auch nicht so dauerhaft. Ihr Glanz schwindet mit der Zeit, besonders durch Temperaturwechsel und beim Tragen durch den Schweiß; in alten Gräbern hat man sie völlig in nur noch locker zusammenhängendes Pulver verwandelt gefunden. Je nach der Gesamtfarbe der Muschel sind die Perlen bläulich oder gelblich oder, wenn am Rande der Muschel entstanden, schwärzlich. Doch übt auch die mehr oder weniger gleichmäßig Struktur der Perlen einen Einfluß auf die Farbe aus. Die kleinsten Perlen ¶
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haben nur Sandkorngröße, die größte bekannte Perle dagegen ist birnförmig, 35 mm lang und 27 mm breit. Von kleinern Perlen findet man mehrere (sogar bis über 80) in einer einzigen Muschel, während die größern mehr einzeln vorkommen. Säuren zersetzen die Perlen langsam unter Aufbrausen, indem sie den kohlensauren Kalk ausziehen, die organische Substanz dagegen ungelöst zurücklassen; kleinere Perlen lösen sich nach längerm Kochen mit starkem Essig vollständig.
Man gewinnt die Perlen überall durch Taucherarbeit. Schon die Alten erhielten ihre Perlen von der arabischen Seite des Persischen Meerbusens und aus dem Indischen Meer zwischen Ceylon und der Koromandelküste, und dort wird auch jetzt noch Perlenfischerei getrieben. In Indien reicht die Kenntnis der Perlen bis ins höchste Altertum; auch in der Bibel [* 11] werden sie erwähnt, und in Ägypten [* 12] wurden sie nach der Vertreibung der Hyksos häufiger. Viel später lernte man sie in Europa [* 13] kennen, wo sie Theophrast zuerst erwähnt.
Von den Griechen kamen sie zu den Römern und mit ihnen der Name margaros oder margarites in die romanischen Sprachen. (Das Wort Perle ist wohl von Beere, Beerlein abzuleiten oder auch von perola, kleine Birne.) In Rom [* 14] kam der Luxus mit Perlen seit den Feldzügen des Pompejus, noch mehr seit der Unterwerfung Alexandrias auf, und es wurden für größere Perlen ganz enorme Summen gezahlt. In der neuern Zeit belebte die Entdeckung Amerikas den Perlenluxus von neuem. Kolumbus fand den Perlenschmuck bei den Indianern und entdeckte die Insel Margarita, an deren Küste die Indianer Perlen fischten.
Hier ging die Perlenfischerei in der Folge ein; aber weiter westlich, an der Halbinsel Goajira, wird sie
noch jetzt betrieben. Die occidentalischen Perlen sind zwar durchschnittlich groß, aber weniger rund und mehr bleifarbig
und werden deshalb weniger geschätzt als die orientalischen. Auch an der Westküste Mexikos waren die Perlmuscheln
den Eingebornen
bekannt, und die Europäer richteten später Fischereien im Golf von Kalifornien, besonders bei La Paz, ein.
Die Taucher gewinnen an einem Tag, indem sie 40-50mal tauchen, 1-2000 Muscheln, welche sie mit einem Messer
[* 15] losmachen.
In der Regel überläßt man die Muscheln der Fäulnis und wäscht sie dann erst aus. Der Ertrag ist höchst schwankend. So brachte die Fischerei [* 16] in Ceylon der englischen Regierung 1863 eine Abgabe von über 50,000, 1874 nur von 10,000 Pfd. Sterl. ein. Der Wert der Fischerei im Persischen Golf wird auf 8 Mill. Mk. jährlich geschätzt. Durch unverständige Ausbeutung sind die Bänke auch vielfach erschöpft, und man hat angefangen, Schonzeiten einzuführen, auch die Züchtung der Muschel versucht; doch entsteht hierbei die Schwierigkeit, daß sich mit der Muschel nicht auch die Gelegenheit vermehren läßt, welcher man die Perlenbildung dankt.
Die Flußperlmuschel
(Margaritana margaritifera Retz.), aus der Familie der Unionidae, lebt vorzugsweise in klaren, kalkarmen
Gebirgsbächen, wo das Gefälle abzunehmen anfängt, und findet sich in Deutschland
[* 17] besonders in Bayern,
[* 18] Sachsen
[* 19] und Böhmen
[* 20] an den verschiedensten Orten, aber auch am östlichen Rande der Lüneburger Heide.
[* 21] Ferner kommt sie auch in
Wales, Cumberland, Schottland, dem nördlichen Irland, Schweden,
[* 22] Norwegen und Nordrußland vor; englische Flußperlen hatte schon
Julius Cäsar erhalten. Im ganzen ist der Ertrag gering, obwohl die Perlen selbst denen der Meleagrina an
Schönheit nicht nachstehen.
Nahe verwandte Arten leben im Stromgebiet des Mississippi, und die Spanier
fanden bei ihrem Vordringen in diesen Gegenden kolossale
Mengen von Perlen bei den Eingebornen angehäuft. Auch in China
[* 23] sind Flußperlen seit dem Altertum bekannt; sie wurden als Schmuck
benutzt und als Amulette getragen. In die chinesische Flußperlmuschel
(wahrscheinlich Dipsas plicata)
schieben die Chinesen Kügelchen oder zinnerne Buddhabildchen zwischen Schale und Mantel und erzielen dadurch eine Ablagerung
von Perlensubstanz auf den eingeschobenen Gegenständen, um sie zum Schmücken der Kopfbedeckung zu benutzen. - Der hauptsächlichste
Perlenmarkt für Europa ist Paris,
[* 24] für Deutschland Leipzig.
[* 25]
Das Gewicht der Perlen bestimmt man nach Karaten und den Preis großer Perlen, indem man den Preis einer Perle von 1 Karat mit dem Quadrat des Karatgewichts der zu schätzenden Perle multipliziert und das Produkt nochmals mit 8 multipliziert. Die vollkommen runden Perlen heißen Perlentropfen oder Perlenaugen, die unregelmäßig geformten Perlen Barockperlen, die kleinern Perlen Lotperlen und die kleinsten Saatperlen. Auch in andern Muscheln, wie in der Auster, [* 26] Steckmuschel, Miesmuschel, Riesenmuschel etc., und ebenso in einigen Schneckenschalen finden sich mehr oder weniger häufig Perlen, doch sind sie im allgemeinen von unschönem Äußern und werden daher kaum in den Handel gelangen.
Vgl. Heßling, Die Perlmuscheln
und ihre Perlen (Leipz. 1859);
Möbius, Die echten Perlen (Hamb. 1858);
Martens, Purpur und Perlen (Berl. 1874);
Simmonds, The commercial products of the sea (Lond. 1879).