Perĭkles,
Periklin - Perikopen

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Seite 12.847.berühmter athen. Staatsmann, aus dem alten Geschlecht der Buzygen, Sohn des Xanthippos, des Siegers von Mykale, und der Agariste aus dem Geschlecht der Alkmäoniden, wuchs in einem hochangesehenen Haus inmitten großartiger weltgeschichtlicher Ereignisse auf, welche auf seinen reichbegabten, hochstrebenden Geist mächtig einwirkten. Körperlich kräftig und wohlgebildet, lebhaft, ideenreich und unermüdlich strebsam, dabei besonnen und gemäßigt, erwarb er sich als Zuhörer der bedeutendsten Philosophen seiner Zeit, des Zenon, Anaxagoras und Protagoras, eine vorzügliche Bildung, die Macht der Beredsamkeit und eine Sicherheit und Freiheit des Geistes, welche ihn allen seinen Mitbürgern überlegen machten und ihm die Mittel gewährten, das Ziel seines Ehrgeizes zu erreichen, seine Mitbürger geistig zu beherrschen und so den Staat zu leiten. Wegen seiner aristokratischen Natur und seiner ernsten Zurückhaltung anfangs mit Mißtrauen beobachtet, nahm er unter Kimon an mehreren Kriegszügen mit Auszeichnung teil und wandte sich erst nach dem Tode des Aristeides der Politik zu. Er erkannte die demokratische Verfassung Athens nicht bloß als die zu Recht bestehende, sondern auch als die Verfassung an, unter ¶
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welcher allein das Volk zur größten Macht und zur höchsten Blüte
[* 3] seiner geistigen und sittlichen Entwickelung gelangen könne.
Die notwendige einheitliche Leitung des Staatswesens, welche eine Volksversammlung nicht ausüben konnte, sollte den Männern
zufallen, welche sich durch ihre geistige Überlegenheit und durch Thatkraft zu Führern desselben emporgeschwungen hatten
und diese bevorzugte Stellung durch hervorragende Leistungen behaupteten und rechtfertigten. Perikles
verband
sich daher mit andern Parteiführern, um die reine Demokratie in Athen
[* 4] zu verwirklichen. Er unterstützte des Ephialtes Antrag
auf Beschränkung der Macht des Areopags und ermöglichte durch Einführung des Krieger- und Richtersoldes, durch Geldspenden,
Fürsorge für wohlfeile Lebensmittel, öffentliche Speisungen u. dgl.
dem ärmern Teil des Volkes ein behaglicheres Leben und volle Beteiligung an den Staatsgeschäften.
In der auswärtigen Politik strebte er nach der Hegemonie Athens über ganz Griechenland. [* 5] Deshalb trat er gegen den Sparta geneigten Kimon auf, bewirkte 460 v. Chr. dessen Verbannung und verstärkte Athens Herrschaft über den Seebund durch Verlegung der Bundeskasse nach Athen und Erhöhung des Tributs. Er nahm daher auch 457 den Kampf mit Sparta auf und focht selbst bei Tanagra mit, schlug 454 die Sikyonier, verhinderte jedoch, daß Athen sich vorzeitig in dem Kampf erschöpfte, und beantragte Kimons Zurückberufung, damit dieser einen Frieden mit Sparta zu stande bringe.
Ebenso machte er 445 dem von neuem ausgebrochenen und mit der Niederlage von Koroneia unglücklich begonnenen Krieg mit Sparta
durch den 30jährigen sogen. Perikleischen Frieden ein Ende, in welchem er zeitweilig auf die Hegemonie Athens zu Lande verzichtete,
um die Seeherrschaft desto mehr zu befestigen. Nach Kimons Tod (449) und des Thukydides, des Führers der
Konservativen, Verbannung (444) erreichte Perikles
sein Ziel, die höchste Leitung des Staats bei völlig entwickelter Volksherrschaft
ohne Gewalt und Verfassungsbruch nur durch die Macht seines Geistes zu besitzen, und behauptete sich in dieser Stellung 15 Jahre
lang, bis zu seinem Tod.
Meist bekleidete er das mit außerordentlichen Vollmachten ausgerüstete Amt eines Strategen, ferner das eines Finanzvorstehers und eines Vorstehers der öffentlichen Bauten; die Wahlen zu den übrigen einflußreichen Ämtern lenkte er nach seinem Wunsch. Durch die einfachste, nüchternste Lebensweise und unermüdliche Arbeit und Selbstverleugnung hielt er den Neid und die Mißgunst der Mitbürger fern. Die öffentlichen Gelder verwaltete er auf das gewissenhafteste und war ebenso uneigennützig wie unbestechlich.
In den Volksversammlungen trat er nicht oft als Redner auf und redete kurz und klar. Er schmeichelte dem Volk nicht, wußte
es aber zu überzeugen, in seinen edlen Gesinnungen und Gefühlen zu bestärken und es für eine würdige,
vernünftige Politik zu gewinnen. Die Seeherrschaft wurde durch Unterhaltung einer starken Flotte und strengere Unterordnung
der Bundesgenossen befestigt; Samos, das sich empörte, unterwarf Perikles
selbst mit erfolgreicher Energie (440-439). Wissenschaft
und Kunst wurden befördert und zu solcher Blüte gebracht, daß Athen der geistige Mittelpunkt des ganzen
Hellenenvolkes wurde und das Perikleische Zeitalter die höchste Entwickelung der griechischen Kultur bezeichnete.
Vor allem hat sich Perikles
durch die unter seiner Leitung vollendeten herrlichen Werke des Pheidias, Iktinos und Mnesikles (das Odeon,
der Parthenon und die Propyläen) ein ewiges Andenken gestiftet. Zwar hatte Perikles
auch in Athen viele
Widersacher,
welche ihre Angriffe, weil Perikles
selbst zu hoch in der Gunst des Volkes stand, das ihm sogar die Auszeichnung eines Olivenkranzes
verliehen hatte, gegen seine Umgebung, Pheidias, Anaxagoras und Aspasia, richteten. Der erstere starb im Gefängnis, Anaxagoras
verließ Athen, und seine Freundin Aspasia rettete Perikles
nur durch Bitten und Thränen. 431 wurde sogar gegen
ihn selbst eine allerdings erfolglose Anklage wegen Unterschlagung öffentlicher Gelder gerichtet.
Als nun auf Anstiften der neidischen Korinther 432 die Spartaner beschlossen, gegen Athens wachsende Macht einschreiten, nahm
er den Kampf an im Bewußtsein, ihn siegreich durchführen zu können, und traf alle Vorkehrungen gegen den feindlichen
Angriff mit kluger Vorsicht. 430 unternahm er mit 150 Schiffen einen Rachezug nach dem Peloponnes, dessen Küsten er verwüstete;
aber das Unglück der Pest und andres Mißgeschick ermutigten die Gegner zu einer neuen Anklage gegen Perikles
, welche mit seiner
Verurteilung zu einer hohen Geldstrafe endete, die er nicht aufbringen konnte. Er trat von allen seinen
Ämtern zurück; zwar wurde er kurz darauf von dem reuigen Volk in dieselben wieder eingesetzt, starb aber schon 429 an der
Pest.
Der Tod dieses Mannes war für Athen ein schwerer Schlag, denn nur er hatte das seinen selbstherrlichen Willen eifersüchtig wahrende
Volk in freiwillige Unterwürfigkeit zu erhalten und dessen unruhige Beweglichkeit zu zügeln vermocht.
Die Zügel der Herrschaft fielen bald leidenschaftlichen Demagogen zu, welche durch ihren eigennützigen Parteigeist den Staat
zerrütteten und seinen Untergang herbeiführen. Perikles'
Bildnis ist uns in mehreren Statuen und Büsten erhalten. Außer der erhaltenen
Biographie des Plutarch vgl. Böckh, Oratio de Pericle (Berl. 1821);
Grimma - Grimmelshause

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Grimma. Kutzen, Perikles
als Staatsmann während
der gefahrvollsten Zeit seines Wirkens (Grimma
[* 6] 1834);
Filleul, Histoire du siècle de Périclès (Par. 1872, 2 Bde.; deutsch, Leipz. 1874-75);
Ad. Schmidt, Das Perikleische Zeitalter (Jena [* 7] 1877-79, 2 Bde.);
V. Pflugk-Harttung, Perikles
als Feldherr (Stuttg.
1884); Lloyd, The age of Perikles
(Lond. 1875, 2 Bde.).
- Perikles'
gleichnamiger Sohn von Aspasia, der 430 auf Bitten des Vaters nach dem Tod von dessen legitimen Söhnen Xanthippos und Paralos
das Bürgerrecht erlangte, war 406 einer der Feldherren, welche zwar bei den Arginusen siegreich fochten, aber wegen Nichtbestattung
der Toten in Anklagestand versetzt und hingerichtet wurden.