Pennalismus
(neulat., Pennalwesen), Inbegriff der Neckereien und
Unbilden, welchen neuangekommene
Studenten, sogen.
Pennale (vgl.
Pennal), später
Füchse genannt, auf den
Universitäten von
seiten der ältern
Studenten früher ausgesetzt waren. Der Pennalismus
, in den
Sitten und Unsitten der mittelalterlichen fahrenden
Schüler
wurzelnd, bildete sich um 1600 auf den protestantischen
Universitäten
Deutschlands
[* 2] zu einem systematischen Unwesen aus. Die
alten
Studenten hießen
Schoristen, weil sie die jüngern schoren, d. h. foppten, verhöhnten.
Die Pennale hießen auch Schützen, Neovisti (Neulinge), Vulpeculae (Füchse), Caeci (Blinde), Vituli (Mutterkälber, Säuglinge), Innocentes (Unschuldige), Imperfecti (als Gegensatz zu Absoluti), Galli domestici (Haushähne), Dominastri, Rapschnäbel, Bacchanten etc. Die Schoristen betrachteten den Pennal als ihren Diener oder Famulus, und diese Herrschaft bezog sich oft auf Person und Eigentum der Pennale. Sie waren zu den niedrigsten Dienstleistungen gezwungen und den gröbsten körperlichen Mißhandlungen ausgesetzt.
Erst nach Ablauf [* 3] eines Jahrs erfolgte die Deposition oder Enttölpelung unter allerhand plumpen, sinnbildlichen Handlungen. Die Schoristen der verschiedenen Universitäten standen in enger Verbindung und gewährten sich gegenseitig Sicherheit gegen die Verfolgungen der vorgesetzten Behörden. Die Versuche, diesem Unwesen ein Ziel zu setzen, waren lange vergeblich, da die Pennale sich gemeinschaftlich mit den Schoristen allen Anordnungen der Behörden widersetzten.
Schon 1613 erschien auf der
Universität zu
Jena
[* 4] ein
Edikt gegen den Pennalismus
, und ähnliche
Edikte erließen
Frankfurt,
[* 5] Rostock;
[* 6]
Wittenberg
[* 7] etc. Doch erst später ergriff man strengere Maßregeln dagegen, so in
Gießen
[* 8] 1656, in
Leipzig
[* 9] 1660, in
Jena 1661 und 1663. Dessenungeachtet erhielten sich Überreste des Pennalismus
noch geraume Zeit.
Gewisse unschuldige
Erinnerungen an
denselben bewahrt die Burschensitte der deutschen
Universitäten noch heute. Auch in Gymnasien, namentlich
in geschlossenen
Pensionsanstalten, hat sich hier und da ein pennalistischer
Komment eingeschlichen. Von andern
Ständen haben
namentlich die
Buchdrucker das Pennalwesen nachgeahmt.
Vgl. Schöttgen, Historie des ehedem auf Universitäten gebräuchlichen Pennalwesens (Dresd. 1747);
v. Raumer, Geschichte der Pädagogik, Bd. 4 (4. Aufl., Gütersl. 1874).