mehr
und als Gefangener nach
Cäsarea zum
Verhör vor den
Prokurator gebracht.
Da er aber an den
Kaiser appellierte, wurde er im
Herbst 61 nach
Rom
[* 3] gesandt, wo er im nächsten Frühjahr anlangte, um in einer nicht allzu drückenden Gefangenschaft zwei volle Jahre
zuzubringen. Mit dieser Nachricht schließt die
Apostelgeschichte. Angaben späterer
Väter zufolge soll
Paulus
aus dieser römischen Gefangenschaft befreit worden sein, noch mehrere apostolische
Reisen, insbesondere auch nach
Spanien,
[* 4] gemacht haben, endlich wieder in
Rom verhaftet und unter
Nero zugleich mit
Petrus hingerichtet und zwar enthauptet worden sein.
Wahrscheinlicher schlossen schon die zwei Jahre der
Apostelgeschichte mit
Prozeß und
Hinrichtung ab. Die
Kirche hat ihm zugleich mit
Petrus den 29. Juni als
Peter-Paulstag und den 25. Jan. als
Pauli Bekehrungstag gewidmet.
Wir besitzen unter Paulus'
Namen eine Anzahl von Sendschreiben an mehrere Christengemeinden und an einzelne
Personen, sogen.
Episteln
oder Lehrbriefe, welche noch dadurch einen besondern Wert erhalten, daß die biblische
Kritik die Echtheit
der wichtigsten von ihnen (der
Briefe an die
Galater,
Römer
[* 5] und der beiden an die
Korinther) fast unbestritten konstatiert.
Das
Altertum hat einstimmig 13
Briefe
Pauli als echt angenommen; nur der 14., der
Brief an die
Hebräer, war streitig.
Neuerdings sind auch die sogen. Pastoralbriefe, der zweite Thessalonicher- und der Epheserbrief mit steigender Sicherheit als später in seinem Namen und Geist verfaßt erkannt worden; sehr angefochten steht auch der Kolosserbrief, und selbst der Philipperbrief erregte allerlei Bedenken. Die Reihenfolge, in welcher die Paulinischen Episteln im Kanon stehen, beruht auf einer ziemlich willkürlichen Rangordnung der Gemeinden und Personen, an welche sie gerichtet sind. Über die einzelnen Briefe siehe die denselben gewidmeten Artikel. In den Kanon nicht aufgenommen und entschieden unecht sind: ein Brief an die Laodikeer, ein Briefwechsel mit Seneca und ein dritter Brief an die Korinther.
Paulus
hat dem
Christentum erst seinen universalen
Charakter, seine Bedeutung als Weltreligion errungen, indem
er das Menschheitliche in dem Auftreten und
Selbstbewußtsein Jesu geltend machte und das mehr lokal und national
Bedingte,
woran sich die jerusalemische
Gemeinde hielt, zurücktreten ließ. Er zuerst hat das
Christentum als eine neue
Religion
in sich
erlebt und nach außen zur
Darstellung gebracht.
Waren es aber solchergestalt auch zunächst vollkommen
praktische
Grundsätze: die Universalität des
Christentums und die Abrogation des mosaischen
Gesetzes, deren
Anerkennung im
Leben er durchzusetzen und dem Judenchristentum abzuringen hatte, so lag es doch in der
Natur seines
Geistes, diese seine praktische
Auffassung des
Christentums in ihre letzten theoretischen
Konsequenzen und in ihre abstraktesten
Vordersätze
zu verfolgen.
Stets sind es daher praktische Lebensverhältnisse und Zustände, die ihm Veranlassung zum Schreiben geben; stets aber operiert er, um ihnen gerecht zu werden, so, daß er bald einen göttlichen Geschichtsplan entrollt, auf welchem die Leser sich zu orientieren haben, bald die Grundzüge einer spekulativen, schon nahe an die spätere Gnosis herantretenden Weltanschauung zeichnet, welche ganz auf die Gegensätze Fleisch und Geist, Adam und Christus, Gesetz und Gnade, Gerechtigkeit aus Werken und Gerechtigkeit aus Gnade, Tod und Leben gebaut ist.
Summa dieses sogen. Paulinischen Lehrbegriffs bleibt immer die Idee der Neuheit und Selbständigkeit des Christentums, welches sich zum Judentum verhalte wie die Freiheit des Mannes zum Gehorsam des Knaben, wie der Geist zum Buchstaben, wie die Sache selbst zum Schattenbild. Insonderheit begründete er die Universität des messianischen Heils und die an keine Bedingung vorangegangener Gesetzeserfüllung geknüpfte Aufnahmefähigkeit auch der Heiden in das Gottesreich auf die allgemeine Sündhaftigkeit, vermöge deren Juden und Heiden unter gleichem Fluch liegen, und auf den diesen Fluch tilgenden Versöhnungstod des Sohns Gottes, welcher durch eben diesen Tod seinen frühern Beziehungen zum Judentum abgestorben ist und seitdem als verklärtes Haupt der Menschheit zu Juden wie Heiden in gleichmäßigem Verhältnis steht.
Vgl.
Baur, Paulus
, der
Apostel Jesu
Christi (2. Aufl., Leipz. 1866);
Hausrath, Der
Apostel Paulus
(2. Aufl., Heidelb. 1872);
O. Pfleiderer, Der Paulinismus (Leipz. 1873);
Holsten, Das
Evangelium des Paulus
(Berl. 1880, Bd.
1).