Südamerika,
[* 3] entspringt in der brasilischen
ProvinzMato Grosso in den
CamposParecis bei
Diamantino, 309 m ü. M., aus 7 kleinen
Seen und durchströmt nach dem
Austritt aus dem Hügelland, südliche Hauptrichtung verfolgend, eine große
Ebene, welche von
ihm und den bedeutenden Nebenflüssen, die er von beiden Seiten erhält, während derRegenzeit
(Januar
bis März) vollständig überschwemmt und hierdurch unter andern der
See und
Sumpfde los Xarayes gebildet wird, der teils auf
brasilischem, teils auf bolivianischem Gebiet eine
Fläche von etwa 150 km
Länge und 80 km
Breite
[* 4] einnimmt.
besteht aus dem
eigentlichen Paraguay, zwischen dem gleichnamigen
Fluß und dem
Parana, und einem Teil des
Chaco, welcher durch Schiedsspruch des
Präsidenten der
Vereinigten Staaten
[* 11] Paraguay im
November 1878 zuerkannt wurde. Die
Grenzen
[* 12] sind durch
Verträge, welche nach fünfjährigem
Krieg (1865-70) mit
Brasilien und der
Argentinischen Republik abgeschlossen wurden, und durch spätereVerträge
mit der
Argentinischen Republik und mit
Bolivia
(Oktober 1879) geregelt. Demnach liegt Paraguay zwischen 22° und 27°
30' südl.
Br. und besteht aus dem eigentlichen Paraguay (146,886 qkm oder 2667,6 QM.)
und dem zwischen 22° südl.
Br. und dem
Pilcomayo gelegenen Teil des
Chaco (91,404 qkm oder 1660 QM.).
Das Gesamtareal beträgt demnach 238,290 qkm (4327,6 QM.).
Das eigentliche Paraguay durchzieht von N. nach
S. eine mäßig hohe Bergkette, welche gegen O. und W.
in
Plateau- und Hügelland übergeht, wahrscheinlich nirgends die
Höhe von 600 m erreicht und die Zuflüsse des
Parana und
Paraguay scheidet. Sie führt die
NamenSierra Amambaya und Cordillera d'Urucuty, heißt aber gewöhnlich
nur Cordillera
de losMontes (»Waldgebirge«). Im S. löst sie sich in zahlreiche, aber unbedeutende
Anhöhen auf.
Längs des Paraguay und im S. des
Landes längs des
Parana breiten sich weite, oft sumpfige, seenreiche Tiefebenen
aus, aus denen sich hin und wieder vereinzelte
Hügel erheben.
Die mittlere
Erhebung des
Landes ist sehr gering. Von vulkanischer Thätigkeit bietet dasselbe keine Zeichen. Von
Metallen kommen
Eisen,
[* 13]
Gold
[* 14] und
Kupfer
[* 15] vor. Die Gewässer gehören den beiden Hauptflüssen,
Parana und Paraguay, an, welche auf zwei Seiten
das Land umgeben, alle in demselben entspringenden kleinern
Flüsse aufnehmen und an der südlichsten
Grenze sich vereinigen. Der
Boden ist überall mit
Salz in
[* 16] gebundener Form geschwängert, daher sind auch salzige
Quellen und
salzige
Seen im ganzen Land häufig.
Das
Klima
[* 17] von Paraguay ist gemäßigter, als man seiner
Lage nach erwarten sollte.
Hart neben demWendekreis und
in geringer
Erhöhung über dem
Meer sinkt das
Quecksilber im Juli und
August des
Nachts nicht selten bis auf den
Nullpunkt, die
gewöhnliche
Temperatur jener
Jahreszeit ist 15-19° C. am
Tag und um die Hälfte weniger des
Nachts.
In den entgegengesetzten
Monaten tritt das tropische
Verhältnis reiner hervor; neun
Monate hindurch steht mittags das
Quecksilber
selten unter 25° C., gewöhnlich 30-31°, in den nördlichsten Gegenden sogar 37°.
In denStand der
Temperatur werden durch
die
Winde
[* 18] große Veränderungen gebracht; besonders steigert der Nordwind, welcher über die wärmsten Teile
Südamerikas herüberstreicht,
die
Wärme
[* 19] in den Sommermonaten außerordentlich.
Der
Charakter der
Jahreszeiten
[* 20] ist in Paraguay zwar nicht so scharf getrennt wie in dem südlichern
Buenos Ayres,
[* 21] aber deutlicher ausgesprochen als in den Äquatorialgegenden. Paraguay bietet an allen Naturerzeugnissen den reichsten
Überfluß dar. Man findet eine unendliche Mannigfaltigkeit von Nutz- und Zierhölzern, von
Pflanzen, Sträuchern,
Früchten
und
Blumen; herrliche Waldungen bietenBrenn- und Schiffbauholz in
Menge sowie Gummiarten und
Harze, welche
auf den europäischen
Märkten noch ganz unbekannt sind.
Der
Fang der artenreichen
Fische,
[* 26] welche nach
Überschwemmungen in den austrocknenden
Lachen in großer
Menge
zurückbleiben, ist die Nahrungsquelle der noch nicht unterjochten
Stämme der Ureingebornen und beschäftigt in minderm
Grad
auch die
Weißen. Unter den zahllosen lästigen
Insekten
[* 27] nehmen verschiedene
Arten von
Ameisen und die
Moskitos eine hervorragende
Stelle ein. Verwüstungen durch wandernde
Heuschrecken
[* 28] kommen aber hier weniger als in den westlichen und
südlichen Nachbarländern vor.
Die Einwohnerzahl wurde 1857 zu 1,337,441
Seelen angenommen, aber der furchtbare
Krieg von 1865-70 richtete
solche Verheerungen an, daß dieselbe 1873 auf 221,079
Seelen zusammengeschmolzen war, wovon nur 28,746 männliche Einwohner
von über 15
Jahren waren. Dagegen will man 1879 wieder 346,048 Einw. gezählt haben,
wogegen ein
Zensus von 1887 bloß 231,878
Seelen ergab, unter denen nur 94,868 männlichen
Geschlechts waren. Außerdem aber
leben im Gebiet der
Republik noch 60,000 halbzivilisierte und 70,000 wilde
Indianer.
Verbündeten aufs glänzendste bewährt. Die zivilisierten Indianer sind fast alle Guarani, und die Guaranisprache wurde noch
bis in die jüngste Zeit ganz allgemein gesprochen. Die »wilden« Indianer im Chaco gehören zu den Stämmen der Lengua, Toba,
Enimanga und Guaycuru. Sie sind kühne Reiter und ziehen Jagd und Raub der Viehzucht und
[* 32] dem Landbau vor. Auch
im N. des eigentlichen Paraguay leben noch wilde Indianer, nämlich die aus dem Chaco eingewanderten Mbaya und Guana. Die Zahl der
Neger und Mulatten (die Kinder von Sklaven wurden bereits 1843 für frei erklärt) war nie bedeutend. Die in neuerer Zeit gemachten
Versuche, europäische Kolonisten ins Land zu ziehen, haben keinen sonderlichen Erfolg gehabt (s. San Bernardino).
Die Bildungsanstalten beschränken sich auf eine höhere Schule (Colegio) zu Asuncion und auf (1885) 149 Schulen mit 5100 Schülern.
Der Handel ist in Hinsicht auf die Hilfsquellen des Landes noch wenig entwickelt, und bei den hohen Zöllen kann das kaum wundernehmen.
Die Ausfuhr (1881: 1,928,545, 1886: 1,571,000 Pesos) besteht vorwiegend aus Yerba-Maté und Tabak, ferner
aus Zigarren, Orangen, Häuten, Maniokmehl, Orangenblütenessenz, Holz,
[* 37] Leder etc., während bei der Einfuhr (1881: 1,204,465,
1886: 1,621,000 Pesos) Textilstoffe vorwiegen. DreiViertel der Einfuhr kommen aus England. Im J. 1882 liefen 696 Schiffe
[* 38] von
104,819 Ton. Gehalt von paraguayischen Häfen aus. Die einzige Eisenbahn (72 km lang) verbindet Asuncion
mit Villarica. Paraguay ist seit 1881 auch Mitglied des Weltpostvereins, und 1886 beförderten seine Postanstalten 304,617 Gegenstände.
Staatskirche ist die römisch-katholische, aber allen andern Konfessionen
[* 39] ist die freie Ausübung ihrer Religion gestattet.
Hauptstadt und Sitz des obersten Gerichtshofs ist Asuncion (s. d.). Für die innere Verwaltung bestehen 23 Partidos. Bis zum
Ausbruch des unglücklichen Kriegs mit den Nachbarstaaten waren die Finanzen in geordnetem Zustand, aber 1871 machte
Paraguay die erste auswärtige Anleihe im Betrag von 1 Mill. Pfd. Sterl. und gleich im folgenden Jahr eine zweite
von 2 Mill. Pfd. Sterl. Auf diese Anleihen, von denen indes nur ein kleiner Teil wirklich in die Staatskasse floß, sind seit 1874 keine
Zinsen gezahlt worden.
Außerdem aber verpflichtete sich Paraguay, den verbündeten StaatenBrasilien, Argentinien und Uruguay eine Kriegsentschädigung
von 236 Mill. Pesos zu zahlen. Indes ist bis 4886 die innere Schuld durch Verkauf von Staatsländereien etc. auf 331,730 Pesos
reduziert worden, und die englischen Gläubiger begnügen sich infolge eines im Dezember 1885 getroffenen Übereinkommen mit
4,250,000 Pesos. Abgesehen von dieser Schuldenlast, sind die Finanzen jetzt wieder in geordnetem Zustand,
indem die Einnahmen 1886-87: 873,241 Pesos betrugen, die Ausgaben nur 823,580 Pesos. Zölle und die Pacht für Yerbales liefern
den Hauptertrag der Einnahmen. Im Krieg mit den verbündeten südamerikanischen Staaten stellte eine Armee von 60,000 Mann ins
Feld. Jetzt beschränkt sich die bewaffnete Macht auf 57 Offiziere und 550 Mann, im Kriegsfall aber kann
die Nationalgarde aufgeboten werden. - Das Wappen
[* 40] besteht aus einem weißen Schild
[* 41] mit goldenem Horn, umgeben von einem Lorbeer-
und einem Palmenzweig und mit der Devise: »República del Paraguay - Paz y justicia«. Die Flagge besteht
aus drei horizontalen Streifen (blau, weiß, blau) mit einem Löwen
[* 42] und dem Wappen auf dem weißen Streifen (s. Tafel »Flaggen
[* 43] I«).
[* 44]
Asuncion ward nun der Mittelpunkt für die ganze fernere Kolonisation. Zur Zeit der Eroberung dieses Teils von Südamerika begriff
man unter dem Namen Paraguay auch einen Teil des spätern Vizekönigreichs Rio deLa Plata und selbst einige ProvinzenBrasiliens, welch
letztere mit dem Namen des portugiesischen Paraguay bezeichnet wurden. Der erste Generalkapitän von Paraguay war Alvaro
Nuñez Cabeza de Vaca (1542-44). Während der trefflichen Verwaltung des Hernandez Arias de Saavedra (um 1608) erschienen die
ersten Jesuiten in Paraguay. Dieselben erwarben sich bald das Vertrauen der Indianer und unterrichteten dieselben im Ackerbau, in Handwerken
und Viehzucht. Ihr Bestreben, die Bedrückungen und Willkürlichkeiten zu verhindern, welche das System
der Encomiendas trotz aller Verordnungen zu gunsten der Eingebornen stets mit sich führte, hatte Reibungen mit den Besitzern
jener Ländereien, den Gebietern der leibeignen Indianer, den Encomenderos, zur Folge, und mehrere Missionäre wurden verjagt.
Philipp III. erließ zwar ein Dekret zu gunsten der
¶
mehr
Jesuiten; dasselbe vermehrte jedoch nur die Abneigung der Spanier in Paraguay gegen sie, und der GouverneurDiegoMartin Negroni (1609-15)
wies sie daher an die beiden Völker der Guaycuru und Guarani, wogegen sie sich der Einmischung in die Angelegenheiten aller
andern Gegenden Paraguays enthalten sollten. Innerhalb der ihnen gesteckten Grenzen gründeten die Jesuiten
hierauf ein theokratisch-patriarchalisches Reich, das zwar formell unter spanischer Hoheit stand, von dem sie aber lange Zeit
mit großer Sorgfalt jeden spanischen Einfluß abzuwehren wußten.
Ihre Missionsbezirke (doctrinae) wuchsen bis gegen 40 mit mehr als 170,000 bekehrten Indianern heran, die in festen Niederlassungen
(reduciones) von den Andes bis zum brasilischen Küstengebirge wohnten. Den Mittelpunkt ihrer Verwaltung
hatten die Jesuiten in ihren Kollegien zu Asuncion und Cordova; in letzterer Stadt residierte der dirigierende Provinzial mit
seinen vier Konsultadoren. In jeder Niederlassung war ein Priester, zugleich als höchste obrigkeitliche Person, mit einem
Vikar, der zugleich die Geschäfte führte.
Die Ortspolizei übte ein aus den Indianern gewählter Kazike, welcher dafür sorgte, daß die Indianer die
festgesetzten Arbeiten, landwirtschaftliche und gewerbliche, verrichteten. AlleArbeiten geschahen für das Allgemeine; ihr
Ertragkam inMagazine, aus denen die Indianer mit allen Bedürfnissen versehen wurden. Den Überrest verkauften die Jesuiten,
und dieser mit vielem Geschick betriebene Handel war für sie so erträglich, daß sie bedeutende Geldsummen
nach Europa
[* 47] schicken konnten.
Sie duldeten weder Spanier noch andre Europäer in ihren Niederlassungen; ja, sie erfüllten die Indianer geflissentlich mit
Haß gegen jene. Die Guaranisprache blieb die herrschende, doch mußte jeder Indianer lesen und schreiben lernen. Dieselben
wurden in ihren häuslichen Angelegenheiten von ihren geistlichen Vätern wie Kinder geleitet, zu regelmäßigen Stunden zum
Gebet, zur Arbeit, zur Erholung geführt, freigebig mit Nahrung und Kleidung versorgt, mild behandelt und überall, wo keine
Kollision mit den Zwecken des Ordens eintrat, zum besten beraten.
Mit der Zunahme der Jesuitenmissionen, welche den größern Teil des östlichen und südöstlichen Paraguay einnahmen
(1618), hielt aber auch die Ausbreitung der Paulistas gleichen Schritt, einer Kolonie, die von den Portugiesen in der brasilischen
ProvinzSão Paulo um die Mitte des 16. Jahrh. gegründet worden war, und es kam mit ihnen zu
einem beständigen Grenzkrieg, der mit wechselnden Glücke geführt wurde. Von den Paulistas fort und
fort belästigt, entschlossen sich die Jesuiten endlich, ihre Missionen aus der Provinz Guyara in das Land zwischen dem Uruguay
und Parana zu verlegen, wozu sich indes die Indianer nur mit Mühe bereden ließen. 1726 erwirkten die Jesuiten ein königliches
Dekret, das ihre Missionen am Parana von Paraguay sonderte und dieselben unter den Gouverneur des La Plata stellte,
d. h. fast unabhängig machte.
Die Jesuiten setzten 1754-58 der Ausführung dieses Vertrags bewaffneten Widerstand entgegen, unterlagen aber endlich nach mehreren
glücklichen Gefechten den gegen sie gesendeten vereinten portugiesische und spanischen Heeren, und als 1766 die Verbannung
des Jesuitenordens aus Spanien beschlossen ward, wurden 1768 auch die Jesuiten in allen spanisch-amerikanischen
Besitzungen an einem u. demselben Tag festgenommen und des Landes verwiesen, ihre Missionen aber, über 40 mit mehr als 100,000
Einw., zwischen Portugal und Spanien geteilt und den Zivilbehörden übergeben.
Die neue Herrschaft unterschied sich von der vorigen nur durch rohe, drückende Härte und Habsucht. Die Spanier nahmen zwar
das von den Jesuiten begründete Werk in ihre Hände, verstanden aber nicht, es zu erhalten und fortzuführen,
und in kurzer Zeit gaben die Indianer den Anbau des Landes wieder auf oder kehrten ganz zu dem wilden Leben zurück. 1776 ward
Paraguay zum spanischen Vizekönigreich La Plata geschlagen und umfaßte auch die Banda oriental mit Montevideo;
[* 51] 1801 ward
die Provinz der Missionen an Brasilien abgetreten.
Doch war die Verbindung des Landes mit Buenos Ayres eine durchaus lose. Als hier 1810 die Unabhängigkeitsbestrebungen offen
an den Tag traten, schickte Buenos Ayres den General Belgrano nach Paraguay, um hier die spanische Herrschaft zu stürzen.
Derselbe ward zwar bei Paraguari geschlagen und 9. März zur Kapitulation gezwungen, wußte aber dennoch 14. MaiAsuncion
eine unblutige Revolution herbeizuführen, durch welche an Stelle der spanischen Regierung eine Junta gesetzt wurde. 1813 wählte
der paraguayische Kongreß 2 Konsuln, Francia (s. d. 2) und Yégros, 1814 erstern auf 3 Jahre
und 1817 auf Lebenszeit.
Francia regierte das Land mit eiserner Hand
[* 52] und schloß es gegen die Nachbarstaaten völlig ab, sicherte es aber gegen die
Annexionsgelüste Brasiliens und Argentiniens und hob durch seine klugen Maßregeln den Wohlstand außerordentlich. Nach des
DiktatorsTod (1840) verbündete sich DonMariano Roque Alonso, der Viertelsmeister der Hauptstadt, mit einem
NeffenFrancias, Don CarlosAntonioLopez; beide nahmen den TitelKonsul an und beriefen dann 1842 einen Kongreß, der alle von ihnen
vorgelegten Gesetze genehmigte, die Unabhängigkeit Paraguays aufs neue erklärte und die beiden Konsuln bestätigte, doch
so, daß Lopez erster und Alonso zweiter Konsul ward.