Panzerschiff
,
ein
Kriegsschiff, dessen
Wände teilweise durch
Panzerplatten (s. d.) gegen das Eindringen feindlicher
Geschosse
[* 2] geschützt sind.
Die erste
Panzerfregatte, die
Gloire, wurde 1859 in
Frankreich erbaut und mit 12 cm starkem
Eisen
[* 3] gepanzert.
England und die übrigen Seestaaten folgten alsbald dem
Beispiel. Jetzt baut man alle Panzerschiff
[* 4] aus
Eisen oder
Stahl.
Was den
Umfang der Panzerung bei Panzerschiff
betrifft, so war man nur zu Anfang im stande, die ganze Schiffswand damit
(nur bis etwas unterhalb der Wasserlinie, da von hier an das Wasser schützt) zu bedecken.
Dies waren die sog.
Batterieschiffe. Mit Verbesserung der
Schiffsgeschütze wurden stärkere Platten nötig, und die Panzerung
mußte mit Rücksicht auf das Gewicht mehr und mehr beschränkt werden auf die vitalen
Teile des Schiffs. So entstanden zunächst
die
Kasemattschiffe mit einem etwa 3 m über Wasser bis 1,5 m unter Wasser rings ums Schiff
[* 5] führenden Panzergürtel und
einem bis zum Oberdeck
ringsum gepanzerten Schutz für die schweren
Geschütze,
[* 6] die
Maschine
[* 7] und Schornsteine,
die sog.
Kasematte.
Bei einzelnen Schiffen deckte
man auch die
Bug- und Heckgeschütze noch durch besondere Brustwehrpanzer auf dem Oberdeck.
Es zeigte sich bald, daß bei den
Batterie- und
Kasemattschiffen die schweren
Geschütze zu tief lagen, um bei Seegang, also
als Hochseeschlachtschiffe, verwendbar zu bleiben; deshalb ging man dazu über, die schwersten (bis 40,5 cm)
Geschütze nur
noch auf dem Oberdeck
aufzustellen. So entstanden die
Turmschiffe und Brustwehrschiffe; bei beiden Gattungen ist die Panzerung
auf einen geringern
Teil als bisher beschränkt, sie konnte dem entsprechend auch stärker hergestellt werden, ohne die
Schiffe
[* 8] unverhältnismäßig zu belasten.
Nur die ältern Schiffe dieser Bauart sind noch mit demselben Gürtelpanzer wie die
Kasemattschiffe versehen. In England schützt
man die
Teile des Schiffs außerhalb des (meist in der Mitte gelegenen) Panzerreduits in der Wasserlinie durch Kofferdämme
(s. d.) und ein darunter liegendes gewölbtes Stahlpanzerdeck
(Schildkrötendeck
).
Dieser Konstruktion liegt der
Gedanke zu
Grunde, daß oberhalb des Panzerdecks
und außerhalb des Panzerreduits
die Schiffswände u. s. w. beliebig
stark zerstört sein können, ohne daß das Panzerschiff
an
Schwimmfähigkeit und Gefechtswert verliert.
Die Erfahrungen im Chinesisch-Japanischen
Kriege haben die volle Panzerung der Wasserlinie als günstiger erwiesen. Die franz.
Flotte hat von Anfang an an dem Princip des vollen Panzergürtels festgehalten; in
Deutschland
[* 9] sind nur
die vier Schiffe der Sachsenklasse nach der engl. Methode im
Bug und Heck ohne Panzerung, alle andern, alten und neuen deutschen
Panzerschiff
haben vollen Panzergürtel.
Bei den
Turmschiffen reicht das Panzerreduit bis zum Oberdeck;
aus diesem ragen innerhalb
des Reduits gewöhnlich zwei entweder in der Kiellinie oder etwas diagonal stehende Panzertürme nur so viel hervor, als
die sehr kleinen (Minimal-) Geschützpforten der
Türme es nötig machen. In diesen, durch Dampfmaschinen
[* 10] drehbaren
Türmen
stehen 1–2 schwere
Geschütze. Da die Rehling (s. d.) auf den
Turmschiffen entweder gar nicht vorhanden oder
umklappbar ist, haben diese wenigen
Geschütze eine große Wirkungssphäre nach beiden Seiten. Doch ist bei den
Turmschiffen
die Bedienung der
Geschütze sehr schwierig, ebenso das Zielen mit den
Türmen. Die neuen Panzerschiff
haben nur ein bis zwei Gefechtsmasten,
die mit Schnellladekanonen ausgerüstet sind und außerdem zum Signalisieren dienen.
Alle Seemächte ersten und zweiten Ranges sind gegenwärtig eifrig bemüht, ihre Panzerflotten durch
den
Bau sehr großer und starker Schiffe (von mehr als 10000 t Deplacement) zu vermehren; diese Panzerschiff
sollen
im stande sein, gegen alle
Klassen feindlicher Schiffe, gegen Küstenwerke und
Torpedoboote den Kampf bei jeder Witterung aufzunehmen;
sie müssen also die stärkste
Armierung und Panzerung, genügende Fahrgeschwindigkeit und hinreichenden
Kohlenvorrat haben und jeden Seegang aushalten können. Um diese
Bedingungen zu erfüllen, würde man zu große Panzerschiff
bauen müssen.
Man panzert deshalb gewöhnlich nur noch so viel, daß die Schwimmfähigkeit gesichert bleibt, daß die schweren Panzergeschütze,
die
Maschine und die Kommandoelemente vollkommen gedeckt
sind. Die schweren
Geschütze werden neuerdings
meist in Barbettetürmen aufgestellt; sie stehen dabei auf einer
Drehscheibe und feuern über die fest eingebauten Panzerschutzwehren
(Barbette,
Bank). Zuweilen stehen die
Geschütze darin frei, doch meist sind sie durch gepanzerte Schutzschilde gedeckt
oder
stehen in geschlossenen
Drehtürmen.
Die größten
Kriegsschiffe, die bisher gebaut wurden, sind die neun englischen Panzerschiff
der Majestic-Klasse;
sie haben 14900 t Deplacement, sind 119 m lang, 23 m breit; ihr Gürtelpanzer ist 45,7 cm dick, 4,9 m hoch und 67 m lang
(knapp ⅔ der Schiffslänge schützend). In zwei Barbettetürmen stehen 4 (je 2) 30,4 cm-Geschütze; außerdem
ist jedes dieser Panzerschiff
mit 40 Schnellladekanonen bewaffnet. Der
Dampf
[* 11] wird von acht
Kesseln geliefert; die
Maschinen indizieren 12000 Pferdestärken,
wobei über 17 Seemeilen
Geschwindigkeit erreicht wird. Durch eigentümliche
Anordnung einer verhältnismäßig sehr schweren
Geschützbewaffnung auf engem Raume zeichnen sich die sechs neuesten amerik. Schlachtschiffe des Indianatyps von 10200 bis 11500 t
Größe aus; sie gleichen schwimmenden Citadellen. Erwähnenswert sind ferner die ital.
Panzerkolosse Rè
Umberto, Sicilia und Sardegna, die die stärksten
Maschinen haben; die
Maschinen indizieren über 22000 Pferdestärken
und geben 18–19
¶
mehr
Seemeilen Geschwindigkeit. Auch die neuen franz. Schlachtschiffe der Charlemagneklasse sind ausgezeichnete
Panzerschiff
In der deutschen Marine sind die verschiedenen Phasen, die der Panzerschiffbau
durchgemacht hat, ebenfalls fast sämtlich
zur Erscheinung gekommen. Das erste Panzerfahrzeug der damals preuß. Marine (1863 gebaut) war ein Monitor (s. d.),
der Arminius, mit 11,4 cm Panzer. Ihm folgten 1867 die beiden Breitseitschiffe Kronprinz und Friedrich
Karl mit je 16 Geschützen (21 cm), bei denen der Panzer auf 12,7 cm wuchs. 1868 wurde der ursprünglich für die Türkei
[* 13] erbaute
König Wilhelm angekauft, ebenfalls ein Breitseitschiff von 23 Geschützen, dessen Panzerstärke bereits 20,3 cm betrug. In
neuester Zeit ist der König Wilhelm umgepanzert und hat 30,5 cm starke Stahlplatten erhalten; ebenso
ist er jetzt außer zwanzig 24 cm-Geschützen mit einem 15 cm-Geschütz und 26 Schnellfeuergeschützen bewaffnet.
Dann folgte ein Kasemattschiff, die Korvette Hansa, die jetzt ausrangiert ist. 1875–77 kamen noch fünf Panzerschiff
hinzu, und zwar
die beiden Kasemattschiffe Kaiser und Deutschland mit 25,4 cm Panzer und je acht 26 cm-Geschützen, und
die drei Turmschiffe Friedrich d. Gr., Großer Kurfürst (1878 untergegangen) und Preußen
[* 14] mit 23,5 cm Panzerstärke und vier 26 cm-Geschützen,
von denen immer je zwei in einem Turme stehen, der mit Dampfkraft gedreht wird. 11 Panzerfahrzeuge mit je
einem. 30,5 cm-Geschütz in Brustwehraufstellung wurden 1876–80 von Stapel gelassen.
In den J. 1877–80 sind die Ausfallskorvetten (s. Korvette) erbaut worden. Dieselben sind Brustwehrpanzerschiffe
mit Citadelle. 1884 wurde eine kleine Panzerkorvette, Oldenburg,
[* 15] und zwei Panzerfahrzeuge, Brummer und Bremse, erbaut. 1889 lief
das erste von zehn für die Verteidigung des Nordostseekanals bestimmten größeren Panzerfahrzeugen,
Siegfried, von Stapel;
sie haben Gürtelpanzer und je zwei gepanzerte Barbettetürme;
im vordern Turm [* 16] zwei, im achtern ein 24 cm-Geschütz;
acht dieser Panzerschiff
sind bis 1896 von Stapel gelaufen. 1891 und 1892 liefen vier moderne 10033 t große Panzerschiff
der deutschen Flotte
von Stapel, Kurfürst Friedrich Wilhelm, Brandenburg,
[* 17] Wörth
[* 18] und Weißenburg;
[* 19]
sie haben Gürtelpanzer und je drei gepanzerte Barbettetürme, deren jeder mit zwei 28 cm-Geschützen bewaffnet ist;
jedes dieser Panzerschiff
ist außerdem mit 24 leichten
Geschützen (und zwar sechs + 10,5 cm-Schnellladekanonen, acht 8,8 cm-Schnellladekanonen, zwei 6 cm-Bootskanonen und
acht 8 mm-Maschinengewehre) bewaffnet. 1896 lief das Panzerschlachtschiff erster Klasse Kaiser Friedrich
III. von Stapel, das 11000 t groß und 115 m lang ist;
es hat Nickelstahlpanzer, bekommt 3 Schrauben [* 20] mit 3 Maschinen, soll 18 Seemeilen Geschwindigkeit haben und hat nur 40 Kaliber lange Geschütze, und zwar eine 24 cm-Kanone, achtzehn 15 cm- und vierundzwanzig 5 cm-Schnellfeuerkanonen, acht Maschinengewehre und 6 Torpedorohre.
Die deutsche Panzerflotte wird in Hochseepanzer und Küstenpanzer
eingeteilt. Zu den Hochseepanzern rechnen die
Panzerschiff
erster Klasse: Kaiser Friedrich III., Kurfürst Friedrich Wilhelm, Brandenburg,
Weißenburg und Wörth;
die Panzerschiff zweiter Klasse: König Wilhelm, Kaiser und Deutschland;
die Panzerschiff dritter Klasse: Preußen, Friedrich d. Gr., Baden, [* 21] Bayern, [* 22] Sachsen, [* 23] Württemberg, [* 24] Oldenburg. Zu den Küstenpanzern rechnen die Panzerschiff vierter Klasse: Siegfried, Beowulf, Frithjof, Hildebrand, Heimdall, Hagen, [* 25] Odin und Ägir, sowie die Panzerkanonenboote Wespe, Viper, Biene, [* 26] Mücke, Skorpion, Basilisk, Chamäleon, Krokodil, Salamander, Natter, Hummel, Brummer, Bremse.
Die Längen der deutschen Panzerschiff variieren zwischen 75 und 116 m, die Breiten von 16 bis 20, die Tiefgänge von 6 bis 7,8 m. Die Schnelligkeit beträgt 14–18 Knoten und die Maschinenkraft je nach der Größe der Schiffe 5200–13000 Pferdestärken. Sämtliche Panzerschiff werden zum Schutze gegen Sinken durch Sporn- und Torpedowirkung nach dem Zellensystem erbaut.
Kleine Panzerschiff nennt man Panzerfahrzeuge oder Panzerkanonenboote (s. Kanonenboote), sie tragen gewöhnlich nur 1–2 schwere Geschütze, dienen der Küstenverteidigung und haben daher geringere Seefähigkeit als Panzerschiff –
Vgl. Dislère, La marine cuirassée (Par. 1873);
Tromp, Die gepanzerten Flotten (Haag [* 27] 1886 fg.);
van Hüllen, Leitfaden für den Unterricht im Schiffbau (Kiel [* 28] 1888);
Weyl, La cuirasse, la machine marine, le canon (Par. 1890);
Lechner, Unsere Flotte (Kiel und Lpz. 1892);
J. Hunier, Du navire de combat (Par. 1892);
Wislicenus, Unsere Kriegsflotte (2. Aufl., Lpz. 1896).