Pandschab
(engl.
Punjab),
Provinz des britisch-ind.
Reichs unter einem
Lieutenant-Governor, zwischen 27° 39'-35° 2'
nördl.
Br. und 69° 35'- 78° 35' östl. L. v. Gr.,
grenzt im
W. an
Afghanistan,
[* 2] im N. an
Kafiristan, im
NO. an
Kaschmir
[* 3] und
Tibet, im übrigen an die
Nordwestprovinzen,
Radschputana
und Sind und umfaßt ein
Areal von 368,927 qkm (6700 QM.), wovon 276,165 qkm (5015 QM.)
zum Reichsgebiet und 92,762 qkm (1685 QM.) zu den Tributärstaaten gehören. Die
Gebirge des Pandschab
fallen unter vier natürliche
Gruppen.
Der Himalaja begleitet die Nordostgrenze zwischen Satledsch und Indus; an seinem Fuß ziehen sich niedrige Bergrücken hin, wie die Siwalik u. a., in denen die britisch-indische Regierung Gesundheitsstationen angelegt hat, darunter Simla, die Sommerresidenz des Vizekönigs. In die Südostecke treten Ausläufer der Arawali hinein. Die Westgrenze wird auf eine Länge von 500 km durch die dürre Suleimankette gebildet, an welche sich nördlich der Safedkoh anschließt.
Mit ihm hängt die an
Steinsalz außerordentlich reiche
Salt
Range (Kalabaghgebirge) zwischen
Indus und
Dschelam zusammen. Der
bei weitem größte Teil des Pandschab
besteht aber aus ungeheuern
Ebenen, wovon die östlichen zwar Ackerboden,
aber nur wenig
Regen und keine
Flüsse
[* 4] haben, während die westlichen aus dürren
Weiden bestehen, welche von fünf
Flüssen
durchzogen werden (daher der
Name Pandschab
, d. h.
Fünf
Ströme), in deren breiten
Thälern allein
Ackerbau möglich ist.
Die
Flüsse des Pandschab
gehören teils zum
Flußgebiet des
Ganges, wie
Dschamna und
Tons, teils zu dem des
Indus,
wie
Satledsch,
Bias,
Ravi,
Tschenab und
Dschelam, welche, zum Pandschnat vereinigt, sich bei Mitankot in den
Indus ergießen. Das
Klima
[* 5] bewegt sich im P. in größern
Extremen als im übrigen
Indien. Im
Sommer steigt die
Hitze zu unerträglicher
Höhe, und
staubbeladene heiße
Winde
[* 6] fegen mit ununterbrocher Heftigkeit über die verdorrten
Ebenen; im
Januar tritt scharfer
Frost ein,
Schnee
[* 7] fällt aber fast nur im
Himalaja.
Regen fällt in den Gebirgsgegenden reichlich, in den Ebenen aber sehr wenig, dort sind die Kulturen fast ganz von künstlicher Bewässerung durch Kanäle abhängig. Die hauptsächlichste endemische Krankheit ist Fieber, woran 16 pro Tausend jährlich sterben; epidemisch treten Pocken und Cholera auf. Die Vegetation ist nur in den Bergen [* 8] ansehnlich; sonst finden sich nur niedrige Mimosen, Dschangeln und Grassteppen und in der Umgebung der Dörfer Palmen, [* 9] indische Feigenbäume, im W. große Bestände von Dattelpalmen. In neuester Zeit hat die Regierung viel für Erhaltung der bestehenden Wälder und Anpflanzungen gethan; 1883 betrug das Areal der Staats- u. Distriktsforsten 12,157 qkm. Die Fauna schließt Tiger, Leoparden, Hyänen, Luchse, Wölfe, Bären, Schakale und Füchse, Antilopen, Hirsche, [* 10] Wildschweine, Affen, [* 11] Krokodile, [* 12] viele giftige Schlangen [* 13] und zahlreiche Vögelarten ein.
Kamele [* 14] zieht man im S., vortreffliche Pferde [* 15] im NW.; die Schafe [* 16] des Salzgebirges und die Rinder [* 17] von Hissar sind berühmt; 1884 zählte man 124,648 Pferde, 351,890 Esel, 174,753 Kamele, 6,707,904 Rinder, 4,906,883 Schafe und Ziegen und 65,955 Schweine. [* 18] Die Regierung sucht durch Einführung von Pferde- und Eselhengsten sowie durch Verleihung von Prämien auf den landwirtschaftlichen Ausstellungen die Viehzucht [* 19] zu heben. Der Ackerbau ist dank der Verdichtung des Kanalnetzes in schneller Zunahme.
Von den 26,6 Mill. Hektar der 33 britischen Distrikte waren 1884: 9,4 Mill. unter Kultur, 8,2 Mill. kulturfähig, aber unkultiviert, 2,3 Mill. Weideland und 6,7 Mill. Hektar Wüste. Durch Kanäle werden 660,827 Hektar bewässert; für ihre Herstellung wurden 5,033,284 Pfd. Sterl. verausgabt. Der Ackerbau wird in der primitivsten Weise betrieben. Hauptfrucht ist Weizen; nächstdem baut man Hirse, [* 20] Gerste, [* 21] Ölsaaten, Mais, Reis, Baumwolle, [* 22] Zuckerrohr, Hülsenfrüchte.
Theegärten sind seit einigen Jahren im Distrikt Kangra mit Erfolg angelegt worden. Das Land ist zu ⅘ in den Händen von Privaten, zu ⅕ Eigentum der Regierung; aber dies letztere Land ist nicht viel besser als eine dürre Steppe. Am fruchtbarsten sind die Ebenen östlich von Lahor, welche nur ein Viertel des Gesamtareals der Provinz, dabei aber die Hälfte der Kulturen und nahezu die Hälfte der Bevölkerung [* 23] enthalten. Von Mineralien [* 24] wird nur Steinsalz gefunden, dies aber in unerschöpfliche Menge im Salzgebirge, wo die Mayo Mine allein in 35 Jahren 1½ Mill. Ton. Salz [* 25] geliefert hat.
Unter den Industrien ist weitaus am wichtigsten die Baumwollweberei, 1884 betrug der Wert der Fabrikate 2,2 Mill. Pfd. Sterl.; außerdem werden Arbeiten in Holz, [* 26] Eisen, [* 27] Leder, Gold- und Silberborten, Seide [* 28] und Shawls in Nachbildung der berühmten Kaschmirshawls hergestellt, ferner ausgezeichnete Goldschmiedewaren; der aufgelegte mit Edelsteinen verzierte Silberschmuck aus Kangra wird zu den besten dieser Art gezählt. In neuester Zeit sind große Bierbrauereien im äußern Himalaja errichtet worden. 1883 zählte man 406 Großbetriebe und 484,399 kleinere Betriebe, welche 919,391 Arbeiter beschäftigten und für 13,710,062 Pfd. Sterl. Waren erzeugten.
Der Handel konzentriert sich in Lahor, Amritsar, Multan, Ambala, Dehli und Peschawar. Über die Nordgrenze richtet sich der Handel nach Kaschmir, Ladak, Jarkand, Tibet und Zentralasien [* 29] im allgemeinen (1884 Ausfuhr 439,230, Einfuhr 605,782 Pfd. Sterl.), über die Westgrenze nach Kabul, Tirah und Siwestan; der letztere ist aber sehr heruntergegangen (1884 betrug die Einfuhr 292,858, die Ausfuhr 567,287 Pfd. Sterl.). Eingeführt werden über diese Grenzen [* 30] Farbstoffe, Ziegenhaare, Rohseide, Früchte, Holz, Pelzwerk, [* 31] Federn, Shawls; ausgeführt Indigo, [* 32] Korn, Metalle, Salz, Gewürze, Thee, Tabak, [* 33] Baumwollzeuge, Leder.
Der Handel mit Europa [* 34] nimmt seinen Weg über Karatschi und Bombay; [* 35] ausgeführt werden namentlich Getreide, [* 36] Baumwolle, Salz, eingeführt Tuch, Metallwaren und andre Fabrikate. Eisenbahnen durchziehen die Provinz von O. nach W. wie von N. nach S. in einer Gesamtlänge von 1900 km, während die Flüsse 4296 km schiffbare Wasserstraßen abgeben. Die Telegraphenlinien haben eine Länge von 3322 km, und die Post beförderte 1883: 23,764,182 Briefe. Es erscheinen im P. 54 Zeitungen.
Die Bevölkerung belief sich nach dem Zensus von 1881 auf 22,712,120 Seelen, davon 18,850,437 im unmittelbaren britischen Gebiet, 3,861,683 in den 36 Tributärstaaten. Der Religion nach betrugen die Mohammedaner 56 Proz., die Hindu 38, die Sikh 6 ¶
mehr
Proz., die Christen 33,420 Seelen. Verschiedene Nationen und Rassen gibt es im P., mehr als irgendwo sonst in Indien, da über die westliche Grenze alle Einwanderer und Eroberer zuerst einbrachen. Die Arier, die sich zunächst im Salzgebirge und östlich davon niederließen, wurden daraus vertrieben durch die türkisch-tatarischen Völker aus Zentralasien (Indoskythen), die Indien um 120 v. Chr. erreichten; ihre Hauptvertreter sind gegenwärtig die Dschat (s. d.). Die spätern arabischen, mongolischen, afghanischen, türkisch-tatarischen Eroberer haben gleichfalls Spuren ihrer Herrschaft zurückgelassen; die große Menge der Mohammedaner ist jedoch indischer Abkunft.
Die Sikh, aus deren Reich England die Provinz Pandschab
bildete, sind eine deistische, brahmanische Religionssekte,
die ihre Anhänger meist aus Dschat und Gudschar warb. Die Sprache
[* 38] ist im O. des Indus Hindi (s. d.) in der Pandschabi
genannten
Mundart; jenseit des Indus wird im N. Paschtu, die Sprache der Afghanen, im S. Belutschi gesprochen; im Nordhimalaja ist die
Landessprache Tibetisch. Die Schrift ist persisch. Behufs der Verwaltung ist das Pandschab
in 10 Divisionen (Regierungsbezirke)
und 32 Distrikte eingeteilt.
Dem Lieutenant-Governor steht kein Gesetzgebender Rat zur Seite; die von ihm vorkommenden Falls abgefaßten Gesetze müssen dem Generalgouverneur vorgelegt und von diesem gutgeheißen werden. Bis 1875 waren Verwaltung und Rechtspflege in der Hand [* 39] eines einzigen Beamten vereinigt; danach blieb den Verwaltungsbeamten nur die niedere Justiz, während die höhere nun durch besondere Richter ausgeübt wurde. Für öffentliche Sicherheit sorgt ein 20,547 Mann starkes Polizeikorps.
Die Einkünfte der Provinz betrugen 1884: 3,388,589, die Ausgaben 2,111,400 Pfd. Sterl. Für den öffentlichen Unterricht sorgen
die Pandschab
-Universität (seit 1882) und 2227 höhere und niedere Schulen, welche 1884 von 125,906 Schülern
(10,588 Mädchen) besucht wurden. Als Grenzprovinz hat das eine starke Militärmacht; 32 Städte und Stationen werden von der
Bengalarmee mit Garnisonen versehen (im ganzen 15,868 Europäer und 18,083 Inder). Die Pandschab
grenzarmee ist an der Grenze
in Abbotabad, Mardan, Kohat, Edwardesabad, Dera Ismail Chan, Dehra Ghazi Chan und Radschanpur stationiert
und zählt 12,491 Mann mit 16 Geschützen. S. Karte »Ostindien«.
[* 40]
In die Geschichte Indiens hat Pandschab
durch die Könige der indoskythischen Zeit (1. Jahrh. v. Chr. bis 2. Jahrh. n. Chr.) und in
neuerer Zeit unter der (zeitweise sehr wenig ausgedehnten) Herrschaft der Sikh (1419-1849) eingegriffen.
England eroberte es 1845-49 und besitzt darin das natürliche Ausfallthor gegen Afghanistan und Kaschmir sowie ein festes Bollwerk
gegen Angriffe von Russisch-Asien her. Hasan Abdal, östlich von Attok, ist der Punkt, wo Armeen, die von Westen kommen, sei es
über den Chaiberpaß oder, wie Alexander d. Gr., von Nordwesten aus Swat, in die Ebene eintreten. Daß
hier Eroberern der Weg nicht verlegt wurde, war nach englischen Strategen der größte Fehler der alten Inder, dem die englische
Regierung durch starke Vorwerke diesseit und jenseit des Indus wie durch wiederholte größere Truppenübungen bei Hasan Abdal
abzuhelfen sucht.
Vgl. den jährlich in Lahor erscheinende »Punjab administrative report«.