Palmae
4 Wörter, 36 Zeichen
Palmae,
[* 2] (hierzu Tafeln »Palmen I. u. II«),
monokotyle Familie aus der Ordnung der Spadicifloren, Holzpflanzen von elegantem Wuchs, mit meist einfachem, durch eine Terminalknospe fortwachsendem Stamm. Nur wenige Palmen haben einen oben in einige Äste geteilten Stamm, deren jeder dann mit einer einfachen Blätterkrone anschließt, wie die Dumpalme (Hyphaena). Der Stamm hat meist in seiner ganzen Länge gleiche Dicke oder ist auch in der Mitte oder nach unten bauchig verdickt. Von den majestätischen Dattel- und Wachspalmen von 40-50 m Höhe gibt es alle Übergänge bis zu den Formen, deren Stamm fast unterirdisch ist oder nur als ein 1-2 m hoher Stock sich erhebt, wie bei der Zwergpalme.
Einen mehr an die Gräser [* 5] erinnernden besondern Typus repräsentiert die Gattung Calamus mit ihren 90-160 m langen und kaum 25 cm dicken schilfähnlichen und ästigen Stämmen, welche andre Bäume lianenartig (Palmlianen) umschlingen. Der mit kräftigen Nebenwurzeln im Boden befestigte Palmenstamm ist durch die Überreste der Blattscheiden schuppig oder, wenn die Blätter sich glatt vom Stamm ablösen, von den ringförmigen Blattbasen (s. nebenstehende [* 3] Figur) bedeckt, bisweilen auch mit regelmäßig gestellten Stacheln besetzt. Im Innern wird der Stamm von langen, sehr festen Fasern, den Gefäßbündeln, durchzogen, welche auch in die Blätter ausbiegen und auf dem Stammquerschnitt eine regellose Anordnung zeigen (s. obige [* 3] Figur; vgl. auch »Gefäßbündel«). [* 6]
Die sehr großen Blätter umfassen mit scheidenförmiger Basis den Stamm, haben einen großen, unterseits konvexen Blattstiel und eine hand- oder fächerförmig (Fächerpalme) oder fiederförmig (Fiederpalme) geteilte Blattfläche. Die Teilung entsteht hier durch wirkliches Zerreißen der ursprünglich ganzen Fläche, ist daher mehr oder weniger vollständig; in der Knospenlage ist die Blattfläche gefaltet, und an den Faltenlinien tritt die Zerreißung des Zellgewebes ein; die Nerven [* 7] bleiben dann bisweilen als Fasern stehen.
Die Blattabschnitte sind von Längsnerven durchzogen. Die Blütenstände sind große, straußförmige Rispen, welche in den Achseln der ältern Blätter entspringen, daher in der Blätterkrone oder unterhalb derselben sitzen, meistens abwärts hängen, oft kolossale Größe besitzen und zahlreiche verhältnismäßig kleine, unansehnliche Blüten enthalten. Am Grund sind diese Blütenstände von einem oder mehreren weiten, tütenförmigen Hüllblättern (spatha) umgeben, welche anfangs dieselben ganz einschließen.
Meist hat nur eins derselben die Größe des ganzen Blütenstandes und ist bei der Ansehnlichkeit des letztern oft von außerordentlicher Länge (z. B. bei Oreodoxa regia bis zu 2,5 m) und wegen der lederartigen Beschaffenheit zu allerlei Gerätschaften, selbst zu Hängematten für Kinder, geeignet. Die mehr oder weniger lang rutenförmigen Äste des Blütenstandes sind im Verhältnis zu den Blüten dick und tragen dieselben oft in einer Vertiefung eingesenkt, daher sie zu den kolbenartigen Infloreszenzen (spadix) gerechnet werden.
Die Blüten sind häufig durch Fehlschlagen eingeschlechtige entweder ein- oder zweihäusig. Das kelchartige Perigon besteht aus drei äußern und ebenso vielen, mit jenen abwechselnden innern Blättern, welche frei oder etwas verwachsen sind und stehen bleiben. Staubgefäße [* 8] sind meist sechs, ebenfalls in zwei Kreisen, vorhanden. Der oberständige Fruchtknoten ist mehr oder weniger kugelig oder dreilappig, meist dreifächerig, jedoch häufig nur mit einem fruchtbaren Fach, und enthält im Innenwinkel jedes Faches in der Regel eine einzige Samenknospe.
Die drei Griffel sind verwachsen oder etwas getrennt und tragen eine einfache, ungeteilte Narbe. Die Früchte sind meist von dem erhärtenden Perigon umgeben, entweder beeren- oder steinbeerenartig, mit fleischigem oder faserigem Fruchtfleisch und papierartigem oder holzigem, knochen- oder steinhartem Kern. Dieser ist drei- oder durch Fehlschlagen einfächerig, daher drei- oder einsamig. Der Same füllt den Innenraum des Kerns aus; sein reichliches Endosperm ist anfangs milchartig flüssig, später verdichtet es sich, wird knorpelig oder hornig, trocken oder ölig, massiv oder gehöhlt.
Der Embryo liegt in einer Vertiefung des Endosperms an der Seite des Samens, wird aber noch von einer dünnen Schicht Endosperm wie mit einem Deckelchen bedeckt; er ist cylindrisch oder kegelförmig, das Wurzelende ist gegen die Peripherie des Samens gekehrt. Bei der Keimung wird der Embryo an dieser Stelle aus dem Samen [* 9] hervorgeschoben, indem die untere Partie des scheidenförmigen Kotyledons sich streckt, während nur der oberste Teil desselben als Saugorgan im Endosperm stecken bleibt, bis dieses aufgesogen ist. Durch beträchtliche abwärts gerichtete Streckung des Kotyledons wird die von ihm umhüllte Keimknospe samt dem Wurzelende in das Erdreich versenkt. Die Keimknospe bricht dann mit ihren scheidigen ersten Blättern aus der Kotyledonenscheide nach oben hervor, während das Wurzelende sich anfangs zu einer vertikal abwärts wachsenden Hauptwurzel entwickelt, welche aber bald durch Nebenwurzeln ersetzt wird.
Man kennt ungefähr 1000 Palmenarten, welche vorwiegend den Tropen angehören. Nach Drude bewohnen die Calameae das tropische Afrika [* 10] und Asien [* 11] bis 30° nördl. Br., die Sundainseln und Australien [* 12] bis 30° südl. Br., die Raphieae das äquatorial Afrika, Madagaskar, [* 13] die Maskarenen und Polynesien, die Mauritieae das tropische Amerika [* 14] von 10° nördl. Br. bis 15° südl. Br., die Borassinae Afrika, die Maskarenen und Seschellen sowie Westasien bis 30° nördl. Br., die Cocoïnae Amerika von 23° nördl. Br. bis 34° südl. Br., die Arecinae den Erdgürtel zwischen 30° nördl. Br. und 42° südl. Br., die Chamaedorinae Amerika zwischen 25° nördl. Br. und 20° südl. Br., auch Madagaskar, die Maskarenen und Seschellen, die Iriarteae Amerika von 15° nördl. Br. bis 20° südl. Br., die Caryotinae Asien bis 30° nördl. Br., die Sundainseln und Australien bis 17° nördl. Br., endlich die Coryphinae den Erdgürtel zwischen 40° nördl. Br. und 35° südl. Br. In Südeuropa ist nur die Zwergpalme (Chamaerops humilis) einheimisch; die Dattelpalme wird besonders in Unteritalien und Südspanien kultiviert. Dem Gemälde der Landschaft geben die Palmen, welche Linné die Fürsten (principes) des Pflanzenreichs nannte, wegen ihrer majestätischen Gestalt ein eigentümliches Gepräge. Die Palmen wachsen
[* 3] ^[Abb.: Stammstück einer Palme. Oben ein Stammquerschnitt mit Andeutung der Gefäßbündel, unten ein Stammstück mit ringförmigen Blattnarben.] ¶
Borassus flabelliformis (Fächerpalme).
a, b männliche, c weibliche Blüten.
Corypha umbraculifera (Schattenpalme).
a männliche, b weibliche Blüte, [* 16] c Frucht.
a Blütenstand, [* 17] b Blüten, c Frucht.
Caryota urens (Brennpalme).
a unterer, b oberer Teil des Stammes, c Teil des Wedels, d Frucht.
Arenga saccharifera (Zuckerpalme).
a oberes Ende des Stammes, b Teil des Wedels, c Frucht.
Maximiliana regia.
Teil eines Wedels.
Blütenkolben.
Hyphaene thebaica (Doompalme).
a Früchte. b durchschnittene Frucht.
Oreodoxa regia (Königspalme).
Lodoïcea Sechellarum (Seekokos).
Weibliche Blüte.
Männliche Blüte.
Männlicher Blütenstamm.
Chamaerops humilis (Zwergpalme).
Unterer Teil des Stammes.
Chamaedorea elatior (Bergpalme).
Oenocarpus distichus (Mostpalme).
Teil des Wedels.
Same.
nur selten in größern, reinen Beständen; meist einzeln oder in kleinen Gruppen unterbrechen sie die niedere Vegetation der Ebenen, Flußufer und Küsten oder stehen gemischt mit andern Bäumen in den Wäldern. Die meisten vegetieren in der Ebene bei einer mittlern Temperatur von 22-24° R.; doch steigen in den feuchtwarmen Thälern der östlichen Andes zwei Palmenarten: die niedrigwüchsige Oreodoxa und die 50 m hohe Wachspalme (Ceroxylon andicola), bis zu der Grenze des Hochwaldes bei 2700 m empor.
In der vorweltlichen Vegetation finden wir die Palmen mit etwa 80 Arten vom Kohlengebirge an bis in die Tertiärzeit, in letzterer jedoch am häufigsten; es sind vorzüglich die Gattungen Flabellaria Sternb., welche in großen, fächerförmigen Blättern, Phoenicites Brong., welche in gefiederten Blättern, Fasciculites Cotta, welche in Stammstücken mit zerstreuten Gefäßbündeln, und Palmacites Brong., welche in Stämmen erhalten ist, deren Oberfläche mit den stehen bleibenden Blattbasen bedeckt ist. Diesen schließen sich Arten der noch lebenden Gattungen Sabal Ad. und Chamaerops L., mit fächerförmigen Blättern, an.
Die Palmen liefern Brot, [* 20] Wein, Öl und Holz. [* 21] Die baumartigen enthalten ein an nährendem Stärkemehl reiches Mark (Sago);
die jungen Wedel und Knospen [* 22] sind ein wohlschmeckendes Gemüse (Palmenkohl);
das Fruchtfleisch der Steinbeeren mehrerer Arten ist reif eßbar;
die Samenkerne, welche anfangs fast ganz aus süßem, flüssigem Endosperm (Kokosmilch) bestehen, später hart und ölig werden, dienen zur Nahrung und zur Darstellung der Palmbutter oder des Palmöls, bei dessen Bereitung als Rückstand das Palmenmehl gewonnen wird.
Auch aus der Fruchthülle mancher Arten wird Speise- und Brennöl gewonnen. Mehrere lassen aus ihren Stämmen einen zuckerreichen Saft ausfließen, den man auf Palmwein oder Palmzucker verarbeitet. Palmzweige (Blätter) dienten schon im hohen Altertum als ein Symbol der Siegesfreude, so bei den Festen des Osiris [* 23] in Ägypten [* 24] und den feierlichen Einzügen der Könige und Kriegshelden in Jerusalem, [* 25] bei den Olympischen Spielen und auf dem Kleid römischer Imperatoren, und in der Folge nahm sie auch die christliche Kirche in dem gleichen Sinn in ihre Bildersprache auf (s. Palmsonntag).
Die Stämme einiger Palmenarten schwitzen ein Wachs aus. Die Fasern am Grunde der Blattstiele oder auf den Früchten dienen zu starken, dauerhaften Geweben, die Stämme der Palmen zu Bauholz, die dünnern Stämme und Wedelstiele zum Bedachen der Wohnungen, zu Körben, Hüten, Stöcken, Spießen, Pfeilen, Matten u. dgl., und die harten Fruchtschalen verwendet man zu allerhand Drechslerarbeiten. Als Zierpflanzen spielen die eine große Rolle; abgesehen von Chamaerops humilis und Phoenix dactylifera, halten einige harte Palmen im südlichen Europa [* 26] im Freien aus; für die zartern baut man Palmenhäuser, welche wegen des hohen Wuchses vieler eine bedeutende Höhe erfordern, während man sie verhältnismäßig nicht sehr stark zu heizen braucht.
Die Palmen nehmen vielmehr mit niederer Temperatur vorlieb und sind überhaupt viel härter, als man bis vor nicht langer Zeit allgemein glaubte. Viele eignen sich auch vortrefflich zur Zimmerkultur, und einige Arten sind Marktpflanzen geworden, welche in manchen Gärtnereien zu vielen Tausenden herangezogen werden.
Vgl. Martius, Historia naturalis palmarum (Münch. 1831-50);
Griffith, Palms of British East India (Kalkutta [* 27] 1850);
Seemann, Die Palmen (2. Aufl., Leipz. 1863);
de Kerchove de Denterghem, Les palmiers (Par. 1878);
Drude, Die Palmen, in Martius' »Flora brasiliensis« (Münch. 1878);
Derselbe, Über Verbreitung der Palmen (in »Petermanns Mitteilungen« 1878);
Semler, Die tropische Agrikultur, Bd. 1-3 (Wismar [* 28] 1885-88);
Brinckmeier, Anleitung zur Kenntnis, Anzucht und Kultur der Palmen (Ilmenau 1886);
Salomon, Die Palmen etc. für Gewächshaus- und Zimmerkultur (Berl. 1887).