Pagnotta
5 Wörter, 41 Zeichen
Pagnotta
(lat. Paulus, »gering, klein«),
1) Paul I., aus Rom [* 4] gebürtig, folgte seinem Bruder Stephan II. 757 auf dem päpstlichen Stuhl, schloß sich eng an den Frankenkönig Pippin an, dessen er sowohl gegen die Anfeindungen seitens der Langobarden als auch gegen die Ansprüche der griechischen Kaiser bedurfte. Er starb 28. Juni 767.
2) Paul II., ein geborner Venezianer, vorher Pietro Barbo genannt, Neffe des Papstes Eugen IV., war zuerst Archidiakonus von Bologna, dann Bischof von Cervia, nachher Kardinal von San Marco und folgte als Papst auf Pius II. Die vor seiner Wahl beschworne Wahlkapitulation in betreff der ¶
Reform des Kardinalkollegiums, der Berufung eines allgemeinen Konzils etc. hielt er nicht und förderte durch Prachtliebe und Verschwendung die Mißbräuche in der päpstlichen Kurie. Über den utraquistischen König Georg Podiebrad von Böhmen [* 6] sprach er 1466 den Bann aus und verlieh Böhmen dem Ungarnkönig Matthias Corvinus. 1470 ordnete Paul die Feier des allgemeinen Jubiläums für alle 25 Jahre an. Er starb
3) Paul III., ein Römer, [* 7] vorher Alexander Farnese, geb. 1468 zu Carino im Florentinischen, war zuerst verheiratet und hatte einen Sohn, Peter Aloysius, wurde dann Bischof von Ostia und Dekan des heiligen Kollegiums und folgte als Papst auf Clemens VII. Er trat anfangs nicht schroff gegen die Reformation auf und setzte 1537 eine derselben geneigte Kommission zur Beseitigung der Mißbräuche ein, wenn er auch die Ketzer durch die Bulle In coena domini verdammte. 1540 bestätigte er jedoch den Jesuitenorden, ordnete 1542 eine Inquisition zur Unterdrückung des Protestantismus in Italien [* 8] an und eröffnete 1545 das Konzil zu Trient, [* 9] das er aber bald nach Mantua [* 10] verlegte.
Der von ihm 1538 gegen Heinrich VIII. von England ausgesprochene Bannfluch vollendete den Bruch der anglikanischen Kirche mit dem römischen Stuhl. Vergeblich bemühte sich Paul, die Kriege zwischen den christlichen Mächten Spanien [* 11] und Frankreich zu verhindern, um einen Kreuzzug gegen die Türken zu ermöglichen. Seinen Sohn Peter Farnese setzte er 1545 zum Herzog von Parma [* 12] und Piacenza ein. Er starb Paul war ein sein gebildeter Mann und kluger Diplomat; er beschützte Gelehrte und Künstler und ließ 1546 durch Michelangelo den Bau der Peterskirche wieder aufnehmen.
4) Paul IV., ein Neapolitaner, vorher Giovanni Pietro Carafa, geb. 1476 zu Capriglio, ward 1507 Bischof von Chieti, 1518 Erzbischof von Brindisi, stiftete 1524 die Kongregation der Theatiner (s. d.) und ward selbst zu deren erstem Superior erwählt. Paul III. erhob ihn 1536 zum Kardinal; Julius III. gab ihm das Bistum Tusculum und zuletzt das von Ostia, und nach dem Tode des Papstes Marcellus bestieg Paul 79 Jahre alt, den päpstlichen Stuhl. Er setzte sofort eine Kongregation zur Hebung [* 13] der Kirchenzucht ein, schrieb dem Klerus eine besondere Ordnung für Kleidung und Lebensweise vor, erweiterte die Befugnisse der Inquisition und verpflichtete sie zur größten Strenge gegen die Ketzer, führte den Index librorum prohibitorum (s. d.) ein und ordnete 1558 die Wiederherstellung des Festes Petri Stuhlfeier (Cathedrae S. Petri Ap. Romae) für den 18. Jan. an. Seine anmaßenden Nepoten vertrieb er aus Rom, gebot den Bischöfen und Mönchen, in ihren Sprengeln und Klöstern zu bleiben, und verweigerte nach Karls V. Abdankung die Anerkennung Ferdinands I. wegen dessen zu großer Milde in Glaubenssachen; auch der Königin Elisabeth von England versagte er dieselbe und trieb sie in die Arme der Protestanten.
Vergeblich versuchte er sich mit Frankreichs Hilfe von Spaniens Übermacht frei zu machen und diesem Neapel [* 14] zu entreißen; 1557 wurde er von Alba [* 15] gezwungen, jeder Verbindung gegen den spanischen König zu entsagen. Er starb Durch seine Strenge hatte er sich so mißliebig gemacht, daß nach seinem Tode das Volk seine Bildsäule auf dem Kapitol zertrümmerte und in den Tiber warf. Er schrieb unter anderm: »Tractatus de Ecclesiae Vaticiniis et ejus sacerdotum principatu« und »Notae in Aristotelis ethicam«.
5) Paul V., vorher Camillo Borghese, geb. 1552 zu Rom, studierte Philosophie und Jurisprudenz, ward Vizelegat in Bologna, wurde unter Clemens VIII. zum Kardinal ernannt und bestieg als Leos XI. Nachfolger den päpstlichen Stuhl. Als strenger Kanonist wollte er der weltlichen Macht durchaus keinen Einfluß auf die kirchlichen Angelegenheiten gestatten, fand aber damit an der Republik Venedig, [* 16] die den modernen Staatsbegriff Paolo Sarpis festhielt, eine zähe Gegnerin, die sich durch Bann und Interdikt nicht einschüchtern ließ. 1613 gründete er auf dem Quirinal ein Seminar zur Bildung von Missionsgeistlichen für alle Länder und Völker. Überhaupt beförderte er alle Einrichtungen, die auf Erweckung eines kirchlichen Sinnes abzielten. Auch für die Verschönerung Roms und die Ausschmückung des Vatikans that er viel. Er starb
weltliche Fürsten, 1) Paul I. Petrowitsch, Kaiser von Rußland, geb. Sohn des Großfürsten Peter, nachmaligen Zaren Peter III., und seiner Gemahlin Katharina, bekundete in seiner frühern Jugend eine gewinnende Offenheit und Geradheit des Charakters; doch schlugen diese Eigenschaften durch die despotische Erziehung, die ihm seine Mutter Katharina II., seit ihres Gatten Ermordung Kaiserin, zu teil werden ließ, allmählich in eine gewisse Härte und Verschlossenheit um, welche durch die Erinnerung an den gewaltsamen Tod seines Vaters noch verschafft wurden. 1773 vermählte ihn seine Mutter mit der Prinzessin Wilhelmine Natalia Alexejewna von Hessen-Darmstadt und nach deren Ableben 1776 mit der Prinzessin Dorothea Auguste Sophie Maria Feodorowna von Württemberg. [* 17]
Zwar ernannte ihn Katharina II. zum Großadmiral des Reichs, aber er durfte nicht einmal die Kronstädter Flotte besuchen. 1781 machte er mit seiner Gemahlin unter dem Namen eines Grafen von Norden [* 18] eine anderthalbjährige Reise durch Europa. [* 19] Nach der Rückkehr lebte er von neuem in gezwungener Unthätigkeit zu Gatschina bei Petersburg. [* 20] Eben damit umgehend, ihren Sohn zu gunsten ihres Enkels Alexander testamentarisch von der Thronfolge auszuschließen, starb Katharina Paul bezeichnete die ersten Tage seiner Regierung mit mannigfache Beweisen einer natürlichen Gutmütigkeit und Gerechtigkeitsliebe.
Bald jedoch äußerten sich die Folgen des Drucks, den Paul fast 40 Jahre lang ausgestanden. Die Furcht vor der französischen Revolution und das ihm anerzogene Mißtrauen wurden die Ursache zu einer furchtbaren geheimen Polizei, zu scharfen Zensurverordnungen, zum Verbot der Einfuhr fremder Bücher und des Eintritts fremder Reisenden und zu der peinlichen und grausam strengen Disziplin im Heer. Pauls Gereiztheit und Willkür kannten keine Grenzen, [* 21] das geringste Wort der Mißbilligung hatte Verbannung zur Folge.
Ebenso launenhaft wie in der innern Politik zeigte er sich in seiner äußern. Die durch die Franzosen vertriebenen Malteserritter fanden Aufnahme in Rußland; ja, Paul ließ sich selbst zum Großmeister derselben wählen, ohne den Widerspruch des Papstes und mehrerer Mächte zu beachten. Nur die dringendsten Vorstellungen der österreichischen und englischen Diplomaten, die sowohl seine Ruhmbegierde als seine Furcht vor dem Jakobinismus aufzustacheln wußten, bestimmten ihn bald nach dem Frieden von Campo Formio 1798 zur Teilnahme am Kriege gegen Frankreich. Bald aber faßte Paul wieder Mißtrauen gegen den Kaiser Franz II. und besonders gegen Pitt, und da nach manchen errungenen Siegen [* 22] das Kriegsglück ¶
wankend ward und überdies Bonaparte dem Stolz des russischen Herrschers zu schmeicheln verstand, so trennte sich Paul 1799 von der Koalition; Ludwig XVIII. und alle Emigrierten, die in Rußland ein Asyl gefunden, mußten den russischen Boden verlassen. An Spanien, den Verbündeten Frankreichs, erklärte Paul den Krieg, besonders deshalb, weil diese Macht ihm die Anerkennung als Großmeister des Johanniterordens versagt hatte. Die Mißstimmung Pauls gegen England wuchs immer mehr und erreichte 1800 den höchsten Grad, als die Engländer die indessen den Franzosen wieder entrissene Insel Malta ihm, als dem Großmeister des Ordens, nicht ausliefern wollten. Er legte Embargo auf alle in russischen Häfen befindlichen englischen Schiffe [* 24] und schloß im Dezember mit Schweden, [* 25] im Januar 1801 mit Dänemark [* 26] und im April d. J. mit Preußen [* 27] einen gegen England gerichteten Neutralitätsvertrag.
Seine despotische Regierungsweise und sein Plan, den Prinzen Eugen von Württemberg, seinen Neffen, zu adoptieren und seine Söhne Alexander und Konstantin verhaften zu lassen, veranlaßten die Verschwörung, welche Paul das Leben kostete. Unter den 30 Verschwornen waren besonders thätig Graf Pahlen, Fürst Platon Subow, Katharinas II. letzter Günstling, die Grafen Nikolaus und Valerian Subow, General Bennigsen, General Uwarow und Gardeoberstleutnant Tatischew. Am abends ließ General Pahlen die Truppen vor dem Michailowschen Palast aufstellen; die übrigen Verschwornen, die Subows an der Spitze, drangen nachts 11 Uhr [* 28] in Pauls Schlafzimmer ein.
Der Kaiser, halb angekleidet auf seinem Bett [* 29] liegend, sprang ihnen wild entgegen und fragte nach ihrem Begehr. Sie legten ihm eine Abdankungsurkunde zu gunsten seines ältesten Sohns vor. Als Paul erklärte: »Ich bin Kaiser und will es bleiben«, schlug ihn Nikolaus Subow nieder, und die Verschwornen erdrosseln den Kaiser nach verzweifelten Widerstand mit seiner eignen Schärpe. Der Leichnam war so verunstaltet, daß man ihn dem Anblick der Kaiserin, die übrigens keinen Teil an dem Komplott hatte, entzog.
Maria Feodorowna hatte dem Kaiser zehn Kinder geboren, von denen acht ihn überlebten: Alexander (s. d. 17), der folgende Kaiser, Konstantin (s. d. 11), Alexandra (geb. vermählt mit dem Erzherzog Joseph, Palatin von Ungarn, [* 30] gest. in Ofen), Helene (geb. 1784, vermählt mit dem Erbprinzen Friedrich Ludwig von Mecklenburg-Schwerin, gest. 1803), Maria (geb. 1786, Großherzogin von Sachsen-Weimar, gest. 1859), Katharina (geb. 1788, Königin von Württemberg, gest. 1819), Anna (geb. 1795, verwitwete Königin der Niederlande, [* 31] gest. 1865), Nikolaus (s. d. 9), Alexanders I. Nachfolger, und Michael (geb. gest. Ein schönes Denkmal ließ die Kaiserin ihrem Gemahl in Pawlowsk errichten.
Vgl. Kobeko, Paul Petrowitsch 1754-96 (deutsch, Berl. 1886);
Bienemann, Aus den Tagen Kaiser Pauls (Leipz. 1886).
2) Friedrich Paul Wilhelm, Herzog von Württemberg, bekannt als Reisender und Naturforscher, geb. zu Karlsruhe [* 32] in Schlesien, [* 33] Sohn des Herzogs Eugen von Württemberg (s. Eugen 7) und der Prinzessin Luise von Stolberg-Gedern, Neffe des Königs Friedrich I. von Württemberg, erhielt am Hof [* 34] seines Oheims zu Stuttgart [* 35] eine rein militärische Erziehung und widmete sich besonders mathematischen und naturwissenschaftlichen Studien. 1806 ward er Hauptmann der Garde zu Fuß, 1815 trat er mit gleichem Rang in preußische Dienste. [* 36] Im Oktober 1822 unternahm er eine Reise nach Nordamerika, [* 37] wo er besonders die Flußgebiete des Mississippi und Missouri durchforschte, nahm dann, nach Europa zurückgekehrt (1824), seine Entlassung aus preußischen Diensten und hielt sich teils in Württemberg, teils in Schlesien auf; nach seiner Vermählung mit der Prinzessin Sophie von Thurn und Taxis 1827 wählte er Schloß Mergentheim [* 38] zu seinem Aufenthalt. 1829 trat er eine zweite Reise nach Amerika [* 39] an und wählte jetzt besonders Mexiko [* 40] und die südlichen Staaten der nordamerikanischen Union zum Gegenstand seiner Forschungen; 1839-40 beteiligte er sich an der Expedition, die Mehemed Ali, der Vizekönig von Ägypten, [* 41] zur Erforschung des obern Nils anordnete. 1849 bis 1856 besuchte er zum drittenmal Amerika und bereiste diesmal die Weststaaten der Union, fast ganz Südamerika, [* 42] Kanada, das Oregongebiet und Florida. Schon Ende 1857 war er wieder in der Neuen Welt, durchforschte von New Orleans aus die Länder des untern Mississippi, ging dann nach Australien [* 43] und kehrte über Ceylon [* 44] und Ägypten nach Deutschland [* 45] zurück. Er starb in Mergentheim und hinterließ einen Sohn, Maximilian, geb. Von ihm erschien: »Erste Reise nach dem nördlichen Amerika« (Stuttg. 1835);
seine weitern Reiseberichte sehen ihrer Veröffentlichung noch entgegen.
1) Oskar, Musikgelehrter, geb. zu Freiwaldau in Schlesien, studierte zu Leipzig [* 46] Theologie, wandte sich jedoch bald ausschließlich der Musik zu und bildete sich am Leipziger Konservatorium, später noch durch Privatunterricht bei Plaidy, Richter und Hauptmann für dieselbe aus. 1860 an der Universität Leipzig zum Doktor promoviert, habilitierte er sich 1866 an derselben als Dozent für die Musikwissenschaft und wurde 1874 zum Professor sowie bald darauf auch zum Lehrer der Musikgeschichte am Konservatorium ernannt. Er veröffentlichte außer Beiträgen für Musikzeitungen: »Die absolute Harmonik der Griechen« (Leipz. 1867),
»Geschichte des Klaviers« (das. 1868),
ein »Handlexikon der Tonkunst« (das. 1869-73, 2 Bde.),
eine Übersetzung der »Fünf Bücher von der Musik« des Boethius (das. 1873) und ein »Lehrbuch der Harmonik« (das. 1880).
2) Hermann, hervorragender Germanist, geb. zu Salbke bei Magdeburg, [* 47] machte seine Studien in Berlin [* 48] und Leipzig, habilitierte sich 1872 an der Universität Leipzig, wurde 1874 als außerordentlicher Professor nach Freiburg [* 49] i. Br. berufen und 1877 daselbst zum ordentlichen Professor ernannt. Er veröffentlichte: »Über die ursprüngliche Anordnung von Freidanks Bescheidenheit« (Leipz. 1870),
die Schrift »Gab es eine mittelhochdeutsche Schriftsprache?« (Halle [* 50] 1873),
eine Ausgabe des »Gregorius« von Hartmann von Aue (das. 1873),
»Zur Lautverschiebung« (1874),
»Kritische Beiträge zu den Minnesingern« (1876),
»Zur Nibelungenfrage« (Halle 1877),
»Untersuchungen über den germanischen Vokalismus« (das. 1879),
»Prinzipien der Sprachgeschichte« (das. 1880, 2. Aufl. 1886),
»Mittelhochdeutsche Grammatik« (2. Aufl., das. 1884). Seit 1874 gibt er mit W. Braune »Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache [* 51] und Litteratur«, seit 1882 eine »Altdeutsche Textbibliothek« heraus (beide in Halle).