Titel
Overbeck
,
1) Christian Adolf, Dichter, geb. zu Lübeck, [* 2] ward Obergerichtsprokurator daselbst, dann Syndikus des Domkapitels, Konsulent der Bürgerschaft, Senator und unter der Napoleonischen Herrschaft Vorstand mehrerer Administrativämter, nach 1814 Bürgermeister und Präsident des Obergerichts; starb Er hat sich durch sinnige und zarte Lieder (gesammelt, Lübeck 1794 u. 1800), von denen mehrere (z. B. »Blühe, liebes Veilchen«, »Warum sind der Thränen etc.«) in den Mund des Volkes übergingen, bekannt gemacht.
2) Johann Friedrich, Maler, Sohn des vorigen, geb. zu Lübeck, bildete sich, nachdem er sich schon vorher mit dem Geiste der Romantik vertraut gemacht, seit 1806 auf der Wiener Akademie und fand hier in Pforr, Vogel u. a. gleichgesinnte Freunde, welche sich vornehmlich mit dem Studium der alten Niederländer und Italiener befaßten und zu der Akademie in Gegensatz gerieten. 1810 verliehen sie dieselben und gingen nach Rom, [* 3] wo sie mit W. v. Schadow zusammentrafen. Im folgenden Jahr gesellte sich Cornelius zu ihnen, noch später Ph. Veit u. J. ^[Julius] Schnorr, und diese fünf bildeten nun im Verein mit andern jene Kunstbrüderschaft, die ihr Atelier im Kloster Sant' Isidoro aufschlug und durch ihren Grundsatz, Religion und Moral müßten als Richtschnur künstlerischer Bestrebungen gelten, eine Wiederbelebung der deutschen Kunst auf der Grundlage der italienischen Quattrocentisten (Präraffaeliten) erstrebte.
Aus den
»Klosterbrüdern von
Sant' Isidoro« bildete sich später die noch strengere
Richtung der
»Nazarener«
heraus, deren
Haupt Overbeck
war. Er hatte sich bereits allgemeine
Anerkennung verschafft durch eine
Madonna, die er 1811 ausstellte.
Dasjenige Werk aber: wodurch die neugegründete romantische
Malerschule sich Geltung sicherte, waren die 1887 nach
Berlin
[* 4] überführten
Fresken aus der Geschichte
Josephs, womit der preußische
Generalkonsul
Bartholdy ein
Zimmer des obersten
Stockwerks in der
Casa
Zuccaro bei Trinità de'
Monti ausschmückte;
Overbeck
malte daselbst 1816 den Verkauf
Josephs
(Karton im Städelschen
Museum zu
Frankfurt)
[* 5] und die sieben magern Jahre.
Von den Fresken, welche später
Marchese
Massimi in seiner
Villa ausführen
ließ, lieferte Overbeck
fünf, für die
er den
Stoff aus
Tassos »Befreitem
Jerusalem«
[* 6] nahm.
Bald darauf folgte
das vorzügliche seiner Freskobilder: das Rosenwunder des heil.
Franz in
Santa Maria degli
Angeli bei
Assisi. Von seinen
Ölgemälden,
die weniger zahlreich sind, da Overbeck
nicht rasch arbeitete, sind hervorzuheben: der Einzug
Christi in
Jerusalem
(in der Marienkirche zu
Lübeck);
Italia und Germania [* 7] (in der Neuen Pinakothek zu München); [* 8]
Christus auf dem Ölberg (in Hamburg); [* 9]
eine Vermählung der Maria (Sammlung Raczynski in der Berliner [* 10] Nationalgalerie);
der Tod des heil. Joseph (im Museum zu Basel); [* 11] die Krönung Mariä (in einer Chorkapelle des Kölner [* 12] Doms) und der Triumph der Religion in den Künsten (1840, im Städelschen Institut zu Frankfurt a. M.).
Eine Grablegung vollendete er 1846 für seine Vaterstadt, worauf er die Verfolgung Christi in Tempera für ein Zimmer des Quirinals malte (1848). Ein für England bestimmtes Altargemälde, die Bekehrung des heil. Thomas, wurde 1851 vollendet; als seine letzten bedeutenden Ölgemälde sind die 1866 vollendete Krönung Mariä, die nach Mexiko [* 13] gelangt ist, und der aus gleicher Zeit stammende Christus auf dem Berg von Nazareth (im Museum zu Antwerpen) [* 14] zu bezeichnen. Noch hervorragender, durch edle Komposition und tiefe Frömmigkeit ausgezeichnet sind seine Zeichnungen: Jesus segnet die Kinder;
Johannes, der Prediger in der Wüste;
die Auferweckung des Lazarus;
das Mannalesen;
das Leben Jesu Christi, 40 Zeichnungen, gestochen von Keller, Bartoccini, Pflugfelder, Steifensand u. a.;
die
Passion (14
Stationen, in
Buntdruck bei
Winckelmann u. Sohn in
Berlin erschienen)
und als letztes cyklisches Werk die sieben
Sakramente (1861,
Berliner Nationalgalerie), in
Holzschnitt von
Gaber in
Dresden
[* 15] (3. Aufl., Regensb. 1882) vervielfältigt. Overbeck
ist
unter den
Stiftern der romantischen
Schule fast der einzige, der mit Entschiedenheit die anfängliche
Richtung der
Schule festgehalten
hat.
Seine Werke zeichnen sich aus durch eine künstlerisch in sich vollendete Komposition, stilvolle Einfachheit des Ausdrucks und Anmut der äußern Linienführung, wodurch er an Perugino, Francia und an die Frühzeit Raffaels erinnert. Ein Mangel seiner Werke ist dagegen die Weichlichkeit seiner allerdings innigen religiösen Empfindung, eine völlige Verschmähung des Nackten und eine große Vernachlässigung alles Körperlichen, welche bis zur düstern Askese getrieben wird.
Selbst seine
Bilder romantischen
Inhalts, so viel
Schönes in Einzelheiten sie enthalten, kranken an dem
Bestreben des
Meisters, ihren weltlichen
Charakter möglichst zu tilgen. Overbeck
war
Professor an der
Akademie von
San
Luca in
Rom und
Mitglied mehrerer
Akademien. Er starb in
Rom. Mit seiner künstlerischen
Richtung hing auch sein Übertritt zum
Katholizismus
(1813) zusammen. Die bedeutendsten seiner wenigen
Schüler waren E.
Steinle und
Führich.
Vgl.
Howitt, F.
Overbeck
, sein
Leben und
Schaffen (deutsch von Binder, Freiburg
[* 16] 1886, 2 Bde.).
3) Johannes Adolf, Archäolog, Neffe des vorigen, geb. zu Antwerpen, studierte in Bonn, [* 17] habilitierte sich 1850 daselbst und folgte 1853 einem Ruf als Professor der klassischen Archäologie und Vorstand der archäologischen Sammlung nach Leipzig. [* 18] Er schrieb außer einer großen Zahl von Aufsätzen und Abhandlungen, deren Mehrzahl in den Schriften der königlich sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften publiziert ist: »Katalog des königlichen rheinischen Museums vaterländischer Altertümer« (Bonn 1851);
»Die römische Villa bei Weingarten« ¶
mehr
(das. 1851);
»Galerie heroischer Bildwerke der alten Kunst« (Halle [* 20] 1851-53, mit Atlas); [* 21]
»Kunstarchäologische Vorlesungen« (Braunschw. 1853);
»Pompeji« [* 22] (Leipz. 1858; 4. Aufl., mit A. Mau, 1884);
»Geschichte der griechischen Plastik« (das. 1857-58, 2 Bde.; 3. Aufl. 1881-82);
»Beiträge zur Erkenntnis und Kritik der Zeusreligion« (das. 1861);
»Über die Lade des Kypselos« (das. 1865);
»Die antiken Schriftquellen zur Geschichte der bildenden Künste bei den Griechen« (das. 1868);
»Griechische Kunstmythologie« (Zeus, [* 23] Hera, [* 24] Poseidon, [* 25] Demeter [* 26] und Kora, das. 1871-87, 5 Tle. mit Atlas).
4) Franz, protest. Theolog, geb. zu St. Petersburg, [* 27] studierte Theologie in Leipzig und Göttingen, [* 28] habilitierte sich 1864 an der theologischen Fakultät zu Jena, [* 29] wurde 1870 außerordentlicher, 1872 ordentlicher Professor der Theologie in Basel. Unter seinen Schriften sind hervorzuheben: die Neubearbeitung von De Wettes »Erklärung der Apostelgeschichte« (4. Aufl., Leipz. 1870);
»Über die Christlichkeit unsrer heutigen Theologie« (das. 1873);
»Studien zur Geschichte der alten Kirche« (Chemn. 1875, Heft 1);
»Über die Auffassung des Streits des Paulus mit Petrus in Antiochien bei den Kirchenvätern« (Basel 1877);