Ostjaken
,
Volk in Sibirien, ugrisch-finnischen Ursprungs, dessen Verbreitungskreis am untern Ob und Jenissei südlich fast bis nach Tobolsk und Tomsk, nördlich über den 65. Breitengrad hinausreicht, längs des Ob sogar über den 67. Breitengrad sich ausdehnt. Gleichwohl ist ihre Zahl gering, sie wird auf 23,000 geschätzt. Die (s. Tafel »Asiatische Völker«, [* 2] Fig. 6) sind von mittlerm Wuchs und bei guter Nahrung ebenso kräftig wie die Russen; in der Regel ist die Hautfarbe dunkel und das Haar [* 3] pechschwarz.
Das Hauptbekleidungsstück ist die Chaliza, ein weiter, sackartiger Pelz, der mit der Haarseite nach innen getragen wird. Über diesen ziehen sie im Winter einen bis an die Kniee reichenden Pelz, Parka, mit der Haarseite nach außen und in eine Kapuze endend. Ihre sehr unsaubern Wohnungen bestehen im Norden [* 4] aus einem mit Birkenrinde oder Fellen bedeckten Stangengerüst, im Süden aus vierseitigen Balkengebäuden, die äußerlich häufig einer russischen Bauernstube gleichen.
Sie leben hauptsächlich vom Fischfang und von der
Jagd auf Pelztiere. Das
Fleisch verzehren sie meist roh, und ein jedes
Tier
ist ihnen mundrecht; ihre
Werkzeuge
[* 5] fertigen sie noch aus
Knochen
[* 6] und
Stein, wie im Steinzeitalter. Eine
den Ostjaken
eigentümliche
Industrie ist die Anfertigung einer vorzüglichen, feinen sowohl als groben
Leinwand aus
Brennesseln,
die bei ihnen mannshoch wachsen. Die
Frau wird gekauft und immer als unrein angesehen; trotzdem ist ihre Behandlung bei
der Sanftmut der Ostjaken
keine schlechte.
Sie zerfallen in eine Menge Geschlechter oder Stämme, an deren Spitze ein Ältester steht (Starschina), der für Aufrechterhaltung der Ordnung zu sorgen hat. Getauft sind sie seit mehr als 100 Jahren; gleichwohl steht das Heidentum in vollster Blüte [* 7] bei ihnen, ihre Götzenbilder werden in besondern Jurten aufbewahrt. Sie sind militärfrei, entrichten aber der russischen Regierung eine Steuer (Jassok), die früher in Pelzwerk, [* 8] jetzt in Geld eingefordert wird, die sie aber bei ihrer großen Armut kaum zu zahlen im stande sind, da die Ausbeute der Jagd immer schwieriger und geringer wird.
Als die
Kosaken
Sibirien eroberten, konnten die Ostjaken
ihnen förmliche
Heere entgegenstellen. Sie hatten damals
eine nationale
Organisation und wohnten in regelmäßig angelegten
Städten. Allein bei dem 1501 unternommenen Kriegszug zerstörten
die
Russen 41 dieser
Plätze; man sieht noch heute die Reste einiger derselben im
Distrikt
Obdorsk. Jetzt wohnen sie in elenden
Dörfern, dem Trunk ergeben und an Zahl schnell abnehmend, da die
Ehen wenig fruchtbar, die Kindersterblichkeit
eine sehr große ist und
Hungersnot das
Volk oft heimsucht. Die
Sprache
[* 9] der Ostjaken
gehört zu der finnisch-ugrischen
Gruppe des uralaltaischen
Sprachstammes. Eine
Grammatik derselben verfaßte
Castrén (2. Aufl. von
Schiefner, Petersb. 1858).