Titel
Ostindien,
[* ] im weitesten Wortsinn Sammelname für den Teil Asiens vom südöstlichsten Winkel Persiens bis an die südwestl. Provinzen von China, der gegen N. von dem mächtigen Gebirgszuge begrenzt wird, als dessen Anfang der Elburs, als dessen Ende die Alpen in Jün-nan und als dessen mittlere Glieder die südl. Kette des Hindukusch und das Himalajagebirge zu betrachten sind. Hierzu kommen noch zahlreiche Inseln und Inselgruppen. Von den Alten schlechthin Indien (s. d.) genannt, erhielten diese Länder im Gegensatz zu Westindien (s. d.) den Namen Ostindien. Das Gebiet zerfällt in Vorderindien, Hinterindien und den Indischen Archipel. Über den letztern s. Malaiischer Archipel (nebst Karte). (Hierzu zwei Karten: Ostindien I: Vorderindien. Ostindien II: Hinterindien.)
I. Vorderindien oder Indien diesseit des Ganges bildet ein unregelmäßiges Viereck, dessen Ecken nach den vier Himmelsgegenden gerichtet sind, während die Seiten im N. vom Himalaja, im NW. vom Indus, hinter dem gleich das Hochland von Iran steil emporsteigt, im SO. vom Bengalischen Meerbusen und im SW. vom Arabischen Meere begrenzt werden. Dieses Viereck, von etwa 3575000
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qkm Flächenraum, zerfällt in zwei Hauptteile, die ungleich große Dreiecke bilden und durch eine Linie getrennt werden, welche sich von W. nach Ostindien, in gleicher Richtung mit dem Windhjagebirge laufend, von der Mündung des Indus zu der des Ganges erstreckt, nämlich in Hindustan und in den Dekan.
Hindustan, d. h. Land der Hindu, das nördl. Dreieck, etwa 1,9 Mill. qkm groß, ist größtenteils Tiefland, das nur am südwestl. Abfall des Himalaja und, in geringerm Grade, auf der Südseite, dem Nordabhang des Windhjagebirges, zum Gebirgsland wird, sonst aber eine einzige Ebene bildet. Hindustan besteht aus dem gesamten Stromgebiet des Ganges und der östl. Hälfte von dem des Indus (s. d.), welche durch keine bemerkbare Wasserscheide getrennt sind. Der Brahmaputra begrenzt den östlichsten Teil.
Während aber die Ebene des Ganges eine fruchtbare, wasserreiche Kulturfläche bildet, trägt das Land, das der Indus und dessen Zuflüsse auf seinem linken Ufer durchströmen, im ganzen dürftigen Boden, der nur im Pandschab teilweise gut angebaut, sonst aber auch von unfruchtbaren Sandstrecken durchzogen ist. Die bedeutendste ist die salzige Sandwüste Thar, die sich im O. des Indus in einer Breite von 150 bis 300 und in einer Länge von 750 km im N. des Ran, einer Morastniederung von 16500 qkm südöstlich vom Ausfluß des Indus, parallel mit demselben nordwärts ausdehnt.
Dekan oder Dekhan (engl. Deccan, verderbt aus Dakhan, bei den Griechen Dachinabades, im Sanskrit Dakschinâpatha, vulgär Dakhinâbadha, d. h. Südweg oder Land der Rechten), die eigentliche vorderind. Halbinsel, erstreckt sich in Gestalt eines Dreiecks nach S. bis zu seiner stumpfen Endspitze. Mit der geographisch zu ihm gehörenden Insel Ceylon (s. d.) hat es ein Areal von 1650000 qkm und ist (von den nur 25-30000 qkm einnehmenden Küstenebenen abgesehen) ein Hochland, dessen Scheitel von Randgebirgen begrenzt wird.
Den Nordrand bildet das Windhjagebirge (s. d.). Gegen S. fällt es steil zu dem Längsthal der Narbada ab, ebenso gegen W. nach der Mündung dieses Flusses in den Meerbusen von Cambay. Nur im O. hängt das Gebirge durch 700 m hohe Berge mit dem Innern des Dekan zusammen, während es von dort niedrige Fortsetzungen zum untern Ganges sendet. An diese Basis lehnt sich das eigentümliche Hoch- und Bergland Mittelindien, welches 5-800 m hoch ist und sich nordwärts zur Dschamma abstuft, der es den Tschambal und andere bedeutende Zuflüsse zusendet.
Der östl. Teil trägt den Namen Bundelkhand, seine Mitte Malwa, sein westl. Teil Mewar. Die nordnordöstlich vom Golf von Katschh nach Dehli hin streichende, 1040-1390 m hohe und meist sehr unwegsame Arawalikette trennt Mewar von der Tiefebene des nordwestl. Radschputana. Am Rande des westl. und des südöstl. Schenkels des den Dekan bildenden Dreiecks erheben sich die West- und Ostghat (s. Ghat) genannten Gebirge, die unter 12° nördl. Br. durch den Nilgiri (s. d.) verbunden sind, der südwärts ungemein steil zu einer Vertiefung (engl. Gap) abstürzt, dem Palghatthal, das die Küsten von Koromandel und Malabar miteinander verbindet. Im S. des Gap erheben sich die Anamalliberge von 1200 bis 2800 m, und füllen den ganzen Westen der Südspitze bis zu dem 1245 m hohen Kap Komorin (richtiger Kumari), ihrem südlichsten Vorgebirge unter 8° 4 1/3' nördl. Br. Die größern Flüsse des Dekan, mit Ausnahme der Narbada und der Tapti, entspringen am Ostfuße der Westghat, durchströmen sämtlich von NW. nach SO. die ganze Breite des Hochlandes, durchbrechen die Ostghat und bilden an ihren Mündungen in den Bengalischen Meerbusen bedeutende Niederungen; so die Mahanadi, Godawari, der Kistna oder Krischna und die Kaweri. Die steilen Westghat werden dagegen nur von kleinern Flüssen durchbrochen. Die Bewässerung ist überhaupt sehr reichlich und erzeugt allenthalben eine günstige Bodenbeschaffenheit.
Klima, Pflanzen- und Tierwelt. Das Klima der hindustan. Ebenen, ebenso das der untern erweiterten Stromthäler Hinterindiens sowie der niedern Küstenstriche des gesamten O.s ist ein anderes als das der höhern Berglandschaften, sowohl in beiden Halbinseln als auf den Inseln und in den südl. Abhängen des Himalaja. Jene niedern Gegenden sind ausgezeichnet durch alle meteorolog. Erscheinungen der Tropenwelt, durch schwüle Hitze, heftige Gewitter und Sturzregen.
Steigt man aus diesen tiefen Landschaften auf die Gebirge hinauf, so wird die Luft kühler und trockner und das eigentliche tropische Klima hört auf. Besonders gilt dies vom Plateau des Dekan. Man kennt daselbst weder tropische Glut noch Schnee und Eis. Die Jahreszeiten und das Klima des südlichen, innerhalb der Wendekreise gelegenen O.s werden in eigentümlicher Weise durch die Monsune (s. d.) bedingt. Der Südwestmonsun bringt Nebel, Schwüle und tropische Regengüsse für die Westküste Vorderindiens, wo die Westghat die Wetterscheide bilden, welche sich dem Weiterrücken der Wolken widersetzt.
Während diese daher an der Küste von Malabar sich niederschlagen und hier zwischen Mai und September die Regenzeit herrscht, hat die entgegengesetzte Küste von Koromandel ihre trockne, heitere Jahreszeit. Nur langsam schieben sich nach und nach die Wolkenmassen über die Westghat weg, und dann beginnen die Regen auf dem Plateau des Dekan. Endlich, am Ende des Südwestmonsuns, fängt die Regenzeit auf der Küste von Koromandel an und herrscht hier zwischen Oktober und Januar, während die von Malabar ihre trockne Jahreszeit hat und das Binnenlandplateau von einzelnen Regenschauern erfrischt wird.
Monats- und Jahresmittel einiger ind. Orte
(in Celsiusgraden):
Ort | Nördliche Breite | Seehöhe m | Jahresmittel | Kältester Monat | Wärmster Monat |
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Colombo | 6° 56' | 12 | 27 | 26,5 | 28,6 |
Madras | 13° 4' | 7 | 27 | 24,7 | 30,8 |
Wissagapatam | 17° 42' | 9 | 28 | 24,1 | 31,1 |
Kalkutta | 22° 32' | 6 | 24 | 18,1 | 28,4 |
Bombay | 18° 55' | 11 | 26,1 | 22,6 | 29,0 |
Nagpur | 21° 9' | 312 | 25,9 | 19,7 | 33,8 |
Allahabad | 25° 26' | 93 | 25,3 | 15,6 | 33,4 |
Pischawar | 34° 2' | 338 | 20,7 | 9,3 | 31,7 |
Rangun | 16° 46' | 12 | 26,4 | 24,3 | 29,1 |
Dardschiling | 27° 3' | 2107 | 12,3 | 4,9 | 16,7 |
Schimla | 31° 6' | 2119 | 12,6 | 4,5 | 19,7 |
Auch das Pflanzenleben zeigt im Tieflande und Hochlande eine wesentliche Differenz. In vier Regionen gliedert sich die Vegetation des Himalaja (s. d.). Wo die Bewässerung fehlt, verursachen sengende Winde ausgedörrte Wüsten, wie in den Ebenen längs des Indus und seiner linken Nebenflüsse. Diese Pandschablandschaften und Sindh gehören mit ihren Tamariskengebüschen und der Bablachakazie (Acacia arabica Willd.) mit euphratischem Pappelwald zu
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Belutschistan (s. d.) und Mesopotamien. Dagegen erreicht der Pflanzenwuchs in Bengalen und den fruchtbaren Niederungen und Küstengegenden der Halbinsel fast die Großartigkeit des in Brasilien. Hier ist das Vaterland der Aurantiaceen, der Citrone und Orange (s. Citrus), die Heimat des Gummibaumes (Ficus elastica L.), wie überhaupt die tropischen Feigen eine große Mannigfaltigkeit erreichen und Ficus religiosa L. zu den Charaktertypen des Landes gehört. Neben dem Zuckerrohr haben hier ferner die Zimmetbäume (Cinnamomum ceylanicum Nees und Cassia), die Banane, der Pfefferstrauch, die Zingiberaceengewürze Ingwer und Kardamom, endlich auch der Reis ihre Heimat; wenige dieser wichtigen Kulturarten lassen sich im gemäßigten Europa noch im Gartenbau fortpflanzen, unter ihnen Melone und Gurke.
Eine Fülle von Palmen wächst hier zwischen den vortrefflichen Nutzhölzern der Teak- (Tectona grandis L.), Sandel- (Santalum album L.) und Ebenholzbäume: die riesigen Corypha- und Caryotapalmen, die Gomuti (Arenga) und mehrere Sago liefernde Arten. Im Gegensatz zu den niedern Landen verlieren die Vegetation und mit ihr auch das Tierreich ihr vorherrschendes tropisches Gepräge, je höher man in die Gebirge hinaufsteigt. Die Kokospalme hört schon bei 3-500 m, die Banane bei 1000 m auf. Dagegen finden sich hier Waldungen von hochstämmigen, meist immergrünen Bäumen. Aber auch für Kulturpflanzen haben die höhern Gegenden, namentlich im Dekan, trefflichen Boden. Neben Kaffee und Baumwolle gedeihen hier die europ. Getreidearten und neben specifisch tropischen und Südfrüchten alle feinern Obstarten.
Die Tierwelt von Ostindien ist merkwürdig zusammengesetzt, indem afrik., europ.-mandschurische und echt ind. Elemente in ihr vorkommen. Im W., im Wüstenterrain, das südlich bis an den Wendekreis des Krebses, südöstlich bis an das Arawaligebirge, östlich ungefähr bis zum 77.° östl. L. und im N. bis zum Himalaja reicht, herrscht eine ausgesprochene Wüstenfauna, es treten auf: Gazellen, Wildpferde, Schakale, Hyänen und vielleicht der Löwe. An dieses Gebiet grenzt östlich ein zweites, an Wald und Dschungeln reiches, von ansehnlichen Strömen, allen voran vom Ganges durchströmtes. Es beherbergt Affen, den Tiger, Wildschweine, Hirsche, Zwergmoschustiere, Rinder, Elefanten, Nashörner, Schuppentiere u. s. w. Vögel sind zahlreich, desgleichen Reptilien, besonders Schlangen.
Die Ströme beherbergen außer zahlreichen Fischen Krokodile, der Ganges auch Haifische und einen merkwürdigen Delphin (Platanista gangetica Cuv.). Ein drittes Gebiet umfaßt die Spitze von Vorderindien vom 15.° nördl. Br. nach S. reichend mit Ceylon. Es ist, besonders durch das Hereinspielen malaiischer Elemente, reicher an Formen als die beiden andern Gebiete; so finden sich hier Halbaffen, Spitzhörnchen oder Tupajas, viele Vögel, verschiedene bloß hier vorkommende Schlangen und Eidechsen.
Das Nilgirigebirge hat in bedeutendern Höhen eine Fauna, die teilweise, besonders unter den Insekten, nordasiat. Elemente aufweist. Die Südabhänge des Himalaja schließen sich tiergeographisch dem hinterindischen, die Hochlande jenes Gebirges dem mandschurisch-chines. Faunengebiete an. Auf ganz Ostindien entfallen Vertreter von etwa 28 Familien von Säugetieren, 64 Familien von Vögeln, 19 von Schlangen, 7 von Eidechsen, 2 von Krokodilen, 2 von Schildkröten, 6 von Amphibien und 12 von Süßwasserfischen.
Die Bevölkerung von Britisch-Indien, das mit den neuen Erwerbungen über Vorderindien hinausgeht und auch Britisch-Ostindien oder Angloindisches Reich genannt wird, mit allen Lehnstaaten beträgt (1891) 287223431 E., d. i. eine Zunahme von 33 Mill. gegen 1881, und etwa 19 Proz. der Bevölkerung der Erde. Über die Verteilung auf die Landesteile s. die Tabelle auf Karte Ostindien I. Nach dem Geschlecht überwiegen die Männer mit 112 gegen 108 Mill. Frauen in den brit. Provinzen, mit 34 gegen 31 Mill. Frauen in den Staaten der Eingeborenen. Im eigentlichen Hindustan bilden den Hauptteil die arischen Inder oder eigentlichen Hindu (s. Inder), deren Sprachen und Dialekte vom Sanskrit abstammen. Im Dekan wohnen hauptsächlich Drâviḍa (s. d.), sowie Tamulen, Kanaresen, Telugu, Malabaren u. s. w. Neben beiden Gruppen besteht daselbst noch eine Anzahl von Volksstämmen, die in Sitte, Religion, Sprache und Körpergestalt von ihnen abweichen und wahrscheinlich als Überreste der frühern Ureinwohner anzusehen sind.
Dieselben sind wilder und roher, leben auch meistens in unzugänglichern Berg- und Waldgegenden. Zu den merkwürdigsten gehören die Bhil (s. d.), die Gond (s. d.), die Pahari, die Kol, die Wedda auf Ceylon (s. d.). Hieran schließen sich die Stämme im Himalaja (s. Himalajavölker, Newar, Bhot), die Dom im Gebirgslande Kumaon, die Bewohner von Baschahr, die Kanawari am obern Satladsch, die Leptscha, Murmi, Limbu u. s. w. (S. auch Indische Sprachen.) Nächst diesen, der allerältesten Bevölkerung angehörenden Stämmen giebt es noch mehrere in histor.
Zeit eingewanderte. Obenan stehen unter ihnen die Nachkommen der mohammed. Eroberer, teils mongol., teils pers.-türk. Ursprungs, die noch jetzt das Persische als Muttersprache reden. Auf sie folgen die eingedrungenen mohammedanischen, in Ostindien Rohilla genannten Afghanen, sowie die Araber in den Städten Malabars, in Calicut, Goa sowie in Gudschrat und Multan, deren mit Hindu erzeugte Nachkommen in Südindien Mappila (s. d.) genannt werden. Außerdem sind die Parßi zu nennen, sowie der Sage nach schon zur Zeit der Babylonischen Gefangenschaft eingewanderte Juden. Diese leben in verschiedenen Gegenden Malabars und heißen, zum Unterschied von den schwarzen Juden, die, wahrscheinlich von bekehrten Eingeborenen abstammend, über die ganze Halbinsel verbreitet sind, weiße Juden. Die einheimischen Christen in Vorderindien sind teils sog. Thomaschristen auf der Malabarküste, teils kath. Proselyten in den franz. und portug. Kolonialgebieten, teils durch Engländer und Deutsche bekehrte Protestanten.
Der Religion nach unterscheidet man 207 Mill. Hindu, 57 Mill. Mohammedaner, 9 Mill. unkultivierte Anhänger von Naturreligionen, 7 Mill. Buddhisten (in Birma), 2 Mill. Christen, 2 Mill. Sikh (im Pandschab), 1,4 Mill. Dschain, 89000 Parsen, 17000 Juden und 42000 andere. (S. die Tabelle auf Karte Ostindien I.) Der natürlichen Vermehrung steht eine Auswanderung der viel gesuchten ind. Arbeiter (s. Kuli) gegenüber, die 1885-86: 7979, 1890-91: 20085 und 1891-92: 16567 betrug. 75 Städte haben über 50000 E., darunter 6 über 200000, 28 über 100000 E. 40 zählen 35-50000, 109 zwischen 20 und 35000 E.
Die schon im grauesten Altertum hoch stehende specifisch ind. Kultur ist doch niemals zu voller
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harmonischer Entwicklung gelangt. Die Schuld hieran tragen teils das wiederholte Eindringen fremder mongol., hauptsächlich aber moslem. Völker und das von diesen den Hindu während vieler Jahrhunderte aufgelegte Zwangsjoch sowie die hierdurch häufig zerrütteten innern Verhältnisse, teils die, die Stabilität der geistigen Kultur so sehr begünstigende Landesreligion und die durch diese geheiligte Kasteneinteilung. Über die neuesten reformatorischen Bestrebungen s. Hindubewegung.
Aber ungeachtet aller Einwirkung fremder religiöser und civilisatorischer Kulturelemente, wie früher des mohammedanischen, seit dem 17. Jahrh. aber des christlich-europäischen, hat sich die uralte specifisch ind. Kultur zu erhalten gewußt, wenngleich mit Bezug auf Poesie, Skulptur und Architektur sowie auch hinsichtlich mehrerer Zweige der Industrie die Leistungen weit hinter die des Altertums zurücktreten. (S. Indische Kunst, Indische Litteratur, Indische Philosophie.)
Erwerbszweige. Der Ackerbau bildete seit ältester Zeit die Hauptbeschäftigung der Bewohner; gegenwärtig bethätigen sich an demselben 171 Mill. Menschen, in einigen Gegenden bis vier Fünftel der Gesamtbevölkerung, die Mohammedaner nicht ausgenommen. Der Boden ist überall, wo eine genügende Bewässerung stattfindet, überaus fruchtbar. Durch Errichtung besonderer Behörden und von Ackerbauschulen, Einführung neuer Kulturen und Methoden durch die Regierung sind Fortschritte erzielt worden. Eine Übersicht über die Anbauflächen (1893-94, in 1000 ha) der wichtigsten Erzeugnisse giebt folgende Tabelle:
Provinzen | Reis | Weizen | Andere Cerealien | Zuckerrohr | Thee | Baumwolle | Ölssaat | Indigo | Tabak |
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Bengalen | 15471 | 656 | 4713 | 439 | 45 | 81 | 1318 | 249 | 296 |
Nordwestprovinzen | 2039 | 1457 | 7108 | 430 | 3 | 513 | 361 | 141 | 28 |
Oudh | 1186 | 526 | 2633 | 106 | - | 19 | 105 | 6 | 7 |
Pandschab | 331 | 3362 | 5155 | 133 | 4 | 361 | 480 | 41 | 28 |
Unterbirma | 2099 | - | 11 | 4 | - | 4 | 12 | - | 13 |
Oberbirma | 492 | 8 | 407 | 1 | - | 56 | 161 | - | 9 |
Centralprovinzen | 1364 | 1593 | 2264 | 15 | - | 293 | 1043 | - | 9 |
Assam | 535 | - | 27 | 7 | 105 | 1 | 80 | - | - |
Adschmir | - | 15 | 131 | - | - | 26 | 18 | - | - |
Kurg | 31 | - | 1 | - | - | - | - | - | - |
Madras | 2718 | 8 | 6006 | 57 | 2 | 698 | 762 | 179 | 51 |
Bombay | 980 | 996 | 7093 | 35 | - | 1291 | 951 | 5 | 40 |
Berar | 15 | 376 | 1134 | 2 | - | 885 | 304 | - | 8 |
Pargana Manpur | - | 1 | 1 | - | - | 1 | - | - |
^[Additionslinie]
Zusammen | 27261 | 8998 | 36684 | 1229 | 159 | 4228 | 5596 | 621 | 489 |
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Kaffee wird in Madras und Kurg gebaut (5558 ha). Von der Gesamtfläche von 80 Mill. ha geben 11,4 Mill. zweimal Ernte im Jahr. Besonders wertvoll für 'die Hebung der Landwirtschaft sind die großen Anlagen für künstliche Bewässerung, die 1891-92 besonders durch den Gangeskanal, Sirhindkanal im Pandschab und die Systeme der Kaweri, des Kistna und der Godawari in Madras auf 3,7 Mill. ha. ausgedehnt war. Im N. giebt es nur Latifundien und Pachtsysteme, in Mittel- und Südindien nur kleinen Grundbesitz. In Madras sind beide Arten gemischt.
Forstwirtschaft und zwar unter deutscher Oberleitung besteht namentlich in Birma, den Centralprovinzen und in Bombay; im ganzen sind 1891-92: 162351 qkm vom Staat reserviert. Nirgends, außer in China, haben Hungersnöte so furchtbar gewütet wie in Ostindien, z. B. 1865-66, 1868-69 und 1876-78. Auch die Viehzucht beschäftigt einen großen Teil der Bevölkerung. Wichtig ist besonders die des Schafs und des Rindes. Die Schafe der Ebene liefern die gröbern, die der Berggegenden, namentlich des Himalaja, die feinern Sorten Wolle.
Der Bergbau nimmt dagegen nur einen kleinen Teil der Bevölkerung in Anspruch. Doch gewinnt man, abgesehen von etwas Waschgold und Silber, Eisen im Dekan, in Birma, Sindh, im Himalaja, im Distrikt Mungir am Ganges, das beste bei Portonovo südlich von Pondichéry; ferner Kupfer zu Khetri in Radschputana und in Singhbum an der Südwestgrenze von Bengalen; desgleichen Blei, Zinn, Kobalt, Alaun, Schwefel und Borax. Steinkohlen werden hauptsächlich in den Distrikten Birbhum (Suri) und Bardwan in Bengalen sowie im Narbadathale gewonnen. 1892 lieferten 87 Kohlenbergwerke mit 34902 Arbeitern 2,65 Mill. t. Salz wird in der sog. Salzkette des Pandschab sowie aus den Seen von Radschputana, aus dem Meere an der Küste von Madras und besonders in den Sundarban des Gangesdeltas in ungeheurer Menge gewonnen.
Für Edelsteine ist Ostindien von jeher ein Hauptland gewesen. Diamanten liefert jetzt nicht mehr Partial in der Gegend von Golkonda (s. d.), wohl aber das Bett der Mahanadi im nördl. Dekan sowie das des Kistna und Pennar im südl. Dekan und der Ort Puna in Bundelkhand. Rubinen, Berylle, Topase, Chrysolithe, Saphire, Smaragde, Amethyste, Granaten u. s. w. finden sich auf dem Plateau von Maisur und der Koromandelküste, schöner Jaspis, Achate und Karneole in Gudschrat. Die uralte Industrie hat durch den Aufschwung in Europa außerordentlich gelitten, namentlich die berühmten Baumwoll- und andere Webereien von Dhaka, Murschidabad, Surat u. s. w. Gleichwohl behaupten einige Zweige noch ihren alten Ruf. So die Shawls und Teppiche von Kaschmir, die Teppiche und Seidenzeuge von Multan und Benares, die Musseline verschiedener Art, die Stoffe und Tücher aus Madras und Masulipatam.
Auch blühen noch immer die Indigofabriken, Zuckersiedereien, Rum- und Arrakbrennereien, die Bereitung von Kokosnuß-, Kastor-, Lein- und Rosenöl, Lederfabrikation, Waffenschmieden, welche durch den Besitz des Wuzstahls und eine eigentümliche Bearbeitung des Eisens vorzügliche Waren liefern; sodann die Verfertigung goldener und silberner Juwelierarbeiten, die Emailarbeiten auf Gold und Silber in Multan, Haidarabad (Sindh) und Dschaipur, die Schnitzarbeiten aus Elfenbein, Eben- und Sandelholz, die Arbeiten in Perlmutter und Schildpatt, die Diamantschleifereien u. s. w. Daneben entwickelt sich allmählich der moderne Fabrikbetrieb. Es giebt 9 Papierfabriken;
Jute verarbeiteten (1894) 27 und Hanf 1 Betrieb mit zusammen 192688 Spindeln, Wolle 5 Betriebe mit 17320 Spindeln;
136 Baumwollspinnereien mit 3,54 Mill. Spindeln zählten durchschnittlich 130570 Arbeiter pro Tag;
Sodawasser wird in 76 Fabriken hergestellt;
die Eisengießereien liefern bis auf Achsen, Räder, Schienen und Stahlschwellen das gesamte Material für den Eisenbahnbau, in den Städten werden Dachziegel nach europ. Weise hergestellt;
die Seidenindustrie macht wenig Fortschritte.
Handel. Der große Produktenreichtum hat seit dem frühesten Altertum die handeltreibenden Völker nach Ostindien gelockt. Im Innern wird der Handel durch die Kaste der Banja(n) (Banjanen), wiewohl nicht mehr in gleichem Maße wie früher, betrieben. Sie
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befördern hauptsächlich die Landeserzeugnisse nach den Stapelplätzen. Der Küstenhandel betrug (1894-95) im ganzen 703 Mill. Rupien. Der Handel mit den nördl. Nachbarvölkern ist Karawanenhandel, welchen besonders Parßi, Pathanen und Armenier unterhalten. Dieser Landhandel betrug (1895) 81 Mill. Rupien in Ein- und Ausfuhr. Der Seehandel in den großen Häfen Kalkutta, Bombay sowie in Madras, Rangun, Karatschi ist überwiegend in den Händen der Briten, doch ist Ostindien längst ein wichtiges Gebiet des Welthandels geworden.
Der Wert des Seehandels hat sich in den letzten 60 Jahren vervierzehnfacht, besonders groß war der Aufschwung 1875-89. Die Einfuhr auf Rechnung der Regierung und Privaten betrug 1894-95: 831,1, die Ausfuhr 1171,4 Mill. Rupien, und zwar entfallen auf die fünf großen Handelsgebiete Bengalen, Birma, Madras, Bombay, Sindh in der Einfuhr 277, 35, 68, 368 und 48 und in der Ausfuhr 469, 98, 126, 415 und 62 Mill. Rupien. Gold wurde 1895 für 17,6, Silber für 78 Mill. ein- und für 67 und für 15 Mill. Rupien ausgeführt. Die wichtigsten Verkehrsländer (1895) sind:
Verkehrsländer | Einfuhr in Mill. Rupien | Ausfuhr |
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Großbritannien und Irland | 511 | 328 |
China | 26 | 125 |
Frankreich | 8 | 87 |
Deutschland | 17 | 77 |
Ägypten | 3 | 46 |
Vereinigte Staaten von Amerika | 11 | 58 |
Straits Settlements | 21 | 52 |
Belgien | 19 | 38 |
Ceylon | 5 | 33 |
Österreich-Ungarn | 12 | 24 |
Die wichtigsten Waren des Privathandels ind. Herkunft und ohne Berücksichtigung der Durchfuhr waren 1894-95:
Einfuhrwaren | Mill. Rupien |
---|---|
Baumwollwaren | 327 |
Metalle, Eisenkurzwaren | 63 |
Öle | 22 |
Seide | 23 |
Zucker | 29 |
Maschinen und Spindeln | 24 |
Provisionen | 16 |
Wollwaren | 15 |
Spirituosen | 15 |
Kleidungsstücke | 14 |
Kohlen | 15 |
Eisenbahnmaterialien | 16 |
Ausfuhrwahren | Mill. Rupien |
Baumwolle, roh | 87 |
Reis | 138 |
Ölsamen | 142 |
Opium | 91 |
Baumwolle, verarbeitet | 71 |
Weizen | 26 |
Jute, roh | 106 |
Thee | 76 |
Felle und Häute | 66 |
Indigo | 47 |
Jute, verarbeitet | 42 |
Kaffee | 21 |
Wolle, roh | 14 |
Gummilack | 14 |
Verkehrswesen. Es giebt 245000 km öffentliche Straßen; wichtige Verkehrsadern bieten die großen nordind. Ströme und im S. die Kanäle, großartig hat sich das Eisenbahnnetz entwickelt. Die ersten Bahnen waren die East-Indian- und die Great-Indian-Peninsula-Eisenbahn. Die Teilstrecke der letztern von Bombay nach Tannah wurde bereits eröffnet und kurz darauf die Strecke Kalkutta-Bardwan. Später entstanden die Bombay-Baroda-, die Madrasbahn, die Central-India-, die Sindh-Pandschab-Dehli- und die Oudh and Rohilkhandeisenbahn.
Von 350 km im J. 1855 hatte das Eisenbahnnetz 1873 sich bereits auf 9107 km ausgedehnt. Von 1874 ab entstanden unter Zusammenwirken des Staates und von Privaten jährlich 690-856 km, so daß 1880 schon 14777 km im Betriebe waren. Von 1880 ab traten hinzu die Linien, die sich durch Nordbengalen bis an die Berge von Dardschiling und an den Fuß des Himalaja fortsetzten (s. Himalajabahn), ferner die nördl. Panoschabbahn bis Pischawar, und südlich davon die Bahn von Sakkar am Indus nach Quetta, die South-Indian- und die große Radschputanabahn.
Die Eisenbahnen hatten die Länge von 30338 km, nämlich 14107 km im Besitz und Betrieb von Gesellschaften, 8652 km in dem des Staates, 4162 im Betrieb von garantierten und 656 km von unterstützten Gesellschaften und 95 km fremde Linien; der Rest gehört Eingeborenenstaaten. Der Staat hatte bis Ende 1894 für Eisenbahnbauten im ganzen 2552,5 Mill. Rupien verwendet. Befördert wurden (1894) 146 Mill. Reisende und 33 Mill. t Güter. Die Bruttoeinnahmen betrugen 255 Mill., die Nettoeinnahmen 135 Mill. Rupien, d. i. 5,69 Proz. des Anlagekapitals.
Mit dieser Entwicklung hat die der Post und der Telegraphen gleichen Schritt gehalten. 1856 bestanden 753 Bureaus und Briefkästen, 1894: 22853. Briefe, Karten, Zeitungen wurden 379 Mill. befördert. Die Länge der Telegraphendrähte betrug (1895) 222454 km. Im Küstenverkehr liefen 103003 Schiffe mit 11,2 Mill. t in die ind. Häfen ein; im ausländ. Handel 5309 Schiffe mit 4,16 Mill. t (3,4 Mill. t brit. Schiffe). Münzeinheit ist die Rupie (s. d.) = 16 Anna (s. d.) = 2 M., in Wahrheit aber infolge der niedrigen Silberpreise 1892-93 nur = 1,25, 1894 = 1, 1896 wieder = 1,25 M. Am wurde die freie Silberprägung in den Münzen zu Kalkutta und Bombay eingestellt. Der Versuch der engl. Regierung, die Rupie auf 16 d zu fixieren, blieb für den Handelswert derselben ohne Erfolg.
Verwaltung. Das Indobritische Reich steht unter dem Governor General of India, der meistens als Vicekönig bezeichnet wird und diesem Titel entsprechend auftritt und angesehen wird. Ihm steht ein ausführender Rat (Executive Council) zur Seite, dessen Mitglieder von der engl. Krone ernannt werden und in dem er selbst Sitz und Stimme hat, und ein gesetzgebender Rat (Legislative Council), der aus dem ausführenden Rat unter Zuziehung von 6 bis 12 vom Vicekönig ernannten Mitgliedern besteht. Ebenso wie der Vicekönig und sein ausführender Rat werden in England vom Könige ernannt die Gouverneure von Madras und Bombay, die Mitglieder ihres ausführenden Rates und die Lieutenant-Governors Bengalens, der Nordwestprovinzen und des Pandschab.
Der Vicekönig kann selbständig Krieg erklären und Frieden schließen, doch muß eine Kriegserklärung dem engl. Parlament innerhalb bestimmter Frist mitgeteilt werden. Gesetzentwürfe können nur unter Zustimmung des ausführenden Rates dem gesetzgebenden Rat unterbreitet werden, und der Vicekönig kann die Vorlage von Gesetzen, welche Finanzen, Religionsübung, Militärwesen und auswärtige Angelegenheiten betreffen, auch ohne die Ansicht des Rates einzuholen, verbieten. Er kann erlassenen Gesetzen seine Zustimmung ohne weiteres versagen, und in allen Fällen können die von ihm genehmigten Gesetze vom Staatssekretär wieder aufgehoben werden.
Den Präsidentschaften (Presidencies) Madras (Fort St. George) und Bombay ist eine gewisse Selbständigkeit bewahrt; ihre Gouverneure haben ebenso wie der Vicekönig den Beistand eines ausführenden und eines gesetzgebenden Rates, unter deren Mitwirkung sie Gesetze für das Gebiet der
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Präsidentschaft erlassen. Doch bedarf die Vorlage von Gesetzen über Finanzen, Münzwesen, Post- und Telegraphenwesen, Strafrecht, Religionsübung, Heerwesen, Urheberrecht und auswärtige Angelegenheiten der vorherigen Genehmigung des Vicekönigs. Auch kann derselbe ebenso wie der Staatssekretär in England bereits erlassene Gesetze wieder aufheben. Es besteht eine beständige Verbindung mit dem engl. Staatssekretär für Indien. Auch diesem steht ein von ihm selbst ernanntes beratendes Kollegium (Council of India) von 15 Personen zur Seite, unter denen 10 mindestens 10 Jahre in Indien verbracht haben müssen.
Dem engl. Parlament muß die Verwendung ind. Staatseinnahmen für militär. Operationen außerhalb Indiens zur Genehmigung unterbreitet, andere Angelegenheiten mitgeteilt werden. Auch ist es üblich, das ind. Budget dem engl. Parlament vorzulegen, wodurch Gelegenheit zu einer allgemeinen Debatte über ind. Angelegenheiten gegeben wird. Die höhern Beamten der Verwaltung und Rechtspflege werden (mit Ausnahme der Gouverneure und der Richter der Obergerichtshöfe) von den ind. Regierungen ernannt, müssen aber ihre Qualifikation in England nachweisen; diese wird alljährlich denen erteilt, die die Prüfung am besten bestanden haben. Indien hat seine eigene Armee (s. unten), doch werden auch engl. Truppen regelmäßig hingesandt.
Einen Gegenstand von großer Wichtigkeit für die Regierung bildet die Stellung der Länder der eingeborenen Fürsten (Native States of India), deren Anzahl, die kleinern Lehen mit eingerechnet, sich auf nahe an 500 beläuft. Diese Fürsten erkennen die Oberhoheit der engl. Regierung an, stehen aber zu ihr in verschiedenstem Verhältnis. Bei einigen, wie z. B. Baroda (s. d.), beschränkt sich das Verhältnis auf die bloße Anerkennung der engl. Oberhoheit; andere sind verpflichtet, dem Rate der engl. Regierung, die Residenten oder Agenten an ihren Höfen unterhält, mit Bezug auf die Verwaltung zu folgen; die meisten bezahlen Tribut und stellen Truppenkontingente zu der engl. Armee. Im Falle der Mißregierung kann das Oberste Gericht die Absetzung aussprechen.
Seit dem Sipahiaufstand 1857 hat die engl.-ind. Regierung sich zum Princip gemacht, die eingeborenen Fürsten möglichst für sich zu gewinnen. In diesem Sinne adoptierte sie die schon 1837 von Lord Metcalfe vorgeschlagenen Maßregeln: gab einerseits ihre frühere Annexionspolitik auf und garantierte andererseits allen größern sowohl als kleinern Lehn- und Vasallenstaaten ihr Fortbestehen. Demgemäß hat jetzt jeder dieser Fürsten, dem ein natürlicher Nachfolger fehlt, das Recht, sich einen solchen zu wählen, und dieses Recht ist auch, wenn nicht durch den Fürsten die Nachfolge vorgesehen wurde, der Bevölkerung zugestanden, in beiden Fällen freilich nur mit Bezug auf Personen, die der engl. Regierung genehm sind. Im allgemeinen spricht sich in der jetzigen Handlungsweise der engl. Regierung bezüglich der eingeborenen ind. Fürsten das Bestreben aus, aus ihnen eine Art von erblicher Peerage, gleich der englischen, zu bilden. Die 761 Städte des Landes haben eine ziemlich weitgehende Selbstverwaltung, die seit der Gesetzgebung von 1882 bis 1884 die Eingeborenen in verstärktem Maße heranzieht.
Einnahmen und Ausgaben betragen rund je 969 Mill. Rupien. Die drei wichtigsten Einnahmequellen der Regierung sind: Grundsteuer, Opium- und Salzmonopol, die 1895: 253, 73 und 87 Mill. einbrachten. Unter den Ausgaben erfordert das Heer am meisten (252 Mill.). Die Schuld zerfällt in die permanente Schuld in Indien (1894: 1055), die permanente Schuld in England (1081) und die unfundierte Schuld in Indien (137 Mill. Rupien).
Heerwesen. Das Heer besteht aus 1) engl. regulären Truppen, 2) Freiwilligen und 3) Eingeborenen, bei denen die Offizierstellen meist mit Engländern besetzt sind. Im J. 1895 umfaßte es an engl. Offizieren: 3 Generale, 6 Generallieutenants, 18 Generalmajore, 33 Oberstlieutenants mit Oberstengehalt, 362 Oberstlieutenants, 210 Majore, 634 Hauptleute, 841 Lieutenants, zusammen 2107 Offiziere als Indian Staff Corps, dazu noch 269 Probationers (Offiziere zur Probedienstleistung). An Truppen zählte die Armee:
1) Englische reguläre: 53 Bataillone, 36 Eskadrons, 42 Feld-, 11 reitende, 9 Gebirgs- und 27 Festungsbatterien sowie 1 Pioniercompagnie.
2) Freiwillige: 37 Bataillone und 19 Compagnien, 40 berittene Troops, 2 Feld- und 5 Festungsbatterien.
3) Eingeborene: 134 Bataillone, 153 Eskadrons, 4 Feld-, 8 Gebirgs- und 1 Festungsbatterie und 21 Pioniercompagnien. Die Stärke betrug bei den engl. regulären Truppen: 74786 Mann, 11295 Pferde und 396 Geschütze. Diese Truppen waren wie folgt verteilt:
A. Bengalen und Pandschabgrenzkorps: 33 Bataillone, 24 Eskadrons, 51 Batterien, 1 Pioniercompagnie;
dazu an Freiwilligen 16 Bataillone, 35 Troops, 5 Batterien und 17 Compagnien;
an Eingeborenen 64 Bataillone, 91 Eskadrons, 7 Batterien, 8 Pioniercompagnien, zusammen: 113 Bataillone, 115 Eskadrons, 63 Batterien, 9 Pioniercompagnien, 17 Compagnien und 35 Troops.
B. Madras: 11 Bataillone, 8 Eskadrons, 15 Batterien;
dazu Freiwillige 15 Bataillone und 2 Compagnien, 3 Troops;
Eingeborene 32 Bataillone, 12 Eskadrons, 8 Pioniercompagnien;
zusammen: 58 Bataillone, 20 Eskadrons, 15 Batterien, 8 Pioniercompagnien, 2 Compagnien und 3 Troops.
C. Bombay: 9 Bataillone, 4 Eskadrons, 23 Batterien;
dazu Freiwillige 6 Bataillone, 2 Troops, 2 Batterien;
Eingeborene 26 Bataillone, 28 Eskadrons, 2 Batterien, 5 Pioniercompagnien;
zusammen 41 Bataillone, 32 Eskadrons, 27 Batterien, 5 Pioniercompagnien und 2 Troops.
D. Haidarabad: Eingeborene 6 Bataillone, 12 Eskadrons, 4 Batterien.
E. Centralindien: Eingeborene 6 Bataillone, 10 Eskadrons.
Hierzu kommen etwa 30000 eingeborene Feuerwerker und Train; das militärisch organisierte Polizeikorps beträgt 190000 Mann mit teilweise engl. Offizieren. Vortrefflich ist die großenteils mit eigenen Pferden berittene leichte ind. Kavallerie; auch die ind. Infanterie ist gut ausgebildet, doch ist ihre Leistungsfähigkeit im Kriege durch die Anwesenheit engl. Offiziere bedingt. Aus dem Indian Staff Corps erfolgt die Zuteilung an Offizieren nach Bedarf und häufig auch die Besetzung von Civilstellen der Verwaltung. Das Korps ergänzt sich aus den Indian Cadets des Sandhurst College und aus jungen Offizieren der engl. Armee, die mindestens ein Jahr in Indien gewesen sein müssen. Die Infanterieregimenter bestehen aus 8 Compagnien, deren je vier ein Halbbataillon bilden, tragen rote, grüne oder graue Waffenröcke, weite Pluderhofen, farbige Gürtel, wollene Mützen oder Turbans. Nachdem
0755a Ostindien II: Hinterindien
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die brit. Truppen in Indien mit dem Magazingewehr ausgerüstet sind, haben sämtliche ind. Regimenter im Laufe der letzten Jahre Henry-Martini-Gewehre erhalten. Die Kavallerieregimenter sind meist mit Lanze (zuweilen nur das erste Glied), Karabiner oder Pistole oder Säbel bewaffnet und tragen Reiterstiefeln, verschiedenfarbige, langschößige Blusen und Turbans; die irregulären Reiterregimenter tragen Nationaltracht und werden von eingeborenen Offizieren befehligt.
Die Kavallerie remontiert sich aus Belutschistan, Afghanistan und Kaschgar, bezieht jedoch auch Pferde aus den ind. Landgestüten. In Adschmir besteht ein besonderes, mit Kamelen berittenes Ordonnanzkorps (Camel Sowars). Die wenigen leichten Feld- und Gebirgsbatterien werden aus Europäern und Gebirgsbewohnern ergänzt und von Engländern befehligt. Die Gebirgsbatterien führen 4 siebenpfündige Stahlgeschütze von 200 Pfd. Gewicht. Die eingeborenen Offiziere gehen aus den Unteroffizieren hervor.
Stäbe, taktische Ausbildung und Organisation im Kriege sind entsprechend wie in der brit. Armee. Eine Infanteriebrigade besteht in der Regel aus 1 brit. und 3 eingeborenen Bataillonen. Die Befehlsverhältnisse der drei Armeen haben seit dem Weggang des bisherigen Oberkommandierenden, Generals Roberts, eine Änderung erfahren. Während die Armeen von Madras und Bombay bisher unter direkter Oberaufsicht der bezüglichen Verwaltungspräsidenten standen, sind sie aus diesem Verhältnis heraus dem direkten und alleinigen Oberbefehl des Oberkommandierenden, Befehlshabers der Armee von Bengalen, General White, unterstellt worden.
Die ind. Truppen verursachen nur verhältnismäßig geringe Ausgaben. Im Durchschnitt betrugen die Heeresbudgets der neuesten Zeit wenig über 21 Mill. Pfd. St., in dem Budget für 1893/94: 23,01 Mill. Pfd. St. Die Unterhaltungskosten (Sold, Bekleidung, Ausrüstung, Krankenpflege u. s. w.) eines Infanteriebataillons stellen sich im Frieden auf 183651, eines Kavallerieregiments auf 327816 Rupien jährlich. Nach Abzug der hohen Besoldungen und sonstigen Bezüge der brit. Offiziere kostet durchschnittlich ein ind. Soldat, einschließlich der ind. Offiziere, jährlich bei der Infanterie 225 M., bei der Kavallerie mit Einschluß der Remontierung 651 M. Aber der ind. Soldat steht sich dabei doch erheblich besser und ist besser verpflegt, bekleidet und untergebracht als der Arbeiter, und genießt noch mancherlei andere Vorteile, unter anderm freie Eisenbahnfahrt bei Beurlaubung, Soldzulagen beim Weiterdienen. Die ind. Offiziere beziehen zwar viel geringeres Diensteinkommen als die britischen, sind jedoch ungefähr so wie der wohlhabendere Bürgerstand gestellt. Sowohl die Offiziere wie die Mannschaften sind deshalb zufrieden, und es würde leicht eine bedeutend größere Zahl tauglicher Ersatzmannschaften in Indien angeworben werden können, falls die Regierung eine Verstärkung des Heers für notwendig halten sollte.
Die Kriegsflotte für Britisch-Indien zählte Ende 1895 folgende Schiffe: 2 im J. 1870 gebaute zweitürmige Panzermonitors, 2 Torpedobootzerstörer, 1890 und 1891 erbaut, 7 Torpedoboote erster Klasse, 1 Radaviso, 8 Truppentransportschiffe, ferner 9 Raddampfer, darunter 1 Jacht, 3 Flußdampfer, 1 Vermessungsschiff, 2 Schlepper und 2 Flußkanonenboote mit Heckrad.
Unterrichtswesen. Von der Gesamtbevölkerung waren 246 Mill. erwachsene Analphabeten, 3,19 Mill. wurden unterrichtet, für 25 Mill. fehlte der Ausweis. Die Bemühungen der Regierung, der städtischen Behörden und Privaten zeigen sich am deutlichsten in dem Anschwellen der Ausgaben für öffentlichen Unterricht, diese betrugen 1858: 394000, 1865: 671000 und 1893/94: 32,5 Mill. Rupien. Seit 1883 versucht man die Gründung von Privatschulen zu fördern, Mädchenschulen, die bisher vernachlässigt waren, und solche für Mohammedaner, die fast ganz fehlten, zu errichten.
Doch sind die Erfolge noch sehr gering; nur etwa 21 Proz. der Knaben und etwa 2,2 Proz. der Mädchen im Schulalter haben Unterricht. Es bestehen für Knaben 91785 Primär-, 4665 Sekundär- und 575 höhere Fachschulen mit mediz., gewerblichen, technischen Kursen u. s. w. Für Mädchen sind die Ziffern 5613, 432 und 53. Dazu kommen 42822 und 1489 Privatunternehmungen. Auch hat man Normalschulen als Lehrerseminare errichtet. Die fünf Universitäten in Kalkutta, Bombay, Madras, Allahabad und im Pandschab sind nur Prüfungsbehörden, denen aber zahlreiche Colleges (152 für männl., 4 für weibl. Studenten) affiliert sind. (S. auch Hindubewegung.)
Zeitungswesen. Die Presse hat in der neuesten Zeit einen bedeutenden Aufschwung genommen. In ganz Ostindien erscheinen ungefähr 1180 Zeitschriften, Zeitungen, Magazine u. s. w. An eigentlichen Zeitungen werden 750 gezählt. 290 Zeitungen werden in engl. Sprache gedruckt, während gegen 547 in den verschiedenen Landessprachen erscheinen, hauptsächlich in Hindustani, Mahrati, Tamil, Urdu, Telugu und einige in Sanskrit und in arab. Sprache. Ungefähr 60 Zeitungen sind zweisprachig.
Die engl. Zeitungen stehen der Bedeutung und der Auflage (2-4000) nach obenan. Sie werden mit wenigen Ausnahmen von Engländern redigiert. Einige stehen unter ind. Leitung, z. B. «The Indian Mirror» in Kalkutta, und dienen dann meistens der Opposition. Die leitende Stelle nimmt die Presse von Kalkutta ein, besonders: «The Calcutta Englishman», 1821 als «John Bull in the East» begründet, und die seit 1864 erscheinenden «Indian Daily News». In Bombay sind die «Bombay Gazette» und die «Times of India» die täglichen Zeitungen. In Puna erscheint täglich «The Deccan Herald and Daily Telegraph» und «The Poona Observer». Im Pandschab giebt es nur eine tägliche engl. Zeitung «The Tribune» (1500 Exemplare).
Die 1868 gegründete «Madras Mail» und die 1856 ins Leben getretene «Madras Times», «The Allahabad Morning Post» und der 1856 begründete «Allahabad Pioneer'» sind tägliche Blätter. In Dehli erscheint die tägliche «Delhi Gazette» und in Lakhnau dreimal wöchentlich der «Lucknow Express». Diese angloind. Blätter, obwohl verschiedener Parteirichtungen, sind regierungsfreundlich. Die ind. Blätter («The Vernacular-Press») sind durchweg regierungsfeindlich und antienglisch.
«Indien für die Indier» ist ihr Schlachtruf. Meistens sind diese Blätter der Billigkeit und der umständlichen Schriftzeichen halber nur lithographiert. Beinahe allwöchentlich entstehen und vergehen neue Blätter. Nur 30 dieser Blätter haben Auflagen von über 2000 Exemplaren. Sie erscheinen meist einmal wöchentlich. Das wichtigste Blatt für die Eingeborenen ist der «Bangabasi» in Kalkutta (angeblich 20000 Exemplare). In Bombay ist der 1851 begründete «Rast Goftar» sehr angesehen
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(5000 Exemplare). Vorzüglich redigiert ist der unparteiische, in Lakhnau erscheinende «Oudh-i-Akbar» sowie die «Achbar-e 'amm» in Lahaur.
Von religiösen Blättern in engl. Sprache sind anzuführen: «The Indian Christian Herald», «The Mahomedan Observer», «The Indian Freemason» in Kalkutta;
«The Catholic Examiner» in Bombay.
Fachblätter sind: «The Indian Jurist» in Madras, «The Planter's Gazette» in Kalkutta, «The Indian Statesman» in Madras, und täglich in Lahaur erscheinend «Civil and Military Gazette». Von Zeitschriften, teils monatlich, teils vierzehntägig und vierteljährlich, sind die bekanntesten: «The Bangalore Spectator», «The Voice of India» (beide monatlich),
ferner «The Indian Review» in Kalkutta;
«The Indian Annals» in Bombay, «The Indian Church Quarterly Review» in Kalkutta, «The Indian Journal of Arts, Science and Manufactures» in Madras und «The Indian Law Magazine» in Bombay.
Litteratur zur Geographie und Statistik. Thornton, A Gazetteer of the territories under the governement of the East-India Company (2. Aufl., Lond. 1857);
H., A. und R. von Schlagintweit, Results of a scientific mission to India and High-Asia, undertaken between the years 1854 and 1858 etc. (4 Bde., mit Atlas, Lpz. 1860-66);
Schlagintweit-Sakünlünski, Reisen in Indien und Hochasien (3 Bde., Jena 1869-72);
Duncan, Geography of India (Madras 1876);
Haeckel, Indische Reisebriefe (3. Aufl., Berl. 1893);
Mantegazza, India (2 Bde., deutsch Jena 1885);
Werner, Das Kaiserreich Ostindien (ebd. 1884);
Baden-Powell, The land systems of British India (3 Bde., Oxf. 1892);
Oldham, A manual of the geology of India (Kalk. 1893);
die Reisehandbücher von Murray, Bradshaw.
Das wichtigste Werk ist: Hunter, The Imperial Gazetteer of India (14 Bde., 2. Aufl., Lond. 1885-87), wovon Bd. 6 als The Indian Empire (2. Aufl., ebd. 1893) separat erschienen ist. Constable, Hand Atlas of India (Westminster 1893); Johnston, Atlas of India (1:325000; Edinb. und Lond. 1894).
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II. Hinterindien ist von Meridiangebirgen durchzogen, die vom östl. Tibet her durch die Halbinsel streichen, im N. durch tiefe Längsthäler voneinander geschieden, aber im einzelnen noch ungenügend erforscht sind. Nicht einmal der Ursprung der großen Ströme ist mit voller Sicherheit festgestellt. Malaka ist als eine landfest gewordene Insel anzusehen. Jetzt ist das Land im W. in engl. Besitz und wird zu Britisch-Indien gerechnet. (S. Assam, Birma, Manipur, Malaka und Straits Settlements.) Die selbständigen oder von Frankreich abhängigen Teile sind unter Annam, Siam, Cochinchina, Kambodscha und Tongking behandelt.
Entdeckungsgeschichte. Während Britisch-Indien, insbesondere Vorderindien genau erforscht und topographisch aufgenommen ist, ist Hinterindien von allen Ländern Asiens den Europäern am spätesten bekannt geworden; am thätigsten waren dabei Missionare und polit. Agenten. Die erste Karte von Annam und Cochinchina, aus dem J. 1635, rührt von dem Pater Alexander de Rhodes her. Am Ende des 17. Jahrh. hatte nur Siam noch Beziehungen zu Europa. Erst durch die Reisen Tochards 1685 und 1687 erfuhr man, wie fehlerhaft die Längenbestimmungen des Ptolemäus für diese Länder seien.
Erst am Ende des 18. Jahrh. wurden die Küstenumrisse genauer aufgenommen. Colonel Symes kam 1795 als Gesandter nach Ava, 1821 John Crawfurd in gleicher Eigenschaft nach Hue und 1826 nach Ava. Lieutenant MacLeod drang 1837 zu Lande zur Hauptstadt von Laos, Xiang-tong, vor. 1824 eroberte England Arrakan, 1852 Pegu; darauf folgte 1855 die Gesandtschaft Phayres nach Amarapura; den Bericht darüber schrieb der Gesandtschaftssekretär H. Yule (s. d.). Unter den kath. Missionaren, die um diese Zeit thätig waren, sind zu nennen Pallegoix, Miche, Combes, Bigandet, Taberd und Bouillevaux. 1861 erforschte Mouhot, von Bangkok ausgehend, den Me-kong bis Luang Prabang, 1862 wurde die franz. Niederlassung an der Mündung des Flusses gegründet, 1864 das Protektorat auf Kambodscha ausgedehnt. A. Bastian (s. d.) bereiste 1861-63 Birma, Siam, Kambodscha und Cochinchina. Das bedeutendste Unternehmen war die franz. Expedition zur Erforschung des Me-kong, welche unter de Lagrée und nach dessen Tode unter Garnier 1866-68 von Cochinchina den Me-kong aufwärts bis nahe an die chines. Grenze verfolgte, dann durch Jün-nan zum Jang-tse-kiang ging und 1872 zurückkehrte. Garnier wurde bei Untersuchung des Tongkingflusses ermordet. Harmand besuchte 1875 Kambodscha, 1876-77 die Laoländer.
Das Bestreben der Engländer, einen Landweg für den Handel zwischen Indien und China aufzufinden, hat zu mehrern Forschungsreisen Anlaß gegeben, unter denen hervorzuheben sind die von Williams 1867, Sladen 1868, Cooper 1868 und 1870, Lowndes 1871, Browne 1874, Margary 1874-75, MacCarthy 1877. Die weitere Erforschung haben sich ganz besonders die Franzosen angelegen sein lassen. Dutreuil de Rhins erforschte 1876-77 die Küste des Reichs Annam und ganz besonders die Umgegend von Hue;
den Song-ka, den Hauptfluß von Tongking, untersuchten Dupuis 1870 und Kerjaradec;
Harmand überschritt 1877 als erster europ. Forscher die Wasserscheide zwischen dem Me-kong und der chines. Südsee;
Neis und Gautier bereisten 1880-82 die Gebiete der Moï-Stämme zwischen Annam, Siam und Cochinchina.
Aumoitte ging Juli und Aug. 1881 in Tongking von Ha-noi über Langson nach That-ke; 1882 durchwanderten die Missionare Blanck, Cudrey und Satre das Land Tran-Ninh (Trane-Ningh), westlich vom südl. Tongking. Prud'homme bereiste 1882 das südl. Kambodscha; Aymonnier den zwischen dem Me-kong und dem großen See Bien-ho belegenen wenig fruchtbaren Teil dieses Landes und 1883/84 die Lao. In Siam drang 1881-82 Bock von Bangkok bis Xieng-mai vor. Neiß erforschte seit Ende 1882 die Gebiete zwischen dem Me-kong, Tongking und der chines. Provinz Jün-nan und kehrte im April 1884 nach Bangkok wieder zurück. 1884 bereiste Holt Hallet von Malmen aus die Schan-Gebiete. 1882-84 wurde Tongking von den Franzosen, 1886 das Königreich Birma von den Briten erobert. Colquhoun untersuchte seit Juli 1886 die Grenzstriche zwischen Oberbirma und Assam. 1893 trat Siam das linke untere Me-kong-Ufer an Frankreich ab. Seit 1894 wurde die Festlegung der Grenze zwischen Oberbirma und China begonnen. Der Plan, die Halbinsel Malaka im Isthmus von Krah zu durchstechen, um die Fahrt von Vorderindien nach China abzukürzen, veranlaßte Deloncle und Harmand sowie Fraser und Forlong zu Untersuchungen an dieser Stelle.
Geschichte Ostindiens. Die älteste Geschichte von Vorderindien ist durchaus dunkel. Die
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Sanskritlitteratur bietet von der ältern Vergangenheit nur mythische Überlieferungen. Den ersten, einigermaßen festen Punkt in der ind. Chronologie bezeichnet Buddhas Tod (gegen 480 v. Chr.); frühern Perioden lassen sich nur vermutungsweise Grenzen innerhalb mehrerer Jahrhunderte anweisen. Bekannt ist, daß aus den Gebirgsländern im Nordwesten von Indien ein Volk kaukas. Abstammung (Arier, s. d.) in die niedern Gegenden hinabstieg, die Ureinwohner unterwarf und höhere Bildung unter ihnen verbreitete.
Nach den astron. Untersuchungen H. Jacobis fällt diese Einwanderung der Arier vor das Jahr 4000 v. Chr. Aus der Vermischung dieser verschiedenen Völker entstand das heutige Hinduvolk. Die religiöse Anschauung war im Anfang eine Art von Naturdienst, reiner und geistiger als später, nachdem sie, unter schärferer Ausbildung des Kastenwesens, in einen vielgestaltigen Götzendienst entartet war. In der frühesten Periode war Hindustan in eine große Anzahl einzelner Staaten geteilt, wie Ajudhja, Magadha u. a., an deren Spitze Radschas, d. i. Könige, Fürsten, standen, von denen oft mehrere zusammen einem Oberkönig oder Maharadscha gehorchten.
Die Brahmanen oder Priester, als Abfasser und Bewahrer der Gesetze, hatten von den ältesten Zeiten an einen großen und unheilvollen Einfluß auf die Gestaltung des Staatswesens und die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten. Religiöse Bewegungen, wie z. B. das Aufblühen des Buddhismus, veranlaßten von Zeit zu Zeit große Aufregung der Gemüter. Religion und Kultur wurden von Hindustan aus nach dem Dekan und nach Ceylon, auch in andere Länder, so z. B. nach den Inseln Java und Bali, verpflanzt.
Die Griechen besaßen lange nur unbestimmte Nachrichten über Indien. Erst seit dem Kriegszug Alexanders d. Gr. (326 v. Chr.) wurde Ostindien ihnen bekannter. Seit dieser Zeit bestand zwischen den Griechen und Indien Handel zur See und Karawanenhandel über das Schwarze Meer und Vorderasien, auch über Ägypten. Nach Alexanders d. Gr. Tode herrschte der ind. König Sandrakottus (sanskr. Tschandragupta) über die ganze Gegend vom Indus bis zum Ganges. Seleucus Nikator, der König von Syrien, drang gegen ihn angeblich bis nach Palimbothra (Patna) am Ganges vor, und der Enkel des Seleucus Nikator, Antiochus Theos, schloß mit dem Enkel Tschandraguptas, dem berühmten buddhist.
König Asoka, 256 v. Chr. einen Vertrag. Im nächsten Jahrhundert eroberte Eukratides das heutige Haidarabad in Sindh und sandte Expeditionen nach Katschh und Guzerat (181-161 v. Chr.); am weitesten aber nach Indien hinein wurde das Baktrisch-Griechische Reich (um 100 v. Chr.) von dem König Menander ausgedehnt. Mit dem Verfall jenes Reichs gingen auch die ind. Grenzprovinzen der griech. Herrschaft verloren, aber der griech. Einfluß auf Indien ist seit jenen Zeiten sehr merklich. Später traten auch die Römer mit Indien in Verbindung, und mehrere ind. Gesandtschaften an röm. Kaiser werden erwähnt.
Vom ersten vorchristl. bis zum Ende des zweiten nachchristl. Jahrhundert währte die Fremdherrschaft der Çakas oder Indoskythen, eines turanischen Volksstammes, über Nordindien. Von diesen dem Buddhismus anhängenden Fürsten war der bedeutendste Kanishka oder Kanerki (im 1. Jahrh. n. Chr.). Verhängnisvoll für Indien war das Auftreten des Islam mit seiner fanatischen Kriegslust, infolgedessen vom 11. Jahrh. an eine Reihe Eroberer in Indien eindrangen, die eigentümliche Kulturentwicklung störten, die Unabhängigkeit der nördl. Staaten vernichteten und fremde politische, religiöse und sociale Elemente zur Geltung brachten.
Nur in dem südlichern Dekan erhielten sich unabhängige ind. Dynastien, während das eigentliche Hindustan seitdem, einzelne Teile ausgenommen, nie wieder zur Unabhängigkeit gelangte. So herrschten in Indien die mohammed. Dynastien der Ghasnewiden, der Ghuriden, mehrerer afghan. Eroberer und diejenige Timurs, bis endlich Babar, ein Nachkomme Timurs, 1526 das Reich der Großmoguls (s. d.) gründete, das in der Zeit seiner Blüte unter Akbar und Aurangseb ganz Hindustan und den größten Teil vom Dekan umfaßte. Die Residenzen der Moguls waren Dehli und Agra. Es gab unmittelbare, von Nawwabs regierte, und mittelbare, eigenen Radschas erblich unterworfene Provinzen, die dem Mogul nur tributär waren.
Im Anfang des 16. Jahrh. hatten die Portugiesen unter Almeida und Albuquerque auf den Küsten Indiens bedeutende Besitzungen (s. Goa) erworben, mit denen sie fast 100 Jahre den ostind. Handel beherrschten. Zu Anfang des 17. Jahrh. traten die Niederländer an ihre Stelle und eigneten sich den Alleinhandel mit Ostindien für längere Zeit an. Fast gleichzeitig mit den Niederländern traten auch die Engländer als Mitbewerber um die Vorteile des Handels mit Ostindien auf, und 1600 fand die Stiftung der Englisch-Ostindischen Compagnie statt. (S. Ostindische Compagnien.) Auch den Franzosen gelang es, in Ostindien einige Territorialbesitzungen mit dem Hauptort Pondichéry zu erwerben.
Mit ebenso viel Gewandtheit und Beharrlichkeit als Glück verfolgte anfangs der franz. Gouverneur Dupleix seinen Plan zur Vertreibung der Engländer. Allein seine Regierung unterstützte ihn nicht, rief ihn 1754 ab, und so gingen für die Franzosen im Frieden zu Paris (1763) alle von Dupleix im Süden der Halbinsel errungenen Früchte wieder verloren. Zu gleicher Zeit war auch ein Umschwung der Dinge in Bengalen erfolgt. Müde der Bedrückungen, die sich Siradsch ud Daula, der halb unabhängige Nawwab des im Verfall begriffenen Reichs des Großmoguls erlaubte, und gereizt durch einen Überfall, bei dem Kalkutta erobert wurde und 123 Engländer in einem Kerker, dem «Schwarzen Loch» (black hole), umkamen, griffen die Engländer zu den Waffen, und besiegten zuerst unter Clive bei Plassy dann in mehrern Feldzügen den Feind so völlig, daß sich ihre Herrschaft am untern Laufe des Ganges ebenso sehr erweiterte als befestigte. So wurde Lord Clive der Begründer der engl. Macht in Ostindien. Nach dem Tode Aurangsebs 1707 folgten diesem binnen 50 Jahren nicht weniger als 12 Herrscher auf dem Thron zu Dehli.
Hierdurch kamen Anarchie und Empörung an die Tagesordnung, und mehrere der das Reich des Moguln bildenden Völkerschaften machten sich mit ihren Statthaltern oder tributären Fürsten unabhängig; so der Nisam (Statthalter) von Haidarabad, der Nawwab von Oudh u. s. w. Die Sikh bildeten im Pandschab das Reich von Lahaur (engl. Lahore). Den Löwenanteil aber nahmen die Mahratten (s. d.), die schließlich den Großmogul selbst in ihre Gewalt bekamen und so die wahren Herren Indiens waren. Der Großmogul durfte als Titularkaiser seinen Hofstaat in Dehli behalten und bekam von den Mahratten eine Rente. Die Macht der Mahratten wurde 1761 durch den Afghanen Ahmad
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Schah (s. d.) in der Schlacht bei Panipat gebrochen, und nun stritten sich Engländer und Franzosen um die Herrschaft. Ein mohammed. Heerführer Haidar Ali (s. d.) hatte sich zum Sultan von Maisur gemacht und suchte mit den Franzosen im Bunde die Engländer aus Südindien zu vertreiben. Der Nisam von Haidarabad und die Mahratten traten ebenfalls auf die Seite der Franzosen. Nur der Klugheit und Energie des engl. Generalgouverneurs Warren Hastings verdankte die Compagnie ihre Rettung. Er bewog die Mahratten zu einem Separatfrieden, und Tipu Sahib (s. d.), der Sohn und Nachfolger Haidar Alis, mußte 1784 mit der Britisch-Ostindischen Compagnie Frieden schließen.
Lord Cornwallis, zweiter Nachfolger von Warren Hastings, sah sich durch Tipu Sahibs Verhalten genötigt, gegen diesen den Kampf wieder aufzunehmen. Dieser Krieg (1789-92) kostete dem Sultan von Maisur die Hälfte seiner Besitzungen. In großer Zahl kamen franz. Emissäre und Offiziere nach Ostindien, um die Truppen der den Engländern feindlich gesinnten ind. Fürsten militärisch zu disciplinieren. Auch die Expedition Napoleons nach Ägypten war im Grunde gegen die engl. Machtstellung in Indien gerichtet.
Marquis Wellesley, der neue Generalgouverneur (1798-1805), begriff die drohende Gefahr. Er gewann zunächst den Nisam zu einem für die Engländer sehr vorteilhaften Vertrag. Tipu Sahib brach darauf los, aber zu früh, und verlor Thron und Leben tapfer kämpfend auf den Wällen seiner Hauptstadt Erirangapatan Noch standen den Engländern die Mahratten drohend entgegen, aber innere Parteiung und ihre furchtbare Niederlage bei Panipat durch die Afghanen brachen ihre Kraft. Ende des 18. Jahrh. brachen die langwierigen Kriege mit ihnen aus, die 1818 mit ihrer völligen Unterwerfung endigten, so daß die Engländer seitdem ihre Herrschaft über Indien gefestigt sahen.
Nur der Radscha von Nepal, die Emire von Sindh, der Maharadscha von Lahaur und der Maharadscha Sindhja blieben noch unabhängige ind. Fürsten. Der 1824 zwischen der Compagnie und den Birmanen ausgebrochene Krieg endigte ebenfalls zum Nachteile der Birmanen, die im Frieden zu Jandabu Arakan und die Tenasserimprovinz an der Küste Hinterindiens, südlich von Martaban, an die Compagnie abtreten mußten. Je mehr aber die Compagnie ihr Gebiet ausgedehnt und sich im Innern befestigt hatte, desto schwieriger ward ihre Stellung nach außen, da sie nun auf Feinde traf, deren Niederwerfung größere Schwierigkeiten machte.
Der erste dieser Kämpfe war der mit den Afghanen, zu dem die Intriguen Rußlands in Persien und Afghanistan Veranlassung gaben. iS. Afghanistan, Bd. 1, S. 171 b.) Während dieses wechselvollen Kampfes war eine große Unzufriedenheit unter den Fürsten O.s gegen die Engländer entstanden, und diese würden es ohne den rechtzeitigen Rückzug aus Afghanistan mit vielfachen Feinden zu thun gehabt haben. Nur der Sindhja war in den Vorbereitungen zu einem Losbruch schon zu weit gegangen, als daß der Kampf hätte vermieden werden können, der zu Ende 1843 mit seiner völligen Unterwerfung endete. Während dieses Kampfes waren auch die Belutschen und die Emire von Sindh gegen die Engländer aufgestanden. Doch General Sir Charles Napier vernichtete durch die Schlacht von Miani das Reich der Sindh, das nach der Einnahme von Haidarabad zur brit. Provinz gemacht wurde. (S. Sindh.)
Alle diese Eroberungen waren den Direktoren der Compagnie nicht angenehm. Sie schrieben die Schuld davon der Kriegslust des Generalgouverneurs Lord Ellenborough zu, der daher plötzlich 1844 zurückgerufen wurde. Sein Nachfolger, General Hardinge, sah sich alsbald in einen Krieg mit den Sikh verwickelt, die über den Satladsch gingen und die Engländer unversehens angriffen. Die Tapferkeit der Sikh und die Mangelhaftigkeit der vom Generalgouverneur selbst und dem Oberbefehlshaber Sir Hugh Gough geleiteten Operationen brachten die Engländer anfänglich in Nachteil, bis sie nach den Kämpfen von Mudki, am 18., und Firozschah, die entscheidenden Schlachten bei Alival, 28. Jan., und Sobraon, gewannen, wodurch die Macht der Sikh gebrochen wurde.
Der Friede kam zu Lahaur unter Bedingungen zu stande, welche die Selbständigkeit des Reichs Lahaur vernichteten. Man setzte nämlich nachträglich im Abkommen von Amritsar, 16. März, eine Teilung dieses Reichs fest, wonach Gulab-Singh, der heimliche Anhänger der Engländer, den nördl. Teil längs des Himalaja nebst Kaschmir und Hasara als förmlicher Vasall der Compagnie mit dem Titel Maharadscha erhielt, während der übrige Teil dem Maharadscha Dalip Singh blieb, unter der Bedingung, nur eine gewisse Anzahl Truppen zu halten und den Engländern den Durchgang durch sein Gebiet zu gestatten. Ferner wurde das fruchtbare Land zwischen Biaß und Satladsch der Compagnie als unmittelbares Eigentum abgetreten und bedeutende Kriegssteuern geleistet.
Lord Hardinge hielt jetzt den Frieden so sicher, daß er im angloind. Heere bedeutende Verminderungen eintreten ließ. Sein Nachfolger, Lord Dalhousie, traf ein; Gough blieb Oberbefehlshaber der Armee. Trotz ihrer herkömmlichen Feindschaft aber verschworen sich die Sikh und die Afghanen aufs neue gegen die Engländer, und schon Anfang 1848 war insgeheim eine gemeinsame Erhebung vorbereitet. Dost-Muhammad und andere Häuptlinge hatten ihren Beitritt zu diesem Kriege versprochen.
Den Aufstand begann Malradsch, Häuptling von Multan, mit seinem Abfall von den Sikh. Zwei engl. Offiziere, die zur Absetzung des Statthalters und Ordnung des Landes abgesendet waren, wurden im April 1848 ermordet. Als die Engländer sahen, daß der Kampf unvermeidlich geworden sei, lieferte Sir Hugh Gough rasch hintereinander die drei blutigen Schlachten zu Ramnagar, auf dem östl. Ufer des Tschinab, 22. Nov., zu Saadullapur bei einer Furt des Flusses, und im Moorgebüsch von Chillianwallah, in denen zwar die Engländer das Schlachtfeld behaupteten, in der That aber Niederlagen erlitten.
Die Entscheidungsschlacht fand sodann bei Gudschrat, östlich vom Tschinab, statt. Dost-Muhammad entkam mit 16000 Reitern über den Indus. Um neuen Kriegen vorzubeugen, wurde die Vereinigung des Pandschab sowie die von Pischawar, d. h. dem ganzen Reiche der Sikh ohne Kaschmir, mit Britisch-Indien verkündet. Ein neuer Eroberungskrieg wurde 1852 gegen Birma (s. d.) unternommen, in welchem Pegu von den Engländern bis zu der von ihnen bestimmten Grenze gewonnen und die
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Schifffahrt auf dem Irawadi für den Handelsverkehr beider Nationen freigegeben wurde. Andere Erweiterungen des unmittelbaren Gebietes der Engländer erfolgten unter Dalhousies Oberstatthalterschaft (1848-56) auf ähnliche Weise wie unter Ludwig XIV. durch die Chambres de réunion. Infolge Aussterbens der regierenden Fürstenfamilien wurden mehrere Vasallenstaaten dem unmittelbaren Besitztum der Engländer einverleibt, wie 1848 das Fürstentum Sattra im westl. Dekan;
1849 Samhalpur an der Nordostecke des Dekan und Dschaitpur in Bundelkhand;
1854 das westlicher gelegene Fürstentum Dschhansi und das weit bedeutendere Königreich Nagpur nebst einem dem Nisam von Haidarabad gehörigen Teil von Berar;
1855 das Fürstentum Tandschur.
Die Mißregierung des Königs Wadschid Ali Schah von Oudh gab Anlaß zur Annexion auch dieses bedeutenden und dicht bevölkerten Gebietes. - Dalhousie legte den Grund zu einem großartigen Eisenbahn- und Telegraphennetz und baute die von Scher Schah, dem afghan. Statthalter von Bengalen, begonnene, von dem Großmogul fortgeführte große Heerstraße Kalkutta-Pischawar aus. Er leitete die Schiffbarmachung der Godawari ein, eröffnete den Gangeskanal, den größten seiner Art in der Welt, und steigerte den Handelsverkehr und die Einkünfte der Regierung sehr bedeutend.
Doch zugleich entfremdete sein despotischer Sinn die Bevölkerung, seine oft schroffen Reformen verletzten die nationalen Vorurteile, und die gewaltsame Besitznahme vieler kleinen und der drei großen Staaten Lahaur, Rangun und Oudh gab das Signal zu einem allgemeinen Ausbruche, der das Gebäude der brit. Herrschaft in Indien zu stürzen drohte. Dalhousies Nachfolger, Lord Canning, übernahm die Verwaltung des Reichs in vollem Frieden. Einige Militäraufstände, die im Februar und März 1857 während eines Krieges mit Persien ausbrachen, wurden leicht unterdrückt.
Anfang 1857 belief sich die bewaffnete Macht des unmittelbaren Reichsgebietes auf etwa 330000 Mann. Dazu kamen an vertragsmäßigen Kontingenten der Lehnsstaaten 33000 Mann und die aus Persien zurückkehrenden Truppen, so daß man im ganzen 370000 Mann aller Waffengattungen zählen konnte. Nicht viel weniger Soldaten und Polizeimannschaften hielten die Lehnsfürsten der drei Präsidentschaften als Haustruppen. Man konnte demnach alle bewaffnete Mannschaften in Hindustan und Dekan auf 700000 Mann schätzen.
Den zahlreichen Truppen der Einheimischen stand aber nur, zerstreut über einen ungeheuern Flächenraum unter der zum Teil feindlich gesinnten Bevölkerung, ein kleiner Haufe Europäer gegenüber, nämlich 29000 Mann königl. Truppen und etwa 20000 Mann Truppen der Ostindischen Compagnie, die Offiziere der Sipahi mitgerechnet. Die Zahl der nicht zum Militärstande gehörigen Europäer mit Frauen und Kindern belief sich auf etwa 10000. Mit Einschluß der Juni und Juli 1857 aus Persien zurückgekehrten Truppen standen daher kaum 51000 Europäer der hereinbrechenden Empörung gegenüber.
Die äußere Veranlassung zu dem Aufstande bot die Einführung neuer Patronen, die angeblich mit Kuh- oder Schweinefett bestrichen waren, wovon das eine die religiösen Gefühle der Hindu, das andere die der Mohammedaner beleidigte. Der Aufstand gestaltete sich zu einer allgemeinen Erhebung der kriegerischen Elemente des Landes zum Zwecke der Vertreibung der Engländer und der Wiederherstellung der beiden ind. Großmächte, des Mogulreichs von Dehli mohammedanischerseits und des Peschwastaates der Mahratten seitens der Hindu.
Hierzu kam noch der Versuch des jüngst annektierten Königreichs Oudh, sich wieder selbständig zu machen. Am erfolgte die erste massenhafte Meuterei der Sipahi zu Mirat, wo man die engl. Offiziere nebst Frauen und Kindern ermordete und die Kasernen anzündete. Von hier eilten die aufrührerischen Sipahi nach Dehli, wo sich die größten Militärmagazine der nördl. Provinzen befanden. Nach den fürchterlichsten Greueln gegen die Europäer bemächtigten sich die Meuterer eines Artillerieparks von 150 Kanonen, unermeßlicher Kriegsvorräte und eines Schatzes von 2 Mill. Pfd. St. Teils gleichzeitig, teils später verbreitete sich der Aufstand über alle Garnisonstädte der Nordwestprovinzen, nach Benares, Asimgarh, Allahabad, Agra, Mathura, Kanpur, Lakhnau und ganz Oudh, und nach Bareli in Rohilkhand. Auch im Pandschab erhoben sich die dort stehenden Truppen der Bengalarmee, während in der Bombay- und Madrasarmee nur vereinzelte Fälle von Meuterei vorkamen. Überall begingen die Aufständischen Grausamkeiten.
Doch blieben den Engländern die Regimenter, welche aus Bergbewohnern des Himalaja, namentlich den Ghurkas, sowie aus Sikh bestanden, aus Haß gegen die Bengal-Sipabi, treu und leisteten große Dienste. Selbst eingeborene Truppen der Madras- und Bombayarmee ließen sich gegen die Rebellen führen. Von den ind. Fürsten schloß sich, mit Ausnahme des Großmoguls und der kaiserl. Prinzen in Dehli, des Mahrattenführers Nana Sahib von Bithur bei Kanpur und der tapfern Fürstin von Dschhansi, keiner der Empörung an. Das eigentliche Volk, gegen die brit. Regierung wie für die nationale Sache gleichgültig und an Druck von allen Seiten von jeher gewöhnt, beteiligte sich nur hier und da an den Plünderungen und Metzeleien, focht aber nicht mit, so daß die Sipahi eigentlich auf sich beschränkt blieben.
Unter solchen Umständen war es dem General Wilson möglich, nach einer dreimonatigen Belagerung, endlich Dehli nach sechsstündigem Sturm zu nehmen. Der von den Aufständischen zum Beherrscher von Indien ausgerufene 90jährige Großmogul Bahadur Schah (s. d.) wurde gefangen abgeführt, die Prinzen seines Hauses ermordet. Einem Teil der nach allen Seiten hin flüchtenden Sipahi gelang es, sich mit den Aufständischen in Oudh zu vereinigen, dessen Hauptstadt Lakhnau nach dem Falle Dehlis der Centralpunkt der Insurrektion ward.
Während der Belagerung von Dehli hatte General Havelock Ende Juni in Allahabad den Befehl über das zur Entsetzung von Kanpur und Lakhnau bestimmte Korps übernommen und die Blutscenen von Kanpur ebenso blutig gerächt, nachdem er die Rebellen unter Nana Sahib 12. Juli bei Fatihpur sowie am 15. und 16. auf der Straße nach Kanpur geschlagen und 17. Juli aus dieser Stadt vertrieben hatte. Am 29. und 30. Juli erfocht er einen großen Sieg bei Unao und Bupirgandsch, unweit Kanpur, 16. Aug. bei Bithur. Nach Überwindung der größten Schwierigkeiten drang er endlich 26. Sept. unter mörderischem Kampfe in die Festung von Lakhnau, das indessen erst von Campbell und Outram eingenommen wurde. Außer Dehli,
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Kanpur und Lakhnau waren noch viele andere Orte Zeugen brit. Tapferkeit und Ausdauer. Im Juni und Juli brach auch an mehrern Punkten Mittelindiens, in Mhau, Indaur, Mandeßa, Sagar u. s. w., der Aufstand aus. In Agra mußte sich 5. Juli die engl. Besatzung in die Festung zurückziehen. Zu Dinapur, oberhalb Patna, erhoben sich die Sipahi 23. Juli, besetzten das benachbarte Arra und warfen 29. Juli die von General Lloyd zum Entsatz gesandten Truppen unter eigenem großem Verlust zurück. Im Pandschab, an dessen Nordwestgrenze sowie in Ober-Sindh der Brigadier Jacob Freikorps aus Sikh, Afghanen u. s. w. bildete, wurden vom General Nicholson 17. Juni die Meuterer von Sialkot vernichtet und 20. Juli der Aufstand in Lahaur unterdrückt. Der dortige Oberkommissar Lawrence wußte nicht nur die Bevölkerung in Ruhe zu erhalten, sondern konnte auch einen Teil der engl. Besatzungstruppen nebst einem starken Korps Sikh unter Nicholson, der 25. Aug. die Insurgenten bei Nadschafgarh in die Flucht schlug, nach Dehli schicken, wodurch die Einnahme dieses Brennpunktes der Insurrektion ermöglicht wurde.
Bereits in den Herbstmonaten 1857 war das Schicksal der Empörung entschieden, obschon noch keine Unterstützung aus Europa eingetroffen war. Als endlich massenhafte Verstärkungen eintrafen, wurden diese von Kalkutta aus nach Kanpur hinaufgesandt, wohin der neue Obergeneral Sir Colin Campbell nachfolgte. Schon 3. Nov. stand er an der Spitze der gegen Lakhnau und Oudh bestimmten Armee. Zugleich traf General Sir Hugh Rose in Bombay die Vorbereitungen zu seinem Siegeszuge nach Mittelindien (zwischen dem Narbada und Ganges-Dschamna).
Nach dem Falle von Dehli hatte Oberst Greathed an der Spitze einiger fliegender Korps einen Teil der von dort geflüchteten Sipahi 27. Sept. bei Bulandschahr, im Südosten von Dehli, geschlagen, 29. Sept. das Fort Malagarh gesprengt, 5. Okt. das benachbarte Fort von Aligarh eingenommen und 9. Okt. Agra erreicht. Inzwischen war die Umgegend von Kanpur, wo Sir Colin Campbell bei seinem Abzuge nach Lakhnau den General Windham mit nur 500 Mann zurückgelassen hatte, der Sammelplatz der zersprengten Sipahi, der Haustruppen kleiner Lehnsfürsten Mittelindiens sowie der meuterischen Armee des Sindhja von Gwaliar unter Führung des Mahratten Tantia-Topi geworden.
Windham zersprengte mit seinen wenigen Truppen 26. Nov. die 1. Division des Gwaliarkontingents, wurde aber in den folgenden Tagen zurückgeworfen. Da rückte Campbell, der 22. Nov. Lakhnau geräumt und nur den General Outram mit einem Beobachtungskorps bei Alambagh zurückgelassen hatte, in Eilmärschen herbei, schlug 6. Dez. die um Kanpur versammelten Sipahi (25000 Mann) und warf sie über die Dschamna zurück, wo sie 9. Dez. von General Hope Grant zersprengt wurden. Der Brigadegeneral Showers schlug die Truppen von Dschodhpur (8000 Mann) wiederholt, namentlich 25. Nov. bei Karnal, und Hauptmann Seaton säuberte mit einem besondern Korps das Doab im Dezember durch seine Siege bei Patiala, Farruchabad und Mainpuri.
Campbell beabsichtigte bei Eröffnung des Feldzugs 1858, die Sipahi aus ihren verschiedenen Stellungen nach Oudh zu drängen und dort mit einem Schlage zu vernichten. Dieser Plan gelangte aber nur teilweise zur Ausführung, indem der Generalgouverneur Lord Canning und sein Rat zu Kalkutta darauf drangen, Lakhnau, den nunmehrigen Hauptsitz der Empörung, ohne Verzug anzugreifen. Der Marsch gegen Lakhnau mußte demnach angetreten werden, bevor die Umschließung von Oudh vollendet war.
Lakhnau, wo eine Handvoll Engländer die sog. Residency gegen eine große Übermacht mit staunenswerter Hartnäckigkeit gehalten hatte, wurde entsetzt und ganz Oudh militärisch besetzt; aber die Sipahi entrannen und zerstreuten sich, so daß der Kampf in einen sehr gefährlichen Kleinkrieg ausartete. Während der Vorbereitungen zum Zuge gegen Lakhnau brachte Sir Hugh Rose zu Bombay die sog. Malwa- oder Narbada-Armee (6000 Mann, darunter 2500 Engländer) zusammen und bekämpfte Ende 1857 und Anfang 1858 die Rebellion in Mittelindien allenthalben mit Erfolg.
Mit der unter Whitlock aus Madras herbeieilenden Heersäule vereinigt, unternahm er die Säuberung aller Berggruppen und Bergthäler bis zur Dschamna hinab. Nachdem 30. März die große Festung Kota am Dschamnazufluß Tschambal von General Roberts genommen war, rückten die verschiedenen Abteilungen der Malwa- oder Narbada-Armee gegen Kalpi an der Dschamna, dem Sammel- und Waffenplatz aller aus Mittelindien und Hindustan Zersprengten, an deren Spitze Tantia-Topi stand.
In der Schlacht vom 22. Mai brachte Sir Hugh Rose durch energischen Bajonettangriff die Masse der Rebellen zur Flucht nach Gwaliar, wo sich mit ihnen die aufständischen Haustruppen des Sindhja vereinigten, schlug dann den Feind vollständig in der mörderischen Schlacht vom 19. Juni und führte den Maharadschah Sindhja auf den Thron von Gwaliar zurück. Die meisten Sipahi flüchteten nach Bundelkhand oder nach Radschputana, wo sie nach und nach aufgerieben wurden. Wer von ihnen in die Hände der Engländer fiel, wurde erschossen, gehängt oder vor die Mündung einer Kanone gebunden. Ende 1858 stand in Mittelindien kein Feind mehr im Felde, und die wichtigsten Festungen waren erobert. Die Malwa- oder Narbada-Armee konnte aufgelöst werden.
Nach der Eroberung von Lakhnau hatten sich die Rebellen gegen Nordwesten nach Rohilkhand und in der Richtung nach Nepal im Norden gewandt. Sir Colin Campbell ging nun an die Aufgabe, diese Länder zu säubern. Er nahm 1. Mai Schahdschahanpur, unter großem Widerstande 6. und 7. Mai Bareli in Rohilkhand, und die Provinz war schon gegen Ende des Monats unterworfen. Die flüchtigen Rebellen kehrten jedoch nach Oudh um, wo sie in einzelnen starken Haufen feste Stellungen einnahmen, und zwar unter Leitung hervorragender Führer, wie des Nana Sahib (s. d.), des Firôs Schah, eines königl. Prinzen von Dehli, der Begum oder Königin von Oudh mit ihrem Sohne, sowie einer Anzahl großer Land- und Grundbesitzer (Samindars und Ta'alluqadars). So hatten die verschiedenen Korps unter den Generalen Sir Hope Grant, Napier, Lugard u. a. noch heftige Kämpfe zu besteben, und der Kleinkrieg in der heißen Jahreszeit raffte viele Europäer weg, während sie durch die Regenmonate in ihren Bewegungen gehemmt wurden. Nachdem Campbell die Bevölkerung von Oudh durch seine Proklamation vom zur Unterwerfung gebracht hatte, begann er im November aufs neue seine Operationen. Die im Laufe des Monats mehrfach geschlagenen Sipahi
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suchten mit ihren Führern Zuflucht in den Moor- und Gebirgsgegenden an der Grenze von Nepal, von wo aus sie von Zeit zu Zeit Streifzüge in die Niederungen von Oudh und die Bezirke von Gorakhpur unternahmen. Doch fügten sich die meisten Häuptlinge dem Machtgebot, und im Dez. 1858 war ganz Oudh wieder unterworfen. Die letzten Reste der Insurgenten flüchteten über die Grenze nach Nepal, unter ihnen auch Nana Sahib. Seit Frühjahr 1859 fand nur noch eine Art Treibjagd auf die Rebellen statt. Auch trug Lord Canmngs weise Mäßigung viel zur Dämpfung der Unruhen bei.
Das wichtigste Ergebnis des großen Kampfes von 1857 und 1858 war die Aufhebung der Ostindischen Compagnie. Nachdem das neue India-Gesetz die Zustimmung des brit. Parlaments erhalten hatte, wurde feierlich in Ostindien verkündet, daß die Königin von Großbritannien die Regierung unmittelbar übernommen habe. Der Generalgouverneur wurde zum Vicekönig ernannt, alle Beamten der Compagnie in ihren Ämtern bestätigt. Die Königin versprach, alle Verträge und Verpflichtungen gegen die einheimischen Fürsten zu erfüllen und das Reich innerhalb der bestehenden Grenzen zu erhalten.
Niemand solle das Christentum aufgedrängt, keiner wegen seiner Religion begünstigt oder belästigt werden. Ein jeder solle, ohne Unterschied des Glaubens und der Abstammung, «soweit als möglich», frei und unparteiisch Zulassung zu allen Ämtern haben. Alle an ererbtem Grundbesitze haftenden Rechte sollten geachtet, bei allen Gesetzen und Anordnungen der Fortbestand der vorhandenen Gerechtsame, Bräuche und Sitten berücksichtigt werden. Solchen Rebellen, die nicht unmittelbar an dem Mord brit. Unterthanen teilgenommen hatten, wurde, wenn sie zu ihrer Pflicht zurückkehrten, vollständige Amnestie zugesichert. Alle Großen Indiens wurden zu Lehnsleuten und Unterthanen der brit. Majestät erklärt.
Seit der Unterdrückung des Aufstandes 1857-58 hat die Geschichte O.s hauptsächlich in eifrigen Bemühungen um die Entwicklung der materiellen Hilfsquellen des Reichs und in der Reform seiner innern Verhältnisse bestanden. Wenn man die Teilnahme der ostind. Armee an den Kriegen in China (1860-61) und in Abessinien (1867-68) ausnimmt, so haben bis 1878 die Waffen in Ostindien geruht. Lord Elgin leitete die Politik der innern Reformen ein, die von seinen Nachfolgern, dem Lord Lawrence und dem Grafen Mayo, weiter verfolgt wurde.
Verwicklungen mit den von England unabhängigen malaiischen Fürsten auf der Halbinsel Malaka (1876) sowie solche mit den Afghanen (1877) gelangten zu friedlicher Schlichtung. Dagegen rafften furchtbare Hungersnöte, besonders in den J. 1866, 1875-77, viele Hunderttausende von Eingeborenen weg. 1875-76 machte der Prinz von Wales eine Rundreise durch Ostindien. Diese kann als Vorbereitung zu der Ernennung der Königin Victoria zur Kaiserin von Indien betrachtet werden, die 1876 im engl. Parlament zur Verhandlung kam und trotz vielfachen Widerstandes endlich angenommen wurde. Am wurde die Königin Victoria in Gegenwart fast aller zu der engl. Regierung in dem Verhältnisse von Vasallen oder Bundesgenossenschaft stehenden eingeborenen Fürsten von dem Generalgouverneur-Vicekönig in Dehli feierlich als Kaiserin von Indien proklamiert.
Ihr Repräsentant in Ostindien ist der an die Spitze der ganzen Civil- und Militärverwaltung gestellte Vicekönig-Generalgouverneur (Governor-general of India in Council). Durch Erlaß der Königin Victoria vom wurde der Orden des Indischen Reichs sowie für die königl. Prinzessinnen, die Gemahlinnen ind. Fürsten und für andere Frauen von Auszeichnung der kaiserl. Orden der Indischen Krone gegründet, nachdem bereits der Orden des Sterns von Indien gestiftet worden war. Über die Kämpfe in den J. 1878-80 mit Afghanistan s. d. (Geschichte). Der Staat Maisur (s. d.), der seit 1830 unter brit. Verwaltung stand, wurde im März 1881 dem inzwischen majorenn gewordenen einheimischen Fürsten zurückgegeben.
Die Stelle eines Vicekönigs oder Generalgouverneurs bekleidete 1876-80 Lord Lytton, 1880-84 Marquis of Ripon, dessen den Eingeborenen freundliche Gesetzgebung die Hoffnungen der Inder auf Beteiligung an der Regierung ihres Landes neu belebte, bei den Engländern Indiens aber einen Sturm der Entrüstung hervorrief. Diese Bestrebungen der Inder fanden ihren Ausdruck in den seit 1885 alljährlich stattfindenden Nationalkongressen (s. Hindubewegung). Die Schwierigkeit der innern Lage sowohl wie auch die drohende Annäherung der Russen im Nordwesten veranlaßte die brit. Regierung, als Nachfolger Lord Ripons einen bewährten Diplomaten, Lord Dufferin, zum Vicekönig zu ernennen.
Während seiner vierjährigen Amtszeit, von Mitte Dez. 1884 bis Mitte Dez. 1888, hatte Lord Dufferin sich demnach zwei Hauptaufgaben zu widmen: der Beruhigung und Versöhnung der Geister im Innern und der Festigung des Reichs nach außen. Dem mächtigen Fürsten Sindhja wurde die bisher von den Engländern besetzte Festung Gwaliar zurückgegeben. Außerdem wurde eine Kommission eingesetzt, die in den großen Städten Indiens Protokolle über die Wünsche der Inder betreffs ihrer Beteiligung an der Regierung (civil service) aufnahm und dadurch das Material zu einer 1890 durchgeführten Reform zusammentrug.
Eine Klärung der Verhältnisse an der Nordwestgrenze war durch das Vorgehen Rußlands in der Turkmenensteppe sowie besonders durch die Besitzergreifung Merws nötig gemacht worden. Dufferin lud daher den Emir Abd ur-Rahman von Afghanistan zu einem großen Darbar nach Rawalpindi im Pandschab ein, um das Bundesverhältnis zwischen Afghanistan und Indien zu festigen, während gleichzeitig eine russ.-engl. Kommission die Nordwestgrenze Afghanistans festsetzte. Der Emir erschien; aber die Nachricht, daß der afghan. Ort Pendschdeh am Murghab trotz der Anwesenheit engl. Grenzkommissionsmitglieder von den Russen mit Waffengewalt genommen und daß englischerseits nichts dagegen geschehen sei, schwächte die Wirkung des Darbar bedeutend ab.
Im J. 1885 wurde Oberbirma erobert und mit dem brit. Reiche vereinigt. Die Kosten dieses Feldzugs hatte Ostindien zu tragen, wo infolgedessen 1886 die Steuern erhöht wurden. Im Okt. 1886 fanden blutige Zusammenstöße zwischen Mohammedanern und Hindus statt, die durch das Einschreiten der Truppen unterdrückt werden mußten. Fünf Regimenter ind. Eingeborener wurden unter General Roberts nach Oberbirma abgeschickt, um den dort ausgebrochenen Aufstand niederzuschlagen. Verschiedene andere militär. Expeditionen geringern Umfangs wurden während der Amtsdauer Lord Dufferins