Zur
Darstellung derOrseille, welche ursprünglich von den
Florentinern geheimgehalten wurde, wird das Flechtenpulver mit
Harn oder
Ammoniak angerührt und der
Gärung überlassen. Aus dem
Harn entwickelt sich
Ammoniak, und dies wirkt gemeinsam
mit dem
Sauerstoff der
Luft auf die in den
Flechten enthaltenen eigentümlichen
Säuren
(Lecanorsäure, Orseillesäure, Erythrinsäure,
Gyrophorsäure, Evernsäure, Usninsäure etc.) in der Art ein, daß
Orcin entsteht, welches dann weiter in
Orcein übergeht.
ein aus gewissen Flechten bereiteter violettroter Farbstoff, der hauptsächlich zum Färben von Wolle und
Seide Verwendung findet. Die hierbei zur Verwendung kommenden Flechten, im Handel irrtümlicherweise
Orseillemoos genannt, enthalten jenen Farbstoff noch nicht fertig gebildet, sondern derselbe entsteht erst durch Einwirkung
von Luft und Alkalien (gewöhnlich wendet man Ammoniak an) auf gewisse in diesen Flechten enthaltene Säuren (Erythrinsäure,
Lecanorsäure, Roccellsäure). Diese farblosen, kristallisierbaren Säuren gehen hierbei zunächst in einen ebenfalls farblosen
Körper, das Orcin, und dann in den eigentlichen Farbstoff, das Orceïn, über, welches in dem angewendeten
Ammoniak mit violettroter Farbe gelöst bleibt.
Die Darstellung der O. war lange Zeit Fabrikgeheimnis der Florentiner, wie ganz ebenso die des Lackmus das der Holländer;
jetzt wird O. als ein vielgebrauchter Färbereiartikel in allen Fabrikländern bereitet und der Rohstoff
dazu aus aller Welt zusammengeholt. Obenan wird immer als Orseilleflechte Lichen roccella (Roccella tinctoria) genannt; es
kommen aber noch manche andre verwandte Arten z. B. Roccella fuciformis, R. phycopsis und
R. Montognei hinzu, wie schon das weite Auseinanderliegen der Sammelorte erwarten läßt; gewöhnlich sind auch mehrere Sorten
in ein und demselben Ballen enthalten.
Man sammelt sie sowohl an den felsigen Küsten des Mittelmeers als des Atlantischen, Stillen und Indischen Ozeans, namentlich
häufig an den Azoren, den Kanarischen und Kapverdischen Inseln, ferner an den Küsten von Portugal, Spanien, England, des
südlichen Frankreichs, in Angola, Benguela, auf St. Helena, Madagaskar, Zanzibar, an der Küste von
Mozambique und auf Ceylon. Diese Ernten werden in Ballen dicht zusammengepreßt nach Europa gebracht. Hauptmärkte dafür
sind Lissabon, Liverpool, London,
Havre, Hamburg und Bremen.
Aus Flechten, die auf dem Festlande an Steinen, Baumrinden und auf der Erde wachsen und insgesamt Erdorseille heißen, botanisch
aber sich in verschiedne Arten, Lecanora pallescens und tartarea, Variolaria, Usnea, Parmelia u. a.
absondern, kann nur eine sehr geringwertige Sorte von O. bereitet werden. Solche Gewächse werden vorzüglich in Schweden
in großer Menge gesammelt, ferner im Thüringerwald und der Rhön, im Jura und den Pyrenäen, in Schottland. Zur Bereitung
der O. werden die Flechten gesäubert, zu Pulver gemahlen, mit einer ammoniakhaltigen Flüssigkeit in
Trögen zu dünnem Brei angerührt und längere Zeit unter Umarbeiten der Lufteinwirkung überlassen. Als ammoniakalische
Zusätze dienen fauler Urin oder geringer Salmiakgeist nebst einem Zusatz von Kalkhydrat. Es findet ein Gärungsprozeß statt,
in dessen Folge die Masse im Laufe von etwa 4-6 Wochen durch Rot in Violett übergeht und inzwischen
zu einem steifen Brei geworden ist, welcher in Fässer verpackt die Handelsware bildet.
Die Einzelheiten der Darstellung sind nicht genau bekannt; die richtige Leitung soll aber sehr schwierig sein. Aus denselben
Flechten bereitet man auch den Persio (Cudbear, roter Indigo) im allgemeinen in gleicher Weise und ist
derselbe im Grunde auch O., nur getrocknete und gepulverte. Das Pulver sieht ebenfalls violettrot aus. In Teig- wie in Pulverform
geben die Stoffe mit Wasser unter Hinterlassung unlöslichen Rückstandes scharlachrote bis violette Lösungen, die durch
Alkalien dunkler, durch Säuren hellrot gefärbt werden, mit Thonerdebeizen braunrote, mit Zinn salz hellrote
Niederschläge liefern.
Außer der Teig- und Pulverform kommen unter dem Namen Orseille-Extrakt schon fertige und bis zur Sirupsdicke eingedünstete
wässerige Lösungen in den Handel. Die Orseille- und Persiolösungen an sich geben schöne, anfangs sogar brillante violette und
Lillafärbungen, die aber zu rasch verschießen und daher in dieser Weise keine Anwendung finden; vielmehr
gebraucht man den Stoff nur in Kombination mit andern Farbstoffen, indem man entweder schon echt gefärbte Stoffe in Seide
und Wolle noch durch ein Orseillebad nimmt, wodurch die Farben mehr Glanz und Feuer erhalten, oder zum Grundieren für Indigblau
und Krapprot.
Die Hauptverwendung aber geht jetzt auf Wollstoff zu braunen Nüancen, sog.
Modefarben, Nakarat, Grenat, Cerise, Olive, für Färberei wie für Druck. Diese Färbungen sind echt und viel haltbarer als
die mit Farbhölzern erhaltenen. Durch Zusatz von Aloëfarbstoffen, soll die O. lichtbeständig gemacht werden können. Zu
erwähnen ist noch der von Guinon in Frankreich 1863 zuerst dargestellte französische Purpur (pourpre
français). Er gibt eine echte, lebhaft purpurviolette Färbung, die auch der Einwirkung von Pflanzensäuren widersteht,
durch welche das gewöhnliche Orseillerot in ein schmuziges ^[richtig: schmutziges] Weinrot verwandelt wird. Zur Bereitung
desselben wird das Flechtenpulver mit verdünntem Salmiakgeist ausgezogen, die Flüssigkeit abgegossen und abgepreßt und
mit Salzsäure¶
mehr
versetzt, wodurch ein Niederschlag entsteht. Dieser wird gewaschen, wieder in Salmiakgeist gelöst und die Lösung in flachen
Schichten der Luft ausgesetzt, bis sie kirschrot geworden ist, dann zum Sieden erhitzt, um das überschüssige Ammoniak zu
verjagen, und dann wieder in großen flachen Gefäßen bei einer Temperatur von 70 bis 75° sich selbst
überlassen. Die Färbung schreitet dabei allmählich bis zu schönem Purpurrot fort, worauf man den fertigen Farbstoff mit
Wein- oder Schwefelsäure rein, oder mit Chlorcalicum an Kalk gebunden ausfällt. Dieser Kalklack ist dann zum Behuf des Verbrauches
wieder mit verdünnter Schwefel- oder Oxalsäure zu versetzen, wobei Gips, resp. oxalsaurer Kalk gebildet
wird, die beide unlösliche Niederschläge sind, indes der Purpur in Lösung geht. - Einschließlich des Extrakteszollfrei.
(spr. -ßéj), Orchil, Archil, ein Farbstoff, der durch Behandeln verschiedener
Flechten (s. Roccella und Lecanora) mit ammoniakalischen Flüssigkeiten (früher gefaulter Harn, jetzt verdünntes Ammoniak)
unter Zutritt von Luft erhalten wird. Die im frischen Zustande weißlich aussehenden Flechten kommen an den felsigen Küsten
des Mittelmeers,
[* 16] Atlantischen und Stillen Oceans vor und werden hauptsächlich aus Madagaskar, Sansibar, Südamerika
[* 17] und den
Canarischen Inseln in den Handel gebracht.
Die in den Flechten enthaltenen farblosen krystallisierbaren Flechtensäuren gehen durch den oxydierenden Einfluß der Luft
und den des Ammons, indem sie eine Art Gärungsprozeß durchmachen, in Orcin (s. d.) und schließlich in
Orceïn (Flechtenrot) über, einen in Alkalien mit scharlachroter Farbe löslichen Farbstoff. Man bringt die so behandelte
Masse entweder als Orseillekräuter, im gepulverten und teigförmigen Zustande als Orseille, oder in eingedickter
wässeriger Lösung als Orseilleextrakt in den Handel.
Persio, Cudbear oder roter Indigo ist eine gereinigte und trockne pulverförmige Orseille, zu
deren Herstellung hauptsächlich Lecanora-Arten verwendet werden. Zur Darstellung von Orseillepurpur (Purpur française) werden
die Flechten mit verdünntem Ammoniak schnell extrahiert; den Auszug fällt man mit Salzsäure, löst den Niederschlag in Ammoniak
und setzt die Lösung der Luft aus, bis sie kirschrot geworden ist, erhitzt dann zum Sieden und erwärmt
noch einige Zeit auf 70-75° C., bis die Farbe purpurrot wird, und fällt schließlich mit Chlorkalium oder Alaun. Alle diese
Farbstoffe färben Wolle und Seide rot oder violett; man benutzt sie aber, da sie für sich nicht genug echte Farbtöne geben,
meist in Verbindung mit andern Farbstoffen hauptsächlich zur Herstellung von braunen Nuancen. Deutschlands
[* 18] Einfuhr an Orseille, Orseilleextrakt, Persio und Lackmus betrug 1895: 257,4 t im Werte von 206000 M.