Orseille
(franz., spr. -ssellje, Archil), roter
Farbstoff, welcher aus verschiedenen, den
Gattungen
Roccella,
Usnea,
Lecanora,
Variolaria angehörigen
Flechten
[* 2] gewonnen wird. Diese
Flechten wachsen an felsigen
Küsten, besonders auf
den
Azoren, Kanaren und
Kapverdischen Inseln, an den
Küsten von
Portugal,
[* 3]
Spanien,
England, Südfrankreich, in
Angola,
Benguela,
auf St.
Helena,
Madagaskar,
[* 4]
Sansibar,
[* 5] an der
Küste von
Mosambik und auf
Ceylon;
[* 6] doch werden
auch in
Schweden,
[* 7] im
Thüringer Wald,
in der
Rhön, im
Jura, in den
Pyrenäen und in
Schottland ähnliche
Flechten gesammelt, welche auf der
Erde,
an
Steinen und
Rinden wachsen und als minder wertvolle
Erdorseille in den
Handel kommen.
Zur
Darstellung der Orseille
, welche ursprünglich von den
Florentinern geheimgehalten wurde, wird das Flechtenpulver mit
Harn oder
Ammoniak angerührt und der
Gärung überlassen. Aus dem
Harn entwickelt sich
Ammoniak, und dies wirkt gemeinsam
mit dem
Sauerstoff der
Luft auf die in den
Flechten enthaltenen eigentümlichen
Säuren
(Lecanorsäure, Orseille
säure, Erythrinsäure,
Gyrophorsäure, Evernsäure, Usninsäure etc.) in der Art ein, daß
Orcin entsteht, welches dann weiter in
Orcein übergeht.
Letzteres ist der wesentliche
Farbstoff der Orseille
, die als steifer Brei in den
Handel kommt. Sie bildet eine
rötliche
Masse, riecht veilchenartig und schmeckt alkalisch.
Persio
(Persico,
Cudbear, roter
Indigo)
[* 8] ist ziemlich dasselbe
Präparat
wie Orseille
, nur reiner und getrocknet. Er wurde früher in
Schottland aus den dortigen
Flechten dargestellt, später aber in großer
Menge in
Deutschland
[* 9]
(Stuttgart),
[* 10]
Frankreich und
England fabriziert. Orseille
purpur
(pourpre français) wird
erhalten, indem man die
Flechten mit
Ammoniak schnell extrahiert, den
Auszug mit
Salzsäure fällt, den ausgewaschenen
Niederschlag
(wesentlich die genannten
Flechtensäuren) in
Ammoniak löst, die
Lösung der
Luft aussetzt, bis sie kirschrot geworden ist,
dann kocht und in flachen
Gefäßen anhaltend auf 70-75° erhitzt.
Wird die purpurfarben gewordene
Flüssigkeit mit
Alaun
[* 11] oder
Chlorcalcium gefällt, so erhält man den bläulich purpurfarbigen
Orseillelack
, welcher beim Reiben
Kupferglanz
[* 12] annimmt. Ein dem Orseille
purpur ähnliches
Präparat ist Orseille
karmin. Man
benutzt alle diese
Präparate zum
Rot- und Violettfärben von
Wolle und
Seide,
[* 13] noch mehr mit andern
Farbstoffen
zu braunen
Nüancen, den
Purpur auch in der
Kattundruckerei. Durch die
Anilinfarben hat die Orseille
an Bedeutung sehr verloren.