Orinoko
(Orenoko), einer der Hauptströme Südamerikas, hat seine noch von keinem Europäer besuchten Quellen am Südrand der Sierra Parime im Hochland von Guayana (wahrscheinlich nicht über 1500 m ü. M.), durchströmt in seinem obern Lauf das Hochland, das er nach seinem Austritt aus demselben umsäumt, indem er eine große Spirale um seine Quelle [* 2] beschreibt, so daß seine Mündung in gerader Linie nur etwa 890 km von dem Quellgebiet entfernt ist, während seine ganze Stromentwickelung einschließlich der großen Krümmungen 2500 km beträgt.
Auf der ersten
Strecke seines
Laufs (von etwa 560 km)
ist er sehr reißend und führt schon eine mächtige Wassermasse mit sich,
indem er bereits 6½ Tagereisen oberhalb
Esmeralda, bis wohin
Robert
Schomburgk 1839 vordrang, eine
Breite
[* 3] von 600 bis 750 m hat. Bei
Esmeralda (290 m) tritt der
Strom in seinen mittlern, ruhigern
Lauf und nimmt eine westliche
Richtung
an. Auf dieser
Strecke entsendet er in einer
Bifurkation (280 m ü. M.) ein Drittel seiner Gewässer in den
Cassiquiare, der
in den
Rio Negro
[* 4] mündet und so eine ununterbrochene Wasserverbindung zwischen dem in derselben
Ebene,
aber in entgegengesetzter
Richtung fließenden
Marañon, in welchen der
Rio Negro mündet, und dem Orinoko
vermittelt.
Bald darauf, unterhalb
San Fernando de Atabapo, wendet sich der
Strom gegen N. und betritt das Gebiet der durch Granitklippen
gebildeten
Katarakte (Raudales), von denen die von
Maypures und
Atures die berühmtesten sind. Zahlreiche
Nebenflüsse strömen von den
Gebirgen
Guayanas, von den
Andes und den
Gebirgen
Venezuelas zum Orinoko
hinab. Die größten sind links:
Guaviare (Mündung 227 m),
Meta (s. d.), Vichada, Arauca,
Apure (s. d.) etc.;
rechts: Ventuari, Caura, Caroni.
Bei der Mündung
des
Apure (63 m) beginnt der
Strom seinen Unterlauf, in welchem er sich ostwärts wendet und nun in einer
Breite von 6-7000
m zwischen dichten Waldungen langsam die
Ebenen
(Llanos, s. d.) durchfließt. Nach der
Aufnahme des Caroni beginnt der Orinoko
sein
22,000 qkm (400 QM.) großes
Delta
[* 5] zu bilden, indem er sich in eine unübersehbare
Menge von Mündungsarmen
und
Kanälen teilt, die, zwischen zahllosen größern und kleinern, durch die Schlammabsätze des
Flusses gebildeten
Inseln
sich hindurchdrängend, dem Atlantischen
Ozean zueilen. So entsteht ein
Labyrinth von Mündungen, deren man an 50 zählt, welche
einen
Raum von 266 km einnehmen, von denen aber nur sieben schiffbar sind.
Die Hauptmündung, La
Boca de Navios, die einzige, in welche große
Schiffe
[* 6] einlaufen können, ist gegen 6 km breit und erweitert
sich zwischen
Punto Barima und der
Insel Nuima zu fast 37 km. Die mit Heftigkeit ausströmenden milchweißen Gewässer des
Orinoko
sind auf eine weite
Strecke im
Ozean sichtbar und überzeugten
Kolumbus von der
Existenz eines großen
Festlandes. Seine jährliche
Überschwemmung beginnt mit April, erreicht im
September ihre
Höhe und endet mit dem
Februar.
Das
Wasser tritt dabei stellenweise 190 km über die
Ufer hinaus. Die Tiefe des
Stroms ist an manchen
Stellen sehr beträchtlich.
Sein Stromgebiet umfaßt einen Flächenraum von 955,000 qkm (17,330 QM.). Unter den wenigen
Städten, die am Orinoko
liegen, ist
Ciudad Bolivar
(Angostura) die bedeutendste. Zwischen hier und
Trinidad besteht monatliche Dampferverbindung,
und während der
Hochwasserzeit laufen kleinere
Dampfschiffe von
Ciudad Bolivar bis
San Fernando de
Apure. Überhaupt ist der
Strom von der Mündung bis zu den
Katarakten von
Atures gegen 1500 km weit schiffbar, auch oberhalb
Maypures
ist er wieder auf einer
Strecke von 940 km fahrbar. Die
Ufer des Orinoko
sind ungemein reizend und bieten ein stets wechselndes Gemälde
von höchster Pracht.