Titel
Oréstes
,
1) im griech.
Mythus der Sohn des
Agamemnon und der
Klytämnestra,
Bruder der Chrysothemis,
Elektra
(Laodike) und Iphigenia (Iphianassa), sollte, als
Agamemnon gegen
Troja
[* 2] gezogen war und dessen Gemahlin von
Ägisthos
(s. d.) verführt ward, das
Schicksal seines
Vaters teilen, ward aber von
Elektra (s. d. 2) zu dem Phokeerkönig Strophios gebracht,
wo er bis zu seinem 20. Jahr blieb und mit dessen Sohn
Pylades innige
Freundschaft schloß. Beide kamen
dann nach
Mykenä,
[* 3] und Oréstes
rächte die Ermordung seines
Vaters an der
Mutter und ihrem
Buhlen, indem er beiden den
Tod gab. Von
den
Eumeniden deshalb verfolgt, irrte er lange umher und wurde von ihrer
Rache endlich dadurch befreit,
daß
Athene
[* 4] auf dem
Areopag ein
Gericht über ihn niedersetzte und bei der
Abstimmung einen weißen
Stein in die Stimmurne warf,
der die
Freisprechung entschied, nach andrer
Sage dadurch, daß er das
Bild der
Artemis
[* 5] von den Tauriern nach
Griechenland
[* 6] brachte.
Dort war seine
Schwester Iphigeneia (s. d.) Priesterin und sollte den
Oréstes
als
¶
mehr
Fremden der Sitte gemäß opfern; sie erkannte aber in ihm ihren Bruder, entwendete das Bildnis durch List, und beide gelangten
glücklich nach Griechenland. Nach seiner Rückkehr nahm Oréstes
die väterliche Herrschaft von Mykenä in Besitz und erhielt außerdem
die Herrschaft von Argos und Lakonien. Er vermählte sich mit Hermione, der Tochter des Menelaos,
[* 8] und starb
in Arkadien an einem Schlangenbiß. Die Sage ist vielfach als Stoff zu Tragödien benutzt worden, so von Äschylos in einer Trilogie
(Oresteia): »Agamemnon«, »Choephoren« und »Eumeniden«, von Sophokles in der »Elektra«, von Euripides im »O.« und in der »Elektra«.
Vgl. Becker, Die Orestessage
der Griechen (Wittenb. 1858).
2) Röm. Feldherr zur Zeit des Untergangs des weströmischen Reichs, Sohn des Tatullus, aus Pannonien, wurde Geheimschreiber des Attila und von diesem mehrmals an den oströmischen Kaiser Theodosius II. abgesendet. Nach Attilas Tod 453 diente er den abendländischen Kaisern, wurde römischer Patrizier und Anführer der barbarischen Hilfstruppen, empörte sich gegen den Kaiser Julius Nepos, stürzte diesen vom Thron [* 9] (475) und erhob seinen Sohn Romulus Augustulus zum Kaiser, wurde aber hierauf von den aufständischen Hilfstruppen unter Odoaker in Pavia belagert und nach Eroberung der Stadt 28. Aug. 476 enthauptet.