Titel
Olivier
(spr. -wjeh), 1) Ludwig Heinrich Ferdinand, Erfinder einer nach ihm benannten Lesemethode, geb. zu La Sarra im Kanton Waadt, [* 2] studierte in Lausanne, [* 3] wurde 1781 Lehrer am Philanthropin zu Dessau [* 4] und errichtete 1793 eine blühende Erziehungsanstalt, die er aber 1801 wieder aufgab, um ganz für die weitere Ausbildung und Ausbreitung der von ihm erfundenen Lesemethode zu leben, die er in Leipzig [* 5] und Berlin [* 6] persönlich in mehreren Lehranstalten zur Einführung brachte.
Mit Tillich errichtete er 1809 von neuem ein Erziehungsinstitut, das er aber nach einigen Jahren jenem ganz überließ. Im Sommer 1811 kehrte er in die Schweiz [* 7] zurück und starb in Wien. [* 8] Seine Lesemethode gehört zu den Lautiermethoden, die, von dem durch den Buchstaben bezeichneten Sprachlaut ausgehend, den Buchstaben als Zeichen dieses Lauts erst nachher kennen lehren. Seine bekannteste Schrift ist das »Orthoepographische Elementarwerk etc.« (Dess. 1804-1806, 2 Bde.).
2) Heinrich, Maler, Sohn des vorigen, geb. 1783 zu Dessau, genoß mit seinem Bruder Ferdinand zunächst den Unterricht des Malers K. W. Kolbe, ging dann 1804 nach Dresden [* 9] und Paris [* 10] und lebte seit 1810 in seiner Vaterstadt, wo auch die meisten seiner durch Anmut der Komposition und Zartheit der Behandlung ausgezeichneten Werke sich teils in Kirchen, teils in Privatsammlungen befinden. Später ging er als Zeichen- und Sprachlehrer nach Berlin, wo er starb.
3)
Ferdinand,
Maler,
Bruder des vorigen, geb. zu
Dessau, machte seine ersten Kunststudien unter
K. W.
Kolbe, bildete sich seit 1804 zu
Dresden und lebte mit seinem
Bruder
Heinrich 1807-10 zu
Paris, wo beide im Auftrag des
Herzogs von
Dessau für die
Kirche zu
Wörlitz zwei große
Bilder
(Taufe
Christi und Einsetzung des
Abendmahls) im strengen Kirchenstil
sowie ein großes Reiterbild
Napoleons I. malten. Von
Paris ging er nach
Wien. Die
Resultate seiner dortigen
Studien sind eine
Reihe historischer
Landschaften in
Öl und 1823 eine
Folge eigenhändig lithographierter
Blätter unter dem
Titel:
»Sieben Gegenden aus
Salzburg
[* 11] und
Berchtesgaden«. Auch hat er damals auf
Overbeck,
Schnorr u. a. großen Einfluß durch seinen
Anschluß an die italienischen und deutschen
Meister des
Mittelalters geübt. Seit 1833
Professor der
Kunstgeschichte
an der
Akademie zu
München
[* 12] und Generalsekretär, malte Olivier
wenig mehr. Er starb in
München.
4) Woldemar
Friedrich,
Maler,
Bruder der vorigen, geb. zu
Dessau, war erst
Hilfslehrer bei seinem
Vater, widmete sich
seit 1811 zu
Wien unter seinem
Bruder
Ferdinand der
Malerei und nahm 1813 und 1814 am
Befreiungskrieg teil. 1814 kehrte er nach
Wien zurück, vollendete seit 1818 seine
Studien unter
Overbeck und
Cornelius zu
Rom,
[* 13] malte seit 1824 wieder in
Wien meist
Porträte
[* 14] und ging 1829 nach
München, wo
er an der Ausführung der Fresken im Königsbau, in den Nibelungensälen
und dem
Saal der Homerischen
Hymnen teilnahm. Besonders bemerkenswert ist seine »Volksbilderbibel in 50
Darstellungen aus dem
Neuen
Testament« (gestochen von Thäter,
Merz u. a., mit
Text von G. H. v.
Schubert, Gotha
[* 15] 1838; neue Ausg. 1882). Seit 1850 lebte
Olivier
in
Dessau, mit Unterrichtgeben beschäftigt. Hier schuf er eine
Auferstehung
Christi (in der
Kirche zu
Niemeck). Er starb in
Dessau.
5)
Juste
Daniel, der populärste Dichter und Schriftsteller der franz.
Schweiz, geb. zu Eysins im Kanton Waadt,
wirkte erst als
Lehrer zu
Neuchâtel und
Lausanne und privatisierte seit 1845, durch bürgerliche
Unruhen vertrieben, zu
Paris. Hochbetagt kehrte er 1871 in das Land seiner
Jugend zurück, wo er bald darauf, in Genf
[* 16] starb. Olivier
hat sich durch
die
Dichtung
»Chansons lointaines« (Par. 1847) sowie durch mannigfache Beiträge zur schweizerischen
Geschichte und
Ethnographie,
[* 17] ganz besonders aber durch seine
Novellen, die ihn
Rudolf
Töpffer ebenbürtig
erscheinen lassen, bekannt gemacht. Wir nennen davon: »M.
Argent et ses compagnons d'aventure« (1850);
»Deux nouvelles« (1854);
»Le [* 18] pré aux noisettes« (1863);
»Sentiers de montagnes« (1875) etc. Eine Auswahl seiner Werke, die zum Teil auch ins Deutsche [* 19] übersetzt wurden, erschien in 2 Bänden (Lausanne 1879).
Vgl.
Berthoud,
Juste Olivier
(Neuchât. 1880). -
Sein Bruder Jean Urbain, geb. hat sich ebenfalls mit Erzählungen als Schriftsteller bethätigt.