Ohrspeiche
ldrüsenentzündung
(Parotitis).
Entzündungen der Mundschleimhaut pflanzen sich nicht selten auf die
Speicheldrüsen
und
besonders auf die
Ohrspeicheldrüse fort. Die idiopathische oder spontane Ohrspeiche
ldrüsenentzündung (Bauerwetzel,
Mumps,
Ziegenpeter,
Parotitis
polymorpha) tritt epidemisch, seltener in vereinzelten
Fällen auf.
Kinder in den ersten Lebensjahren und
Greise pflegen verschont zu bleiben, das männliche
Geschlecht häufiger zu erkranken als das weibliche.
Den örtlichen Erscheinungen geht häufig ein leichtes Fieber voraus. Das Allgemeinbefinden ist gestört, es sind Hinfälligkeit, Kopfschmerz, Appetitmangel, unruhiger Schlaf und ähnliche Symptome vorhanden. Nachdem das Fieber 2-3 Tage angedauert hat, bildet sich in der Gegend des Ohrläppchens eine Geschwulst, welche sich schnell über den Backen und bis zum Hals ausbreitet und anfangs nur eine Seite des Gesichts einnimmt. Die Geschwulst ist ziemlich fest, die sie überziehende Haut [* 2] blaß oder nur schwach gerötet.
Die Anschwellung ist von einem spannenden und drückenden, nicht sehr heftigen
Schmerz begleitet. Das
Gesicht
[* 3] ist dabei auffallend entstellt, die
Bewegungen des
Kopfes sind gehindert, der Kranke vermag den
Mund nur wenig zu öffnen
und hat
Beschwerden beim Sprechen,
Kauen und
Schlingen. Die Speichelabsonderung ist unverändert. Häufig ist die Ohrspeiche
ldrüsenentzündung doppelseitig,
und die gleiche Schwellung zeigt sich dann nach einiger Zeit auch auf der andern Seite der
Wange. Gegen
den fünften oder sechsten
Tag beginnt die Geschwulst sich zu verlieren, das
Fieber verschwindet gänzlich, und nach 8-10
Tagen
hat das
Gesicht wieder seinen normalen
Ausdruck angenommen.
Weit seltener wird um den fünften oder sechsten
Tag, unter heftiger
Steigerung des
Fiebers, die Geschwulst
schmerzhafter, härter, stärker gerötet, und es bilden sich Eiterherde in derselben, welche nach außen oder in den äußern
Gehörgang durchbrechen. Merkwürdigerweise schwillt zuweilen eine
Hode nebst dem
Hodensack im Verlauf der Ohrspeiche
ldrüsenentzündung entzündlich
an. Die
Entzündung dieser Teile pflegt einen ebenso günstigen Verlauf wie die Ohrspeiche
ldrüsenentzündung selbst
zu nehmen und nach wenigen
Tagen zu verschwinden.
Manchmal scheinen die Ohrspeiche
ldrüsenentzündung und die Hodenschwellung förmlich abzuwechseln; erstere verschwindet,
während sich letztere entwickelt, und umgekehrt. Bei den Weibern schwellen die äußern
Schamteile und die
Brüste an, und
Schmerzen in der Gegend des einen oder andern
Eierstocks lassen schließen, daß auch letztere leicht entzündet
sind. Der Zusammenhang zwischen diesen
Krankheiten ist ganz unbekannt. Da die idiopathische Ohrspeiche
ldrüsenentzündung meist von selbst heilt, so
hat man nichts andres zu thun, als den Kranken während der Dauer des Übels vor Schädlichkeiten zu bewahren und etwanige
Unregelmäßigkeiten in der
Verdauung und Stuhlentleerung zu regulieren.
Der Kranke muß das Zimmer hüten, die Geschwulst ist mit Watte oder einem Kräuterkissen zu bedecken, und die Diät muß eher knapp als reichlich sein. Wenn größere Härte der Geschwulst, vermehrte Empfindlichkeit derselben und die Steigerung des Fiebers den Übergang in Eiterung befürchten lassen, so kann man denselben durch Ansetzen von Blutegeln zu verhüten suchen. Ist es zur Eiterung gekommen, so macht man warme Umschläge und eröffnet die Abscesse frühzeitig mit dem Messer, [* 4] damit es nicht zu größern Zerstörungen der Drüse komme.
Die metastatische (bösartige) Ohrspeiche
ldrüsenentzündung kommt im
Gefolge schwerer Krankheitsprozesse, namentlich des
Typhus und
Wundfiebers, vor.
Seltener wird sie im Verlauf des Choleratyphoids, der Jauchevergiftung des
Bluts, des
Kindbettfiebers,
der
Masern,
Pocken, der
Ruhr oder als Begleiterin schwerer
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Lungenentzündungen beobachtet; sie ist ein Zeichen, daß die Grundkrankheit einen besonders schweren Verlauf nimmt. Auch
die metastatische Ohrspeicheldrüsenentzündung
kann sich zerteilen und verschwinden, besonders wenn sie langsam entstanden
und nicht zu umfangreich geworden ist. Ebenso kann sie in Eiterung übergehen; ihre Behandlung ist wie bei der idiopathischen
Form.