ein seit 1806 mediatisiertes Reichsfürstentum im ehemaligen schwäbischen Kreis, eine fruchtbare Landschaft
von 990 km (18 OM.), jetzt teils zum bayrischen Regierungsbezirk Schwaben, teils zu Mittelfranken, teils zum württembergischen
Jagstkreis gehörig. Ein Teil derselben bildet das sogen. Ries. Die gleichnamige Hauptstadt liegt im bayrischen
Regierungsbezirk Schwaben, Bezirksamt Nördlingen, an der Wörnitz und der Linie Pleinfeld-Augsburg-Buchloe der Bayrischen Staatsbahn, 415 m ü. M.,
hat eine evangelische und eine kath. Pfarrkirche, eine Synagoge, eine Lateinschule, ein Schloß (Residenz des Fürsten von Öttingen-Spielberg),
eine Schranne, Orgelbauerei mit Dampfbetrieb, Tabaks- und Maschinenfabrikation und (1885) 3156 meist kath.
Einwohner.
in den beiden Linien Öttingen-Spielberg und Öttingen-Wallerstein blühendes Geschlecht, das seine Abstimmung auf die alten
schwäbischen Herzöge zurückführt, war schon in den frühsten Zeiten im Riesgau ansässig und seit dem 13. Jahrh. im erblichen
Besitz der Grafschaft Öttingen. Ersterer Zweig wurde 1734 in den Fürstenstand erhoben, letzterer erhielt 1774 die
Reichsfürstenwürde und 1808 das Oberhofmeisteramt des Königreichs Bayern als Kronlehen. Der gegenwärtige Fürst von Öttingen-Spielberg
ist Albrecht, erblicher bayrischer Reichsrat, geb. 21. Juni 1847; der gegenwärtig Fürst von Öttingen-Wallerstein Karl, geb. 16. Sept. 1840. Der
namhafteste Sprößling des Geschlechts ist des letztern Oheim Ludwig Krafft Ernst, Fürst von Öttingen-Wallerstein,
geb. 31. Jan. 1791, folgte seinem Vater, dem Fürsten Krafft Ernst, 1802 unter Vormundschaft seiner Mutter, einer Tochter des Herzogs
Ludwig von Württemberg, weigerte sich 1806, in französische Dienste zu treten, was die Mediatisierung seines Fürstentums zur
Folge hatte, studierte in Landshut, besonders unter Savigny, und wurde dann in Bayern Kronobersthofmeister
und Reichsrat. 1812 übernahm er die Verwaltung seiner Besitzungen und begann eine Sammlung von mittelalterlichen Rüstungen
und Waffen, Glasgemälden, Münzen und Schnitzwerken, besonders aber von Gemälden, welche König Ludwig I. 1828 großenteils
für seine Galerie erwarb. 1813 leitete er die allgemeine Landesbewaffnung in Schwaben, Südfranken und einem Teil Altbayerns.
Seine politische Wirksamkeit begann er 1815 als erster ständischer Kommissar auf dem württembergischen Landtag, wo er viel
zur Vollendung des Verfassungswerkes beitrug. Nicht minder war er als Vertreter des konstitutionellen Prinzips bei Entwerfung
des bayrischen Staatsgrundgesetzes thätig. Auf dem Landtag von 1822 rügte er freimütig die Mängel der Büreaukratie, zog
sich aber dadurch die Feindschaft der herrschenden Partei in hohem Maße zu, so daß ihm die Regierung, als er sich 7. Juli 1823 mit
Maria Crescentia Bourgin, der Tochter seines Garteninspektors in Hohenbaldern, vermählte und deshalb die Standesherrschaft
seinem jüngern Bruder, Friedrich von Öttingen (geb. 16. Okt. 1793, gest. 5. Nov. 1842),
überließ, das Kronamt und den Sitz in der Kammer entzog. König Ludwig gab ihm jedoch
mehr
1825 diese Würden zurück. 1828 ward er Regierungspräsident in Augsburg und 1831 Minister des Innern. Er legte zwar ein liberales
politisches Glaubensbekenntnis ab, doch entsprach seine Verwaltung den hierauf gegründeten Erwartungen nicht. Auf dem Landtag
von 1837 geriet er in Zwiespalt mit dem Finanzminister wegen Verwendung der finanziellen Ersparnisse und
erhielt infolgedessen seine Entlassung aus dem Ministerium; zugleich verzichtete er auf seine Stelle als Staatsrat, Generalkommissar
und Regierungspräsident, gab seine sämtlichen Orden zurück und behielt nur sein Kronobersthofmeisteramt und seinen Sitz
im Reichsrat. 1840 ward er durch die Angriffe, die er im Landtag vom Minister v. Abel erfuhr, in ein Duell
mit letzterm verwickelt und 1846 als außerordentlicher Gesandter nach Paris geschickt, kehrte aber nach dem Sturz des Ministeriums
Abel im Frühling 1847 nach München zurück und bildete Ende November eine neue Verwaltung, welche die Gegner das »Lola-Ministerium«
nannten, und in der Öttingen selbst das Ministerium des königlichen Hauses, des Äußern und des Innern für
Schul- und Kirchenangelegenheiten übernahm, wurde aber 12. März 1848 seines Ministeriums enthoben. Im Sommer 1849 legte er sein
Kronobersthofmeisteramt nieder und bewarb sich um eine Stelle in der Abgeordnetenkammer, der er seitdem als ein Wortführer
der Opposition angehörte, bis ihn seine zerrütteten Vermögensverhältnisse 1862 zwangen, vollständig
aus dem öffentlichen Leben zu scheiden. Nach einer ziemlich langen Schuldhaft begab sich Öttingen in die Schweiz, wo er in der Nähe
von Luzern
lebte und 22. Juni 1870 starb.
1) Alexander von, Theolog und Statistiker, geb. 24. Dez. 1827 in Livland auf dem elterlichen Rittergut Wissust,
widmete sich zu Dorpat von 1845 bis 1849 dem Studium der Theologie, dann in Berlin, Erlangen, Bonn und Rostock
dem der orientalischen Sprachen und der Philosophie. Hierauf habilitierte er sich 1854 als Privatdozent in Dorpat und ward 1856 außerordentlicher, 1857 ordentlicher
Professor in der theologischen Fakultät. In demselben Jahr begründete er die »Dorpater Zeitschrift für
Theologie und Kirche«.
Öttingens Hauptwerk ist: »Die Moralstatistik in ihrer Bedeutung für eine Sozialethik« (Erlang. 1869-74, 2 Tle.; 3. Aufl. 1882).
Ferner schrieb er: »Antiultramontana« (Erlang. 1876);
»Wahre und falsche Autorität mit Rücksicht auf die gegenwärtigen Zeitverhältnisse«
(Leipz. 1878);
»Zur Inspirationsfrage« (Riga 1878);
»Obligatorische und fakultative Zivilehe« (Leipz. 1881);
»Über akuten und chronischen Selbstmord« (Dorpat 1881);
»Christliche Religionslehre auf reichsgeschichtlicher Grundlage« (Erlang.
1885);
»Was heißt christlich-sozial?« (Leipz. 1886).
Außerdem gab er Hippels »Lebensläufe« (Leipz. 1878) und
Goethes »Faust« (mit Erläuterungen, Erlang. 1880) heraus.
2) Arthur von, Physiker und Musiktheoretiker, geb. 28. (16.) März 1836 zu Dorpat, studierte 1853-1858 daselbst
sowie 1859-62 noch in Berlin Physik, Physiologie und Mathematik, habilitierte sich 1863 als Dozent der Physik in Dorpat und wurde 1865 zum
außerordentlichen, 1866 zum ordentlichen Professor ernannt. Seit 1877 ist er korrespondierendes Mitglied der Petersburger Akademie
der Wissenschaften. Öttingen veröffentlichte verschiedene wertvolle physikalische Abhandlungen über »Die
Korrektion der Thermometer, insbesondere über Bessels Kalibriermethode«, über »Elektrische Entladungen« und über »Mechanische
Wärmetheorie« (in Poggendorffs und
Wiedemanns »Annalen«); ferner »Meteorologische Beobachtungen, in Dorpat angestellt, mit kritischen
Abhandlungen« und »Über einen neukonstruierten Windkomponenten-Integrator«
(im »Repertorium für Meteorologie«).
Sein musiktheoretisches Werk: »Harmoniesystem in dualer Entwickelung« (Dorpat 1866) ist von hoher Bedeutung
für die Weiterentwickelung der Harmonielehre, da dem schon von ältern Theoretikern (Zarlino, Tartini) aufgestellten, von Moritz
Hauptmann sozusagen neuerfundenen und mit Nachdruck zur Geltung gebrachten Dualismus der harmonischen Auffassung (Mollkonsonanz
und Durkonsonanz, als polare Gegensätze gedacht) eine wissenschaftliche Basis gab und denselben konsequent weiter entwickelte.