ein seit 1806 mediatisiertes Reichsfürstentum im ehemaligen schwäbischen
Kreis,
[* 2] eine fruchtbare
Landschaft
von 990 km (18 OM.), jetzt teils zum bayrischen Regierungsbezirk
Schwaben, teils zu
Mittelfranken, teils zum württembergischen
Jagstkreis gehörig. Ein Teil derselben bildet das sogen.
Ries. Die gleichnamige Hauptstadt liegt im bayrischen
Regierungsbezirk
Schwaben, Bezirksamt
Nördlingen,
[* 3] an der
Wörnitz und der
LiniePleinfeld-Augsburg-Buchloe der
Bayrischen Staatsbahn, 415 m ü. M.,
hat eine evangelische und eine kath.
Pfarrkirche, eine
Synagoge, eine Lateinschule, ein
Schloß
(Residenz des
Fürsten von Öttingen-Spielberg),
eine
Schranne, Orgelbauerei mit Dampfbetrieb,
Tabaks- und Maschinenfabrikation und (1885) 3156 meist kath.
Einwohner.
Seine politische Wirksamkeit begann er 1815 als erster ständischer
Kommissar auf dem württembergischen
Landtag, wo er viel
zur Vollendung des Verfassungswerkes beitrug. Nicht minder war er als Vertreter des konstitutionellen
Prinzips bei Entwerfung
des bayrischen
Staatsgrundgesetzes thätig. Auf dem
Landtag von 1822 rügte er freimütig die Mängel der
Büreaukratie, zog
sich aber dadurch die
Feindschaft der herrschenden
Partei in hohem
Maße zu, so daß ihm die
Regierung, als er sich mit
MariaCrescentia Bourgin, der Tochter seines Garteninspektors in Hohenbaldern, vermählte und deshalb die Standesherrschaft
seinem jüngern
Bruder,
Friedrich vonÖttingen (geb. gest.
überließ, das Kronamt und den Sitz in der
Kammer entzog. König
Ludwig gab ihm jedoch
¶
mehr
1825 diese Würden zurück. 1828 ward er Regierungspräsident in Augsburg
[* 11] und 1831 Minister des Innern. Er legte zwar ein liberales
politisches Glaubensbekenntnis ab, doch entsprach seine Verwaltung den hierauf gegründeten Erwartungen nicht. Auf dem Landtag
von 1837 geriet er in Zwiespalt mit dem Finanzminister wegen Verwendung der finanziellen Ersparnisse und
erhielt infolgedessen seine Entlassung aus dem Ministerium; zugleich verzichtete er auf seine Stelle als Staatsrat, Generalkommissar
und Regierungspräsident, gab seine sämtlichen Orden
[* 12] zurück und behielt nur sein Kronobersthofmeisteramt und seinen Sitz
im Reichsrat. 1840 ward er durch die Angriffe, die er im Landtag vom Minister v. Abel erfuhr, in ein Duell
mit letzterm verwickelt und 1846 als außerordentlicher Gesandter nach Paris
[* 13] geschickt, kehrte aber nach dem Sturz des MinisteriumsAbel im Frühling 1847 nach München
[* 14] zurück und bildete Ende November eine neue Verwaltung, welche die Gegner das »Lola-Ministerium«
nannten, und in der Öttingen selbst das Ministerium des königlichen Hauses, des Äußern und des Innern für
Schul- und Kirchenangelegenheiten übernahm, wurde aber seines Ministeriums enthoben. Im Sommer 1849 legte er sein
Kronobersthofmeisteramt nieder und bewarb sich um eine Stelle in der Abgeordnetenkammer, der er seitdem als ein Wortführer
der Opposition angehörte, bis ihn seine zerrütteten Vermögensverhältnisse 1862 zwangen, vollständig
aus dem öffentlichen Leben zu scheiden. Nach einer ziemlich langen Schuldhaft begab sich Öttingen in die Schweiz,
[* 15] wo er in der Nähe
von Luzern
[* 16] lebte und starb.
Öttingens Hauptwerk ist: »Die Moralstatistik in ihrer Bedeutung für eine Sozialethik« (Erlang. 1869-74, 2 Tle.; 3. Aufl. 1882).
Ferner schrieb er: »Antiultramontana« (Erlang. 1876);
»Wahre und falsche Autorität mit Rücksicht auf die gegenwärtigen Zeitverhältnisse«
(Leipz. 1878);
Sein musiktheoretisches Werk: »Harmoniesystem in dualer Entwickelung« (Dorpat 1866) ist von hoher Bedeutung
für die Weiterentwickelung der Harmonielehre, da dem schon von ältern Theoretikern (Zarlino, Tartini) aufgestellten, von MoritzHauptmann sozusagen neuerfundenen und mit Nachdruck zur Geltung gebrachten Dualismus der harmonischen Auffassung (Mollkonsonanz
und Durkonsonanz, als polare Gegensätze gedacht) eine wissenschaftliche Basis gab und denselben konsequent weiter entwickelte.