Ölmalerei
,
die Kunst, mit Ölfarben (s. d.) zu malen, hat wegen der Lebhaftigkeit, Kraft [* 2] und Naturwahrheit der Farben, wegen der Mannigfaltigkeit und Mischung der Tinten und endlich wegen der großen Haltbarkeit vor allen übrigen Arten der Malerei (s. d.) große Vorzüge. Die Farben sind dunkler, aber auch saftiger, glänzender und feuriger als die Wasserfarben. Man erreicht in Ölfarben den Schmelz, womit die Natur die Gegenstände schmückt, die zarten Übergänge, das Durchsichtige der Schatten. [* 3]
Auch leiden die mit guten Materialien, reinen Ölen und Firnissen und entsprechend dauerhaften Pigmenten hergestellten Ölgemälde minder von Wasser und feuchter Luft, denn die Ölfarbe löst sich nicht wieder auf. Die einmal gut durchgetrockneten Stellen können vom Maler so oft, als es ihm notwendig erscheint, wieder übermalt werden. Durch öfteres Übermalen, nach Erfordernis mit Deck- oder Lasurfarben, aber wird die gewünschte Harmonie und die höchste Wirkung der Farben besser erreicht, als wenn man die Farben stehen lassen muß, wie sie zuerst aufgetragen worden sind.
Bei der Übermalung mit den sog. Lasurfarben scheint die
Untermalung stets noch durch, wodurch speciell
nur der Ölmalerei
eigentümliche Wirkungen erzielt werden. Da die
Ölfarbe stets eine gewisse Konsistenz hat und somit die nahe
aneinander gelegten
Tinten nicht ineinander fließen, so kann der
Maler mit ihr eine bessere Mischung und bestimmtere Nebeneinandersetzung
der
Farben erreichen als in Wasserfarben. Durch einen
Überzug von Firnis sucht man den
Staub, der sich
leicht auf der Bildfläche festsetzt, unschädlich zu machen und dieselbe gegen die Einwirkung der Feuchtigkeit, der
Temperatur
u. s. w. zu schützen. Am besten ist die Anwendung des Mastixfirnisses, einer Lösung von
Mastixharz in
Terpentinöl, welcher sich, wenn er gelb geworden, wieder entfernen und neu ersetzen läßt.
Ein großer
Vorteil der Ölmalerei
ist auch der, daß der
Maler die Wirkung seiner
Arbeit schon während des Arbeitens sicher beurteilen
kann, indem die
Farben im
Trocknen sich nicht verändern wie die Wasserfarben; nur muß er, um dem Nachdunkeln vorzubeugen,
gleich anfangs den
Ton etwas kräftiger und heller halten, nicht viel Siccative verwenden und die richtige
Auswahl in den
Pigmenten treffen. Die
Deutsche Gesellschaft zur Beförderung
[* 4] rationeller Malverfahren (s. d.) hat
auf dem 1893 in
München
[* 5] stattgehabten
Kongreß genaue Normen für die
Farben und
Bindemittel der Ölmalerei
aufgestellt.
Man malt mit Öl gegenwärtig meist auf Leinwand, weniger auf Holz [* 6] und Pappe. Man wendet ¶
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die Ölfarbe ferner auch auf Metalle, Kupfer, [* 8] Aluminium u. s. w., auf Mauerwerk, Taffet und Seide, [* 9] Leder u. s. w. an. Die betreffenden Unterlagen werden in der Regel vorher grundiert und zwar entweder mit Ölgrund oder sog. Leimgrund, auf welchen dann das Bild aufgezeichnet und mit Farbe angelegt und fertig gemalt wird. Bei dem Auftragen der Farben bedient man sich der Palette (s. d.). Mit derselben zugleich hält die Linke den Malstock von leichtem Holz oder Rohr; er dient der Rechten, welche den Pinsel führt, zur Unterlage.
Die Pinsel sind zumeist Borstenpinsel, deren Spitzen durch Spalten der einzelnen Borsten elastisch gemacht werden. Größere Pinsel aus Dachshaaren, womit man Hintergründe, Lüfte, Untermalungen u. s. w. herstellt und vertreibt, heißen Vertreiber. Die vorbereitete Leinwand, welche auf Keilrahmen befestigt ist, oder die Malbretter u. s. w. stellt man zum Bemalen auf die Staffelei. Die Kunst, die Farbenschichte eines Ölgemäldes mit ihrer Grundierung vom Holze abzulösen und auf Leinwand zu übertragen, soll von einem gewissen Picault erfunden worden sein; auch pflegt man in neuerer Zeit das wurmstichige Holz bis auf die Grundierung des Gemäldes ganz fein abzuhobeln und diese auf neues Holz zu fournieren.
Ölgemälde, an denen die Leinwand Risse bekommt und abspringt, werden auf neue Leinwand gezogen. Das veränderte Aussehen, welches man nach Jahren zuweilen an gefirnißten Ölgemälden wahrnimmt, wird in vielen Fällen weniger durch chem. als durch physik. Einflüsse bedingt, obwohl die Verschlechterung der Malerfarben und der Malmittel von seiten der modernen Industrie den baldigen Verfall einer großen Mehrzahl moderner Meisterwerke verschuldet hat. In jenen Fällen, in denen die Veränderungen einer Bildoberfläche nur durch physik.
Wirkungen, z. B. das Rissigwerden der Firnisdecke u. s. w. bedingt sind, läßt sich das Gemälde durch das Pettenkofersche Regenerationsverfahren leicht restaurieren oder regenerieren, indem hierbei das Gemälde in einem geeigneten Apparat der Einwirkung von Alkoholdämpfen ausgesetzt wird; die geringe Menge des absorbierten Alkohols verdunstet sehr bald, wenn man das Gemälde der Luft aussetzt, und die Oberfläche des Bildes bleibt dann ebenso lange klar wie eine frisch gefirnißte.
Die Kunstgeschichte nennt Jan van Eyck (s. d.) als Erfinder der Ölmalerei.
Dies ist indes nur so
zu verstehen, daß es ihm gelang, diese für größere Aufgaben verwendbar zu machen. In der Miniaturmalerei
und insbesondere zu untergeordneten Zwecken war sie im Mittelalter schon seit Jahrhunderten angewendet worden. Jan van Eycks
Verdienst besteht wesentlich darin, daß er die Materialien für die Ölmalerei
durch einen Zusatz von Harzfirnis
zu den Farbenbindemitteln verbesserte, eine gleichmäßige Trocknung der verschiedenen Pigmente ermöglichte, die optische
Wirkung der Ölfarbe, Leuchtkraft, Glanz und Tiefe, aufs höchste steigerte und die Dauerhaftigkeit der Ölbilder
gleichzeitig sicherte, kurz, daß er die Zubereitung und Anwendung der Ölfarbe auf einen Grad der Vollkommenheit brachte, der
vor ihm nicht erreicht und später niemals übertroffen werden konnte. Er malte in der Regel mit seinen Harzölfarben
auf
einen gut geleimten, wenig einsaugenden Kreidegrund, zeichnete den Umriß und untermalte meist das Bild
mit
einem warm-bräunlichen Lasurton, welcher die Zeichnung durchscheinen ließ, und trug endlich die Lokalfarbe, dünner
in den Lichtern, stärker in den Schatten auf.
Italiener (wie Antonello da Messina) und Deutsche, die in der Schule der Brüder van Eyck lernten, brachten
diese verbesserte Art der Ölmalerei
in ihre Heimat. Erst Ende des 15. Jahrh. aber drang sie den deutschen Leimfarben und der ital.
Temperamalerei gegenüber vollständig durch. –
Vgl. H. C. Hebra, Handbuch für Maler (Stuttg. 1834);
Eastlake, Materials for a history of oil-painting (Lond. 1847);
Ilg in Eitelbergers «Quellenschriften für Kunstgeschichte», Bd. 4 (Wien [* 10] 1873);
Bouvier, Handbuch der Ölmalerei
(7. Aufl., Braunschw.
1895);
A. Keim, Über die Grundlagen für eine rationelle Technik der Ölmalerei
(Münch. 1889);
A. Hauser, Anleitung zur Technik der
Ölmalerei
(2. bis 4. Aufl., ebd. 1889‒91).