Ölbaum
(Olive, Olea R. Br.), Gattung aus der Familie der Oleaceen, kahle oder mehr oder minder schuppige Bäume oder Sträucher mit gegenständigen, lederartigen, einfachen, ganzrandigen, selten gezahnten Blättern, in achselständigen Büscheln, Trauben oder Rispen stehenden Blüten und eiförmiger oder kugeliger, fleischigen, ein-, seltener zweisamiger Steinfrucht, 35 Arten in den Mittelmeerländern, Afrika, [* 2] den Maskarenen, dem tropischen und mittlern Asien [* 3] und in Neuseeland.
Der echte (O. europaea L., s. Tafel »Öle [* 4] etc. liefernde Pflanzen«) ist ein dorniger Strauch (O. Oleaster Lk. et Hoffmnsg., die wilde Form), in der Kultur ein 6-10 m hoher Baum mit stark verästelter, immergrüner Krone, grüngrauer, glatter, im Alter rissiger Rinde, weißgrauen Ästchen, sehr kurz gestielten, lanzettlichen oder elliptischen, oberseits grünen, zerstreut schelferigen, unterseits dicht schelferigen und daher silberweißen, grauen, goldfarbenen oder selbst rostbraunen Blättern, achselständigen, schelferigen Blütentrauben, kleinen, weißen Blüten, rundlich-länglicher, schwarzer, in der Kultur kugelrunder, umgekehrt eirunder oder ovaler, grüner, weißlicher, rötlicher, blauer oder schwarzer Steinfrucht (Oliven) mit grünlichweißem, öligem Fleisch und keulenförmiger, knochenharter, einfächeriger, einsamiger Steinschale.
Der Ölbaum
stammt aus
Asien, wächst wild an der Ostküste
Afrikas unter 22° nördl.
Br., findet sich jetzt verwildert als »wilder
Ölbaum«
(Oleaster
Plin.) in den Mittelmeerländern, besonders in
Griechenland,
[* 5] und wird im ganzen Mittelmeergebiet, in der
Krim,
[* 6] auch in
Amerika,
[* 7] besonders in
Mexiko,
[* 8]
Chile
[* 9] und
Peru,
[* 10] wohin ihn schon 1560
Antonio Ribero brachte, in vielen
Varietäten kultiviert, die aber leicht in die Urform zurückschlagen. Er ist der vorzüglichste
Repräsentant der immergrünen
Region und steigt in der
Sierra Nevada bis 950 m, bei
Nizza
[* 11] bis 750 m, am
Ätna
[* 12] bis 690 m. Er erreicht ein
sehr hohes
Alter, leidet aber leicht durch
Frost in kalten
Wintern, wodurch nicht nur die
Ernte
[* 13] einzelner Jahre, sondern der
Bestand ganzer
Plantagen bedroht ist.
Man pflanzt ihn durch Okulieren, [* 14] Samen [* 15] und Stecklinge fort; auch kann man ihn auf die gemeine Rainweide (Ligustrum) okulieren. Die Oliven werden roh und in Salzwasser gelegt genossen. Meist werden sie aber vor völliger Reife abgenommen, in Kalkwasser gelegt, wodurch sie weicher werden und einen mildern Geschmack erhalten, und dann entweder in Salz [* 16] oder auch in Essig eingelegt. In dieser Zubereitung bilden sie eine beliebte Vorspeise (hors-d'œuvre). Auch getrocknete Oliven werden gegessen.
In der
Küche werden frische und konservierte
Oliven zu
Ragouts,
Salaten,
Saucen und zum
Garnieren benutzt. Hauptsächlich gewinnt
man aus den reifen
Früchten das
Olivenöl; auch die
Kerne liefern fettes
Öl. Das Ölbaumholz
ist
grüngelb, dunkel geädert
und gefleckt, fest und dauerhaft und nimmt gute
Politur an. Auch das
Holz
[* 17] andrer
Arten wird als
Nutzholz
verwertet, so das von O. lancea
Lam. auf
Réunion, das von O. undulata
Jacq. am
Kap als schwanzes
Ebenholz, das von O. paniculata
R. Br. in
Neusüdwales und
Queensland als Marmorholz, auch das von O. americana
Mich. (s. u.). Ein aus alten
Stämmen schwitzendes,
vanilleartig riechendes
Harz, welches kristallinisches
Olivin
[* 18] enthält, dient in
Italien
[* 19] zum
Räuchern. -
Die
Heimat des Ölbaums
ist nicht sicher ermittelt; seine lange Entwickelungsperiode weist auf ein Land hin, wo die
Winter
kurz und mild sind und die trockne
Jahreszeit andauert.
Diese
Bedingungen sind innerhalb des Verbreitungsbezirks des Ölbaums
am besten in
Syrien und an der anatolischen
Küste erfüllt. Die Geschichte des Ölbaums
reicht bis in das höchste
Altertum. Die Ölfrucht war den
Juden im
Gelobten Land
verheißen, bildete einen bedeutenden Teil des
Reichtums im Land und war nächst dem Feigenbaum und
Weinstock das
Bild des Wohlstandes
und bürgerlichen
Glückes. Die eingewanderten Israeliten fanden den Ölbaum
schon vor, und
David und
Salomo
beförderten seinen Anbau.
Man benutzte das
Öl zu
Speisen, bei den
Opfern, als Brennöl und zum
Salben des
Haars und des ganzen
Körpers. Tiefer nach
Asien
hinein verschwindet die
Kultur des Ölbaums
,
denn er liebt die
Nähe des
Meers und das Kalkgebirge; auch
Ägypten
[* 20] brachte kein
Olivenöl hervor. Zu
Homers
Zeiten benutzte
man in
Griechenland das
Holz des wilden Ölbaums
wegen seiner
großen
Festigkeit
[* 21] zu Axtstielen etc.; das
Öl diente zum
Salben des
Körpers, aber nur den
Reichen und Edlen und nicht als Erzeugnis
des
Bodens, und ward wohl aus dem
Orient eingeführt.
Die Olivenkultur faßte dann
Fuß auf dem ionischen
Küsten- und Inselboden. Bei den spätern Griechen galt
Athen
[* 22] als der Ursitz
dieser
Kultur.
Solon erließ gesetzliche Bestimmungen über den
Oliven- und Feigenbau, und
Peisistratos soll sich um den Anbau
des Ölbaums
in der bis dahin kahlen und baumlosen
Landschaft bemüht haben. In der
Akademie standen die
der
Athene
[* 23] geweihten unantastbaren Ölbäume; sie stammten von der Mutterolive auf der
Burg, die von der
Göttin selbst geschaffen
und später nach der
Verbrennung durch die
Perser von selbst aus der
Wurzel
[* 24] wieder aufgesproßt sein sollte.
Homer kannte die Beziehung des Ölbaums
zur
Athene noch nicht. Im 7., jedenfalls im 6. Jahrh. kam der Ölbaum
auch
nach
Italien, wo er zur Zeit des
Tarquinius Priscus noch nicht zu finden war. Im 1. Jahrh.
v. Chr. war
Italien das ölreichste
Land. Von
Massilia war mit dem
Wein auch die
Olive in
Gallien vorgerückt und nach der ligurischen
Küste
gekommen. Wie schon in
Griechenland ein
Kranz von Ölzweigen die höchste Auszeichnung des um das Vaterland hochverdienten
Bürgers sowie der höchste Siegeskreis bei den
Panathenäen und den
Olympischen
Spielen war, so trugen bei den
Römern die nicht
im
Feld gewesenen
Diener lorbeergeschmückter
Feldherren einen
Kranz von Ölzweigen.
Der Ölzweig war das Symbol des Friedens, und Besiegte, die um Frieden zu bitten kamen, trugen Ölzweige in den Händen. Auf den Frieden der höhern Welt ist dies übertragen, wenn die Neophyten in den samothrakischen Mysterien Ölzweige trugen, oder wenn auf den Grabsteinen der ältesten Christen eine Taube mit einem Ölzweig erscheint. Aus der Sitte, Ölbäume als Grenzmarken zu setzen, läßt sich das Sprichwort erklären: extra oleas vagari (»über die Ölbäume hinausschweifen«),
für: Maß und Ziel überschreiten. Die Früchte des amerikanischen ¶
mehr
Ölbaums
(O. americana Mich.), in Carolina, Florida, werden gegessen; die weißen, zierlichen Blüten sind wohlriechend und bilden
winkelständige Trauben; das sehr harte Holz führt den Namen Devil-Wood. Der wohlriechende (O. fragrans Thb.), in China,
[* 26] Kotschinchina
und Japan, ist ein immergrüner, 2 m hoher Strauch, dessen Blätter zum Parfümieren des chinesischen Thees
dienen.
Vgl. Reynaud, De l'olivier (Par. 1862);
Coutance, L'olivier, histoire, botanique, régions etc. (das. 1878). -