Öffentlich
keit.
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Seite 12.338. Das moderne Verfassungsleben erblickt in der Öffentlichkeit
derjenigen
Verhandlungen, welche wichtige staatsbürgerliche
Rechte anbetreffen, eine bedeutungsvolle
Garantie der Volksfreiheit überhaupt. Wie dem
Volk in den konstitutionellen
¶
mehr
Staatswesen ein unmittelbares Recht der Mitwirkung bei den wichtigsten Regierungshandlungen durch seine erwählten Volksvertreter
zusteht, so soll ihm auch das Recht der Kritik und der öffentlichen
Kontrolle gegenüber den Verhandlungen der parlamentarischen
Körperschaft unverkürzt sein. In allen Verfassungsurkunden ist daher die der Landtagsverhandlungen eingeführt, wenn
auch geheime Sitzungen stattfinden können. Die Verfassung des Deutschen Reichs (Art. 22) erkennt den Grundsatz
der der Verhandlungen des Reichstags ausdrücklich an. Auch die Verhandlungen von Gemeindekollegien und Vertretungen der weitern
Kommunalverbände sind in der Regel öffentlich
, wofern die Körperschaft nicht zu einer geheimen Sitzung zusammentritt.
Nicht öffentlich
sind die Verhandlungen der parlamentarischen Kommissionen; doch besteht bei diesen wenigstens
für die Mitglieder der Volksvertretung Öffentlichkeit
, insofern dieselben, auch wenn sie nicht Mitglieder der Kommission sind, die Beratungen
und Verhandlungen der letztern gleichwohl mit anhören dürfen. Die der Sitzungen hat die doppelte Bedeutung, daß zu denselben
Zuhörer zugelassen, und daß über sie Berichte veröffentlicht
werden dürfen. Das deutsche Strafgesetzbuch
(§ 12) bestimmt ausdrücklich: wahrheitsgetreue Berichte über Verhandlungen eines Landtags oder einer Kammer eines zum Reiche
gehörigen Staats bleiben von jeder Verantwortlichkeit frei. Eine analoge Bestimmung bezüglich der öffentlichen
Verhandlungen
des Reichstags findet sich auch in der Reichsverfassung (Art. 22).
Von besonderer Wichtigkeit ist der Grundsatz der der Rechtspflege, wonach dem Publikum in bürgerlichen
Rechtsstreitigkeiten wie in Strafsachen zu den gerichtlichen Verhandlungen der Zutritt gestattet ist (selbstverständlich mit
den durch die Raumverhältnisse gebotenen Beschränkungen). Diese Öffentlichkeit
bezieht sich in erster Linie auf die Beteiligten selbst,
indem in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten die Parteien, im Strafprozeß der Angeschuldigte ein Recht darauf
haben, daß ihnen durch den Prozeßgang Gelegenheit geboten werde, das zur Sache Verhandelte zu erfahren und zu prüfen, sich
darüber vor Gericht auszusprechen und das Urteil und seine Entscheidungsgründe zu vernehmen.
Oesterreich ob der Enn

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Österreich.
Aber auch die Öffentlichkeit
für das nicht direkt beteiligte Publikum ist als eine Art Kontrolle der öffentlichen
Meinung über die Rechtspflege von großer Wichtigkeit, während die Gerichtsberatungen mit Recht der Öffentlichkeit
entzogen sind. Ebenso
ist die Bestimmung, daß die Öffentlichkeit
im Interesse der Sittlichkeit und der öffentlichen Ordnung durch Gerichtsbeschluß ausgeschlossen
werden kann, als zweckmäßig anzuerkennen, desgleichen der Ausschluß der Öffentlichkeit
in Ehesachen. Nach
dem deutschen Gerichtsverfassungsgesetz erfolgt die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht (also nicht auch die Voruntersuchung
in Strafsachen), einschließlich der Verkündigung der Urteile und Beschlüsse, öffentlich. In England ist auch die Voruntersuchung
öffentlich, während sie in Österreich,
[* 3] ebenso wie in Deutschland,
[* 4] geheim ist. In allen Sachen kann nach dem deutschen Gerichtsverfassungsgesetz
und dem Nachtragsgesetz vom durch das Gericht für die Verwandlung oder für einen Teil derselben die Öffentlichkeit
ausgeschlossen
werden, wenn sie eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung, insbesondere der Staatssicherheit, oder eine Gefährdung der
Sittlichkeit besorgen läßt.
Die Verkündigung des Urteils erfolgt aber in jedem Fall öffentlich. Doch kann für die Verkündung der
Urteilsgründe die Öffentlichkeit
ganz oder teilweise ausgeschlossen werden, wenn sie eine Gefährdung der Staatssicherheit
oder
der Sittlichkeit besorgen läßt. Außer in Ehesachen ist die Öffentlichkeit
auch in Entmündigungssachen keine
unbedingte. Das Gericht kann zu nicht öffentlichen Verhandlungen einzelnen Personen den Zutritt gestatten. Über Gerichtsverhandlungen,
welche wegen Gefährdung der Staatssicherheit unter Ausschluß der Öffentlichkeit
stattgefunden
haben, dürfen Berichte durch die Presse
[* 5] nicht veröffentlicht werden.
Ferner kann das Gericht den bei der Verhandlung anwesenden Personen die Geheimhaltung bestimmter Thatsachen besonders zur Pflicht
machen, sofern die Öffentlichkeit
wegen Gefährdung der Staatlicherheit ausgeschlossen ist. Die Verletzung dieses sogen. Schweigebefehls
(Schweigegebots) ist mit Strafe bedroht. Ebenso ist es durch das Reichsgesetz vom für strafbar erklärt, wenn jemand
aus Gerichtsverhandlungen, für welche wegen Gefährdung der Sittlichkeit die Öffentlichkeit
ausgeschlossen war, oder aus den diesen
Verhandlungen zu Grunde liegenden amtlichen Schriftstücken öffentliche Mitteilungen macht, welche geeignet sind, Ärgernis
zu erregen.
Vgl. Deutsches Gerichtsverfassungsgesetz, § 45 ff., 170 ff., 195; Strafprozeßordnung, § 102, 106, 190 ff., 272, 369, 377; Österreichische Strafprozeßordnung, § 97, 162, 228 ff., 281.