Odysseus
,
bei den Römern Ulixes (falsch Ulysses), im griech. Mythus König von Ithaka, Sohn des Laertes und der Antikleia, der Tochter des Autolykos (s. d. 1), Gemahl der Penelope und Vater des Telemachos. Da ihm geweissagt worden war, er werde erst nach 20 Jahren in seine Heimat zurückkehren, suchte er sich der Teilnahme an dem Trojanischen Krieg zu entziehen und stellte sich wahnsinnig, als Agamemnon, Menelaos [* 2] und Palamedes nach Ithaka kamen, um ihn zur Befreiung der geraubten Helena aufzufordern.
Durch eine
List entdeckte jedoch
Palamedes die Verstellung des Odysseus
, und nun weigerte sich derselbe nicht
länger. Er führte die zwölf
Schiffe,
[* 3] welche von den
Inseln des
Ionischen
Meers aus gegen
Troja
[* 4] zogen, und zeichnete sich während
der Belagerung der Stadt durch
List, Gewandtheit und Rednergabe aus. Er nahm teil an der Gesandtschaft,
welche an
Priamos wegen
Auslieferung der
Helena geschickt wurde, versöhnte
Agamemnon mit
Achilleus und ging als
Kundschafter in
das
Lager
[* 5] der
¶
mehr
Trojaner. Er führt die Chryseïs wieder zu ihrem Vater zurück und meldet sich zum Zweikampf mit Hektor; er erschlägt den Späher
Dolon und hilft die schönen Rosse des Rhesos entführen; er ist bei allen Unternehmungen, welche Mut und Schlauheit erfordern,
der erste und vorderste. Auch war er unter denen, welche sich in dem hölzernen Pferd
[* 7] verborgen hatten.
Er erhob daher auch gerechten Anspruch auf die Waffen
[* 8] des Achilleus. Noch bevor die Griechen nach Zerstörung der Stadt in die
Heimat abzogen, war Odysseus
mit Nestor abgesegelt; aber er mußte zehn Jahre auf der Reise nach Ithaka zubringen.
Nachdem er durch einen Sturm zu den Kikonen, den Bundesgenossen der Trojaner, getrieben worden, deren Stadt
Ismaros er plünderte, kam er zu den Lotophagen und hierauf an die Küste von Sizilien
[* 9] zu den Kyklopen,
[* 10] wo er den Polyphem (s. d.)
überlistete. Von Äolos, dem König der Winde,
[* 11] dessen Insel er besuchte, erhielt er einen Schlauch, in welchem
die ungünstigen Winde gefesselt waren; bereits war Odysseus
in der Nähe Ithakas, als seine Gefährten unvorsichtig den Schlauch öffneten,
worauf die entfesselten Winde ihn zu den Äolischen Inseln zurücktrieben.
Von da ward er zu den Lästrygonen verschlagen, die viele seiner Begleiter auffraßen, und kam dann nach der Insel Äa, wo die Zauberin Kirke seine Gefährten in Schweine [* 12] verwandelte. Durch ein von Hermes [* 13] empfangenes Kraut den Zauber lösend, erzwang er die Rückgabe seiner Gefährten und blieb ein Jahr bei der Zauberin, während welcher Zeit er sich auch in der Unterwelt von Teiresias sein Schicksal verkünden ließ. Glücklich segelte er dann bei den Sirenen vorüber, verlor aber bei der Fahrt durch die Skylla und die Charybdis sowie durch einen spätern Sturm sein Schiff [* 14] samt allen noch übrigen Begleitern. Er allein rettete sich auf die Insel Ogygia, wo ihn die Nymphe Kalypso gut aufnahm und sieben Jahre lang bei sich behielt.
Als er endlich weiter segelte, litt er, von einem furchtbaren Sturm überfallen, im Angesicht der Insel der Phäaken abermals
Schiffbruch, gelangte jedoch mit Hilfe der Leukothea ans Land. Gastfreundlich bei den Phäaken aufgenommen, kämpfte er in den
Spielen derselben und erhielt, nachdem er sich ihnen entdeckt, ein Schiff ausgerüstet, das ihn endlich
glücklich nach Ithaka brachte. Hier findet er seine treue Gattin von zahllosen Freiern, die in seinem Palast schwelgten, bestürmt
und das Leben seines Sohns von denselben bedroht. Er entdeckt sich dem letztern in der Hütte des treuen Sauhirten Eumäos und
bespricht mit ihm die Ermordung der Freier. In Bettlergestalt betritt er sein Haus, nur von einem treuen
Hund erkannt, unterredet sich dann unerkannt mit Penelope, ihr die baldige Ankunft ihres Gemahls verheißend, und beginnt am
andern Morgen, sein Bettlergewand abwerfend, den Kampf, in welchem er, von seinem Sohn und zwei treuen Dienern unterstützt,
sämtliche Freier tötet. So weit der Mythus, wie ihn Homer in der »Odyssee« erzählt. Eine andre Sage berichtet,
daß Odysseus
noch lange friedlich auf Ithaka geherrscht habe und endlich von seinem ihm von der Kirke gebornen Sohn Telegonos in
einem Gefecht durch einen Lanzenstich getötet worden sei.