Obst,
allgemein beliebtes und in mannigfachen Formen verwendetes Genuß- und Nahrungsmittel für Reich und Arm, Groß und Klein, Stadt- und Landbewohner, Gegenstand lebhaften Lokal-, wie des Welt-, des Groß- und des Kleinhandels, des privaten Verkaufs und Bezugs und vor allem des Wochenmarktverkehrs und des Höker- und Hausierhandels. Erzeugt wird das O. von der Mehrzahl derer, welche über etwas Grund und Boden verfügen können, zum Privatverbrauch, im großen und im kleinen von Kunst- und Handelsgärtnern, von Landwirten und von besondern Obstzüchtern in Obstgärten, Baumstücken, Gras- und Hausgärten und andern Grundstücken, endlich (in beschränkterem Grade) von Forstleuten im Walde, doch nur mit bestimmten Sorten, z. B. Kirschen für Kirschwasserfabrikation, oder Birnen und Äpfeln geringerer Art. Die aus Waldungen gewonnenen Beeren können nicht als Gegenstand der Zucht betrachtet werden, da sie, wie auch andres O. im Walde, wild wachsen. Unsre, jetzt in großartigster Weise veredelten Obstsorten stammen von ursprünglich wilden Arten ab und Wildlinge dienen noch immer zur Unterlage bei Veredlungen.
Die Hauptobstarten für die Tafel, soweit es sich nicht um Erzeugnisse der Tropen handelt, kommen ursprünglich von Sorten in den Kaukasusländern;
schon die alten Syrier und Phönizier verstanden sich auf die Veredlung und hatten ausgedehnte Obstplantagen;
vervollkommnet wurde der Obstbau bei den Griechen und Römern, dann von den Mönchen in den Klöstern und mit diesen weit verbreitet;
heutzutage gibt es besondre Vereine und Lehranstalten verschiedner Art zur Pflege und Verbreitung des Obstbaus, welcher aber mit Ausnahme einzelner Provinzen immer noch nicht die Würdigung findet, welche er verdient und zwar sowohl wegen seines Nutzens und dem Ertrage an Früchten und Holz, welche er liefert, als auch wegen seiner Annehmlichkeit.
Die häufigen Mißernten durch harte Winter, Spätfröste, Nässe zur Zeit der Blüte, naßkalte Sommer, Hagelschlag etc., oder durch tierische und pflanzliche Feinde, verderben allerdings oft die Freude am Obstbau, da menschliche Kunst nicht ganz dagegen zu schützen vermag, im Durchschnitt ist aber der Reinertrag von Obstanlagen sehr groß, Geschick, Fleiß, gute Pflege und Wahl passender
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Sorten vorausgesetzt. Von diesen gibt es jetzt eine so große Auswahl, daß man wohl, mit Ausnahme der kalten Zonen und Breiten, oder den hohen Gebirgen und exponierten Gegenden, in fast allen Lagen irgend ein Obst erzielen kann und nur in wenigen Strecken ganz auf Obstbau verzichtet werden muß. Das beliebteste Tafelobst wächst aber nur in den gemäßigten Klimaten mit dem Wohlgeschmack und in der Güte, wegen deren es so allgemein beliebt ist und selbst in Nordamerika, wohin alle unsre Obstarten verpflanzt worden sind und von wo aus neuerdings starke Ausfuhr erfolgt, wird das Obst nicht so gut, wie bei uns. In den wärmeren Klimaten werden die wichtigsten Obstbäume immer grün, ihre Früchte aber geschmackloser.
Die vorzüglichsten Lagen für Obst sind die von der Region der Weinrebe bis zu der der Olive; je nördlicher, um so mehr Schutz und günstige Neigung zur Sonne (Mittagsseite) ist notwendig, je südlicher, um so mehr Beschattung. Das beste Tafelobst aber erzeugt man in Glashäusern in England, Holland, in Hamburg, Berlin und andern großen Städten. Die Mittelmeerländer, Vorderasien, der europäische Kontinent bis zur Ostsee und Nordsee, England und Skandinavien nur im Süden und Rußland etwa von der Mitte an, endlich die Mittel- und Nordstaaten der amerikanischen Union bilden das Hauptgebiet für den Obstbau.
Die besten Produkte kommen aus Algier, Norditalien, Frankreich, Südtirol und überhaupt Österreich diesseits von da bis Böhmen, von den Rhein-, Main- und Neckarthälern, aus Thüringen und von den wärmeren Elbgegenden. Frankreich steht hinsichtlich des Obstbaues obenan und von dort bezieht man die edelsten Sorten, die besten Pflanzbäume und die vorteilhaftesten Zuchtarten. In Deutschland haben Reutlingen, Geisenheim am Rhein und Potsdam die berühmtesten Baumschulen und Lehranstalten für Obstbau. -
Botanisch ist O. entweder die eßbare Frucht oder der ganze Fruchtstand, oder ein Teil davon, oder die fleischige Fruchtschale, oder der Samen, oder der Blütenboden, Blütenblatt, Deckblatt, Blütenstiel und ganzer Blütenstand verschiedner Bäume und Sträucher. Unterschieden wird das O. meist in Kern-, Stein-, Beeren- und Schalenobst; für jede dieser Arten gibt es sehr wichtige Pflanzen zum Obstbau; mit Rücksicht auf die Form der Früchte macht man auch noch weitere Unterscheidungen und spricht noch von kapselartigen, Kelch-, Kürbis- und Schotenfrüchten. -
Zum Kernobst oder den Apfelfrüchten gehören: Äpfel, Birnen, Quitten, Elzbeeren, Speierlinge und Mispeln und die sog. Hage- oder Rosenbutten, von Rosa villosa L., welche in Zucker eingemacht werden, zum Gebrauch im Haushalt und für Konditoreien; man rechnet diese zu den Kelchfrüchten, wenn man solche besonders unterscheidet. -
Steinobst liefern Pfirsich, Aprikose, Pflaumen aller Art mit Mirabellen, Reineclaudes, Zwetschen etc., und die Kirschen, ferner aus wärmeren Klimaten Tahitiäpfel, Mangopflaumen, Abacatas, Datteln, Oliven etc. -
Das Schalenobst bilden besonders die Nüsse aller Art (Hasel-, Zirbel- und Wallnuß), Kastanien, Mandeln (eßbare), Bucheckern etc. -
Zum Beerenobst, welches am weitesten nördlich und am höchsten in den Gebirgen geht, aber auch in den wärmsten Lagen vertreten ist, gehören die wildwachsenden Waldfrüchte: Heidel-, Preißel- und Moosbeeren, die wildwachsenden und kultivierten Brombeeren (in Amerika hoch kultiviert), Erdbeeren, Himbeeren und Holunderbeeren, dann die Johannis- und Stachelbeeren, die Weintrauben mit Rosinen und Korinthen, aus wärmeren Lagen Mangostanen, Rosenäpfel, Guajaven, Zitronen, Limonen, Orangen und Apfelsinen (Pomeranzen), Kaktusfrüchte, Ananas etc.; die eigentlichen Kelchfrüchte liefern die Brotfrucht, Feigen und Maulbeeren, die kapselartigen Früchte Bananen und Affenbrotbaumfrucht, die Kürbisfrüchte, die bei uns mehr zu den Gemüsen als zum O. gerechneten Melonen, Wassermelonen, Gurken etc., sowie die Früchte vom Melonenbaum und Passifloren. Das Johannisbrot, die Tamarinden- u. dgl. Früchte rechnet man zu den Schotenfrüchten. Einen großen Teil der genannten Früchte bezeichnet man auch, besonders im Handel, als Südfrüchte, aus den Mittelmeerländern bezogen. -
Die tropischen Obstarten kommen fast nur eingemacht zu uns, ebenso die den unsrigen entsprechenden Obstarten aus Nordamerika. Das, was bei uns unter O. verstanden wird, bezieht sich auf das Kern-, Stein-, Beeren- und Schalenobst. Wirtschaftlich spricht man von Früh- und Spät-, Sommer- und Winter-, Garten- und wildem O., Tafel-, Wirtschafts- und Mostobst. -
Verwendet wird das O. in vielfacher Weise, frisch zum Nachtisch und als Zuthat zum Brot, gekocht, als Kompot etc., gedörrt als Dörr- oder Backobst - (Birn- und Apfelschnitze, Prunellen, getrocknete Pflaumen, Zwetschen, Mirabellen etc.), eingemacht in Gläsern und Büchsen (s. Konserven), zu Mus, Kraut, Sirup, Gelée und Fruchtsaft gekocht, zur Darstellung von Essig, Branntwein und Likören (Kirschwasser etc.) - und zu Wein (Johannis-, Stachelbeerwein, Fruchtwein etc., Cider, Apfelwein etc.). -
Als Nahrungsmittel hat das O. nur geringen, direkt ernährenden Wert, wohl aber hohe Bedeutung in diätetischer Beziehung; der Genuß von O. wirkt begünstigend auf die Verdauung und auf das allgemeine Wohlbefinden. Chemisch zerlegt zeigen die bei uns gebräuchlichen Obstarten 79-87% Wasser, 1,25-13,25% Schalen, Kerne, Mark etc., 0,3-0,85% Asche; unreif enthält das O. ziemlichen Gehalt von Stärkemehl, welches bei der Reife in Zucker sich umbildet, einen hohen Gehalt von Pflanzensäuren (Apfel-, Zitronen-, Wein-, Klee-, Gerb-, Gallussäure etc.) und als Hauptmasse der Nährstoffe Pektinkörper, welche ebenfalls bei der Reife und noch während der Nachreife auf dem Lager sich umwandeln; mit Gummi- und Farbstoffen betragen diese Körper von 0,3-6,3%; der Zucker kommt vor als Frucht-, Trauben- und Rohrzucker und zwar von 1,58 (Pfirsich) bis
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zu 13,78% (Trauben). Eiweiß ist nur mit Bruchteilen von Prozenten vertreten. Der Wohlgeschmack des O. und sein Aroma bedingen die Ätherarten, ersteren aber noch besonders das Verhältnis zwischen Säuren, Zucker, Gummi, Pektin, Stärke und das zwischen den löslichen und den unlöslichen Stoffen. Nur das Kulturobst ist das wohlschmeckende, aromatische und beliebte bei den meisten Obstsorten; bei Erdbeeren stehen die wildwachsenden den in Gärten gewonnenen darin nicht nach; das wertvollste O. liefern die Spalierzuchten, das wertloseste die Waldungen.
Ertrag und Güte sind wesentlich durch die Jahreswitterung bedingt und deshalb die Preise für O. sehr wechselnde; in sehr guten Jahren kann oft das O. lokal kaum verwertet werden, doch hat der heutige Eisenbahnverkehr den Absatz wesentlich erleichtert. Je wärmer Boden und Witterung, je sonniger und geschützter die Lage, je länger die Bestrahlung durch die Sonne, um so wertvoller wird das O., doch darf es nicht ganz an Feuchtigkeit, im Untergrund besonders, fehlen, da sonst das O. abfällt, bevor die Reife erlangt wird und die Bäume selbst absterben können.
Alle Obstbäume verlangen Tiefgründigkeit; locker steiniges Geröll, von Kalkgestein besonders, ist selbst noch besser, als schwer thoniger oder torfig humoser Boden. Zur Düngung verwendet man verrotteten Rindviehdünger, verdünnte Jauche, Blut, Spülwasser, etwas Phosphat- und Kalidünger; die Bodenkrume muß stets locker und etwas frisch gehalten werden. Die Hauptsache für Erzielung hoher Erträge bildet die Pflege, guter Schnitt und die Vernichtung, bzw. Abhaltung der schädlichen Tiere und Pflanzen, sowie die Wahl der richtigen, dem Klima und dem Boden angemessenen Sorten;
am beliebtesten ist es, Löcher in einiger Entfernung vom Stamm anzufertigen, mit dem Dünger diese anzufüllen und nach Bedarf zu begießen;
die Baumscheibe um den Stamm darf nie direkt begossen werden. -
Der Obsthandel ist hauptsächlich Ein- und Ausfuhrhandel und Handel nach den Städten, deren Bedarf ein stets steigender wird; aufgekauft wird das O. bei den Produzenten direkt oder durch Zwischenpersonen und verfrachtet wird es für größere Entfernungen zu Schiff und mittels der Eisenbahn in Säcken, Körben, Kisten und Fässern, geringwertiges O. ohne Verpackung. Sehr lebhaft ist der Handel rheinabwärts, nach England, auf der Elbe und andern Flüssen; Berlin wird hauptsächlich zu Schiff versorgt und dort findet sich auch der Verkauf vom Schiff aus, sonst in besonderen Handlungen oder auf den Wochenmärkten von Hökern und ständig sitzenden Verkäufern. In vielen Gegenden liefern die Obstzüchter den Winterbedarf direkt an die Privaten mittels ihrer Fuhrwerke, und am Rhein und anderwärts gibt es Züchter, welche auch direkt nach auswärts auf Bestellung liefern.
Die großartigste Ausdehnung und die beste Pflege hat die Obstzucht in Württemberg, woselbst die Bäume numeriert sind und besondre Gemeindebeamte zur Pflege gehalten werden. Das Land hat über zehn Millionen Obstbäume und viele Gemeinden gewinnen daselbst (auch in den Nachbarstaaten) aus den Obstpflanzungen die Mittel zu ihrem Haushalt ganz oder größtenteils; die öffentlichen Wege, die Böschungen der Bahndämme und oft die Bahnkörper selbst sind mit O. bepflanzt und der Jahresertrag wird auf durchschnittlich mindestens 15 Mill. Mk. berechnet. -
Für das Deutsche Reich ist eine Gesamtstatistik des Erzeugnisses und Verbrauchs noch nicht zu geben; sowohl von frischem als von getrocknetem O. findet eine beträchtliche Mehreinfuhr statt, bis zur Höhe von einigen hunderttausend Zentnern und im Geldbetrag bis über 10 Mill. Mk. Frankreichs Ausfuhr wird auf 24-30 Mill. Mk. angegeben. -
Dürrobst von Pflaumenarten wird besonders von Thüringen aus (Saalthal) und aus der Türkei geliefert, Mostobst besonders in den Rheingegenden und im Südwesten Deutschlands, in Nordfrankreich und Südengland, zum Teil auch in den Donauländern, feines Tafelobst von Botzen aus über Augsburg etc., abgesehen von dem O. aus Glashäusern. Frische Trauben kommen aus den Mittelmeergebieten und aus solchen Lagen, welche keine vorzüglichen Weine geben. Back- und Dürrobst kann am weitesten versendet werden, frisches O. nur auf geringe Strecken. Sehr wertvolle Sorten von frischen Äpfeln etc. verpackt man einzeln in Papier eingeschlagen in mit Häcksel gefüllten Fässern, ein Verfahren, welches nur lohnend sein kann bei Erzielung angemessener Preise, wie sie in Städten, im Winter besonders, gezahlt werden (bis 30 Pf. und mehr pro Stück Apfel). -
Die Aufbewahrung des O. muß mit großer Sorgfalt geschehen und bedingt solche schon bei der Ernte; nur das bei Sonnenschein geerntete, sorgsam gepflückte O. hält sich auf längere Zeit, wenn es vor jedem Druck bewahrt wird. Man hebt das O. in luftigen, frostfreien Kellern oder besondern Obstkammern auf und zwar am besten auf mit Stroh belegten Lattengerüsten, auf welche Stück für Stück so gelegt werden muß, daß keine Berührung stattfindet, soweit es Äpfel und Birnen betrifft, und beim gebotenen fleißigen Nachsehen nur mit Handschuhen das O. berührt wird. Fleckig werdende Stücke sind sofort zu entfernen. Kirschen lassen sich nicht lange frisch aufbewahren, Pflaumen, wenn sorgfältig mit den Stielen gebrochen, in Steintöpfen, welche man sofort zubindet und in Erde vergräbt, bis etwa Weihnachten, Trauben dadurch, daß man sie, paarweise zusammengebunden, an einem frei hängenden Holzreifen aufhängt. -
Das O., welches sofort verbraucht werden soll, wird, um die Ernte rascher bewältigen zu können, geschüttelt. Nüsse hebt man in Säcken auf. Die Ernte der Obstarten, welche längere Zeit aufbewahrt werden sollen, geschieht so spät als möglich, doch muß alles O. vor Erfrieren geschützt werden. Gefrornes O. fault sofort beim Erwärmen und hat seinen Wohlgeschmack verloren; es kann dadurch noch für die Küche nutzbar werden, daß es (Äpfel, Birnen) in kaltes Wasser gelegt wird, wodurch das Eis sich herausziehen läßt; der Verbrauch muß sofort stattfinden. In den Räumen, in welchen O. für
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länger aufbewahrt werden soll, muß für reine, frische Luft und für eine Temperatur von drei bis acht Grad R. gesorgt werden. Als Unterlage wird auch Moos verwendet. Gegen Frost bedeckt man die Früchte mit Papier, oder auch mit Decken von Stroh etc., doch ist alles zu vermeiden, was Modergeruch erzeugen kann. Äpfel und Birnen werden so gelegt, daß die Stiele nach oben liegen; bei Raummangel höchstens in drei Lagen über einander. Tafelobst hebt man auch, einzeln in Papier eingewickelt, wie für den Transport, in Fässern, Kisten oder sonstigen Behältern zwischen Kohlenpulver, Sägespänen von harten Hölzern, Kleie, Häcksel u. dgl. auf, Weintrauben, sorgfältig gereinigt von schadhaften Beeren, in Töpfen, deren Zwischenräume mit Hirse ausgefüllt werden, in Amerika in Baumwolle verpackt in Gefäßen von Weißblech oder Holz, in China in ausgehöhlten Kürbissen, in Kandia in irdenen Töpfen, welche in die Erde eingegraben werden. Alles O. muß in den Räumen fleißig nachgesehen und vor Fäulnis und schlechten Gerüchen bewahrt werden.