Obervormun
dschaft,
die Oberaufsicht über die einzelne
Vormundschaft. Nach Gemeinem
Recht und der Mehrzahl
der geltenden
Rechte steht die Oberaufsicht dem
Staate zu und wird als ein
Bestandteil der sog. nicht streitigen Rechtspflege
von den Gerichten ausgeübt.
Andere
Rechte überweisen grundsätzlich die Obervormun
dschaft den Gemeinden oder besondern, zum
Teil auch mit
nicht rechtsgelehrten
Personen besetzten
Behörden. Hierher gehören z. B.
Württemberg
[* 2] (für nichteremte
Personen), die meisten
mecklenb.
Städte,
Hamburg,
[* 3] Lübeck
[* 4] und
Bremen
[* 5] (letztere nicht für das ganze Gebiet).
Andere
Rechte haben den Gemeinden
eine Mitwirkung bei Ausübung der
Vormundschaft und einen gesicherten Einfluß auf deren
Führung eingeräumt (z.B. bad. Waisenrichter,
die jedoch der
Aufsicht und einer gewissen Leitung seitens des Gerichts untergeordnet sind;
Hess.
Provinzen
Starkenburg und Oberhessen;
und beschränkt die Vormundschaftsordnung für
Preußen
[* 6] von 1875, §§. 52 fg., u. a.). Der
Code civil,
der hiernach für
Deutschland
[* 7] nur noch in kleinern Gebieten in Betracht kommt (Rheinbayern, Rheinhessen,
Birkenfeld), hat die
Obervormun
dschaft dem Familienrate übertragen. Das
Bürgerl. Gesetzbuch für das
Deutsche Reich
[* 8] weist die Obervormun
dschaft den Gerichten zu, als deren
Hilfsorgane der Gemeindewaisenrat und eventuell noch ein Familienrat fungieren (§§. 1849 fg. und §§. 1858 fg.).
Nach Gemeinem
Recht äußert die Obervormun
dschaft ihre Wirksamkeit, abgesehen von der Einsetzung des Vormundes und davon, daß
regelmäßig zu
Veräußerungen eine
Anordnung der Obervormun
dschaft (sog. Veräußerungsdekret) erforderlich ist, hauptsächlich
in der
Aufsicht über die
Verwaltung; der Vormund kann nötigenfalls durch Zwang zur
Erfüllung seiner Pflichten
angehalten, auch wegen Pflichtwidrigkeit und aus gewissen andern
Gründen des
Amtes entlassen werden. Die wichtigste Handhabe
besteht in der regelmäßigen
Abnahme der
Rechnung, auch der Schlußrechnung.
Die Obervormun
dschaft kann aber den Vormund nicht anweisen, wie er handeln soll, soweit nicht das Aufsichtsrecht zu
einem Eingreifen
Anlaß giebt. Die Obervormun
dschaft bestimmt den Aufenthaltsort des Mündels. Auf
Antrag des Vormunds
hat sie den Betrag festzusetzen, welcher für den Bedarf des Mündels verwendet werden darf. Das Sächs.
Bürgerl. Gesetzbuch
und eine Reihe anderer Gesetze haben im wesentlichen diese Ausgangspunkte festgehalten. Das
Preuß. Allg. Landr. II, 18, §§. 235 fg.
und das Osterr.
Bürgerl. Gesetzbuch gehen in der
Beschränkung des Vormunds viel weiter. Nach ersterm leitete die Obervormundschaft
geradezu die
Verwaltung.
Die
Preuß. Vormundschaftsordnung von 1875, §§.27, 37, 43, 49, 51 ist im wesentlichen zum Gemeinen
Recht zurückgekehrt,
jedoch mit manchen
Abweichungen in Einzelheiten. Der
Code civil hingegen überträgt die
Verwaltung in ihrem
ganzen
Umfange dem Vormund (Art. 450 fg.); der Vormund ist indessen bei zahlreichen Rechtsgeschäften und Handlungen an die
Genehmigung des Familienrats gebunden.
Rechnungslegung an den Familienrat findet nicht statt; der Familienrat kann aber die Vorlegung von Übersichten über den Zustand der Verwaltung an den Gegenvormund anordnen. Der Familienrat ist berechtigt, die Verwaltung zu leiten; er erteilt Anweisungen über die Erziehung des Mündels und greift mehrfach unmittelbar in die Verwaltung ein. Das Bürgerl.. Gesetzbuch für das Deutsche Reich (§§. 1837 fg.) folgt im wesentlichen der Preuß. Vormundschaftsordnung. - Vgl. Stobbe, Handbuch ¶