Nuntius
(lat. nuntius
apostolĭcus, Mehrzahl Nuntĭen), Gesandter des Papstes, sobald
er kein Kardinal ist.
Über die ältere
Entwicklung s. Legat. Das
Amt wie der Sitz eines Nuntius
heißt
Nuntiatur.
Vor der
Reformation
gab es ständige päpstl. Vertretungen nicht; aber nach der
Reformation wurden die ständigen
Nuntiaturen zur Durchführung
der tridentinischen
Beschlüsse und als Gegenwirkung gegen den
Protestantismus geschaffen. Zunächst wurden
vier
Nuntiaturen errichtet: zu
Wien
[* 2] 1581 für das östliche, zu Köln
[* 3] 1582 für das westl.
Deutschland,
[* 4] zu Luzern
[* 5] 1586 für die
Schweiz,
[* 6] zu
Brüssel
[* 7] 1588 für die
Niederlande.
[* 8]
Die Nuntius
waren als
Stellvertreter der Päpste mit weit reichenden
Vollmachten, insbesondere für Gerichtsbarkeit und Missionswesen
ausgestattet: in ersterer
Beziehung fungierten sie als oberste Instanz in direkter Unterordnung unter
den Papst;
die andere
Aufgabe war seit 1622 in der neu errichteten Kardinalskongregation de propaganda fide (kurzweg «Die
Propaganda») konzentriert, der die Nuntius
unterstellt waren und von der sie ihre
Weisungen erhielten.
Nach beiden
Richtungen empfanden
die deutschen Erzbischöfe das Eingreifen der Nuntius
aufs allerdrückendste. Weder die
Beschwerden der Reichsbehörden
und Erzbischöfe noch die Verordnungen, die deshalb den
Reichsabschieden und
Wahlkapitulationen beigefügt wurden, vermochten
Abhilfe zu schaffen.
Pius VI. errichtete sogar 1785 im Einverständnis mit dem Kurfürsten von
Bayern
[* 9] eine neue
Nuntiatur für
das südl.
Deutschland zu
München.
[* 10] Dagegen sprach der 1786 von den Erzbischöfen abgehaltene sog.
Emser
Kongreß sich für das gänzliche Aufhören der
Nuntiaturen in
Deutschland aus (s. Emser Punktation).
Doch ließen die Gegenwirkungen der römisch gesinnten
Bischöfe zu
Würzburg,
[* 11]
Speier
[* 12] und Hildesheim,
[* 13] die Schwäche des
Kaisers,
endlich das zielbewußte Vorgehen der
Römischen Kurie die Emser Punktationen nicht zur Ausführung kommen.
So
blieben die Nuntius
im
Besitz ihrer Gewalt, bis die
Französische Revolution den
Nuntiaturen zu Köln und
Brüssel ein Ende machte.
Jetzt besteht in
Deutschland nur noch eine ständige
Nuntiatur in
München; ferner bestehen gegenwärtig solche in
Wien,
Paris,
[* 14] Madrid,
[* 15] Lissabon
[* 16] und
Brüssel, während die Luzerner 1873 von
Staats wegen aufgehoben ist.
Heute betrachtet man wohl die Nuntius
in erster Linie als päpstl. Gesandte, und die kath.
Staaten gewähren ihnen sogar das besondere völkerrechtliche Privileg des Vorranges vor den
Botschaftern, während
Preußen,
[* 17] England,
Rußland dies allerdings bis jetzt abgelehnt und überdies bei sich Nuntius
überhaupt nicht zugelassen haben.
Die Hauptbedeutung der Nuntius
ist auch heute noch ihre
Aufgabe als oberste
Beamte der Propaganda in den einzelnen
Ländern. Das ital. Garantiegesetz hat das aktive und passive Gesandtschaftsrecht des
Papstes anerkannt und dem des ital.
Staates gleichgestellt. (S. auch Internuntius.
) –
Vgl.
Moser, Geschichte der päpstlichen
Nuntius.
In
Deutschland (2 Bde., Mannh.
1788);
Mejer, Die Propaganda, Bd. 2 (Gött. 1853);
Stigloher, Die Errichtung der päpstl.
Nuntiatur in München und der Emser Kongreß (Regensb. 1867); Pieper, Zur Entstehung der ständigen Nuntiaturen (Freib. i. Br. 1894).