(v. lat. numisma,
»Münze«,
Münzkunde), diejenige
Wissenschaft, welche sich mit der Erforschung und
Erkenntnis
der
Münzen
[* 2] beschäftigt. Im
Altertum zeigen sich nur geringe
Spuren einer wissenschaftlichen
Aufmerksamkeit auf die
Münzen;
doch erzählt Sueton, daß
Augustus »alte königliche und ausländische
Münzen« verschenkte. Die eigentliche wissenschaftliche
Beschäftigung mit den antiken
Münzen, denen der Griechen und andrer Kulturvölker
(Perser, Phöniker,
Juden,
Etrusker,
Keltiberer u. a.) und der
Römer
[* 3] (s.
Griechische Münzen und
Römische Münzen),
[* 4] beginnt mit dem Wiederaufleben
der klassischen
Wissenschaften im 14., 15. und 16. Jahrh. Wie in der Epigraphik, finden wir auch in der
numismatischen Litteratur bereits im 16. Jahrh. eine ausgedehnte litterarische
Fälschung
(HubertGoltz), welche trotz ihrer Plumpheit die unkritische Litteratur der folgenden
Zeiten vielfach irre führte
und erst im vorigen
Jahrhundert, namentlich durch
Eckhel (1792), beseitigt wurde.
Der französische Numismatiker Pellerin behandelte zuerst (1762-78) die griechischen
Münzen, d. h. die
Münzen der antiken
Städte,
Völker undKönige, in einem umfassenden Werk nach einem wissenschaftlichen
System, das in dem
klassischen und fast in allen Teilen noch mustergültigen Werk von
JosephEckhel: »Doctrina numorum veterum« (1792-98) seinen
Abschluß und seine Vollendung fand. Seitdem ist die Litteratur der Numismatik immer zahlreicher geworden; unentbehrliche
Hilfsmittel
für das
Studium derselben sind außer zahlreichen wissenschaftlichen Spezialwerken und
Zeitschriften
die großen beschreibenden Werke von
Mionnet für die griechischen und römischen (Par. 1806-1813, 6 Bde.;
mit Suppl. 1819-37, 9 Bde.), von
Head für die griechischen (Lond. 1887) und von
Cohen für die römischen
Münzen (das. 1859-68, 7 Bde.,
und 1857), mit einer großen
Menge vorzüglicher Abbildungen.
Vgl. außerdem
Böckh, Metrologische Untersuchungen
(Berl. 1838);
Die Numismatik des
Orients ist ebenfalls erst in neuerer Zeit umfassend und wissenschaftlich behandelt und besonders durch die
Arbeiten
von
Frähn, Marsden,
Wilson u. a. gefördert worden. Die Hauptquelle für das praktische
Studium der Numismatik, sowohl für
Aneignung wissenschaftlicher Kenntnisse als der Fähigkeit, echte
Münzen von modernen
Fälschungen zu unterscheiden, sind
die großen öffentlichen
Münzsammlungen, unter denen das
Britische Museum, das
Pariser und das
Berliner
[* 8]
Münzkabinett die bedeutendsten
sind.
Das unentbehrliche Handbuch für jeden, der sich mit
Ernst irgend einem Teil der Numismatik widmen will, sind die
»Prolegomena« zu
Eckhels »Doctrina numorum veterum« (besonderer
Abdruck dieses einleitenden Teils, Leipz. 1842).
(vom griech. nómisma, lat. numisma, Münze),
Münzkunde, die Wissenschaft, welche das Studium der Münzen und Medaillen zum Gegenstande hat, bildet einen wichtigen Zweig
der Archäologie. Man teilt sie ein in die alte Numismatik, die mit dem weström. Kaiserreich
endet, die mittelalterliche, die mit den Byzantinern und mit den Münzen aus den Zeiten der Völkerwanderung beginnt, und die
moderne, von der Renaissancezeit an. Besondere Abteilungen bilden die orient. und die überseeischen Münzen. (S. Tafel: Münzen
I–IV.) Die antiken Münzen geben wichtige Belehrung über Mythologie, Kultus, Regierung, Kriegswesen,
Handel, Gewerbe, Litteratur, Sitten, Trachten der Völker des Altertums und gewähren urkundliche Belege für den jedesmaligen Stand der
Kunstentwicklung.
Von besonderm Interesse durch die Schönheit der Prägung sind namentlich die griechischen Münzen, d. h.
die alten Münzen vom eigentlichen Griechenland,
[* 33] von den griech. Inseln und Kolonien in Kleinasien sowie
von Sicilien und Großgriechenland (Unteritalien), welche griech. Aufschriften haben. Sie zerfallen in drei Arten, nämlich:
Städtemünzen, Münzen der hellenistischen Könige und die unter röm. Herrschaft geprägten.
Münzeinheit war ursprünglich der Stater (s. d.), später die Drachme (s. d.). Die älteste Prägung griech.
Münzen schreibt die Überlieferung gewöhnlich Pheidon von Argos (Anfang des 7. Jahrh. v.Chr.) zu, Herodot
den Lydern.
Diese und nach ihnen ein Teil der kleinasiat. Griechenstädte scheinen jedenfalls mit der Prägung in Gold
[* 34] und Elektron, einem
stark mit Silber legierten Gold, vorangegangen zu sein. Auf dem Festlande war Ägina die älteste Prägstätte und schlug Silber.
Silberwährung ist auch weiter herrschend geblieben. Diese ältesten Münzen waren von länglicher oder
kugelförmiger Gestalt, hatten nur auf einer Seite eine bildliche Darstellung, während sich auf der andern Seite eine quadratförmige
Vertiefung, das sog. quadratum incusum, befand, welches später durch Linien geteilt wurde.
Auch waren diese ältesten Münzen aufschriftlos, und nur vereinzelt kommt der Anfangsbuchstabe des Stadtnamens
vor. Ihre Einfachheit ist vor allem durch die Typen charakterisiert, die wappenähnlich die Stadt oder das Land bezeichnen.
So befindet sich z.B. auf den äginetischen Münzen eine Schildkröte, auf den böotischen ein Schild,
[* 35] auf den ephesischen
eine Biene,
[* 36] auf den rhodischen eine Rose. Später finden sich neben dem Symbol oder Wappen
[* 37] des
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Landes oder des Prägeortes, welches meistens auf der Rückseite, also in das vertiefte Quadrat auf- genommen wurde,
auf der Vorderseite auch schon die Schutzgötter der betreffenden Städte dargestellt. Kupferne Scheidemünzen wurden erst
gegen das I. 400 v. Chr. geprägt. Wenn auch die Typen der ältesten griech. Mün- zen schon hier und
da von künstlerischer Schönheit sind, so erreichte die griech. Münzkunst doch erst ihre
Vollkommenheit in der Zeit des 5. Jahrh, bis zu Alexander d. Gr. Zu den gelungensten Münzen der griech.
Prägekunst gehören die macedon.
Münzen mit den Köpfen des Apollo oder des Herakles,
[* 39] die von vollendeter Schönheit sind, wie sie sich
z. V. auf den Münzen von Amphipolis, der Chalkidike und von Philipp: finden. Unter Alexander d. Gr. wurden zuerst die Götterköpfe
durch das Bildnis des Königs von der Vorderfeite verdrängt. Einen teilweise noch höhern Aufschwung als in dem Mutter- lande
nahm die griech. Prägekunst in den griech. Kolonien, in Unteritalien und in Sicilien. Es wur- den viele
und große Münzen geprägt, welche sich hinsichtlich ihrer Typen durch Mannigfaltigkeit und Reichhaltigkeit auszeichnen.
Vor allem sind hier die im Anfang des 5. Jahrh, geschlagenen Dekadrach- men (Stücke zu 10 Drachmen) von Syratus zu er- wähnen,
die als die größten und zugleich vollendet- sten Münzen des Altertums zu betrachten sind. Die unter
den ersten röm. Kaisern in Griechenland und besonders in Kleinasien geprägten Münzen sind von großer Schönheit und besitzen
hauptsächlich einen bedeutenden Reichtum an Typen, wie z. V. an Dar- stellung der Lokalgottheiten und ihrer Mythen.
Sie geben auch manchen Aufschluß über Kunstwerke, welche verloren gegangen sind und die nur nach diesen
Münzen wiederhergestellt werden können. Im allgemeinen stehen dieselben jedoch, was Kunst- wert anbelangt, tief unter den
griech. Städte- oder Autonommünzen. Die spätesten griech. Münzen sind die von Alexandria, die mit der Eroberung dieser Stadt
durch Diocletian aufhören, und die der bosporanischen Könige, die bis Konstantin d. Gr.
geschlagen wurden.
Auch beiden römischen Münzen läßt sich eine lange und reiche Entwicklung verfolgen, doch ist diese, Roms Geschichte entsprechend,
einheitlicher und weniger von kunstgeschichtlicher als von wirt- schafts- und politischgeschichtlicher Bedeutung. Die Münzung
hat bei den Römern wie bei den andern Italikern mit dem Kupfer
[* 40] begonnen, das an Stelle des ältesten Tauschmittels,
des Viehs (p6cu8, davon ^cuuia.), trat. Man findet zunächst gestempelte Gewichtsbarren, die die Überlieferung dem König
Eervius Tullius zuschreibt, dann ein plumpes, rundes, gegossenes Stück von einem röm. Pfund liidi-a, davon Libralfuh).
Dieses Stück des As ls. d.) ist die älteste Münzeinheit. Erst spät, mit dem I. 269 v. Chr.,
beginnt in Rom die Silberprägung, nachdem man sich bis dahin mit Barren und mit den Edelmünzen der benachbarten campanischen
Griechenstädte beholfen hatte. Die Münzeinheit ist jetzt der Denar (s. d.), neben dem als kleineres StückSilber der Scherz
(s. d.) steht. Goldmünzen sind bereits 217 v. Chr.
geprägt worden, aber erst in Cäsars Zeit hat man die Goldwährung eingeführt, die dann in der Kaiferzeit bleibt. Augustus
behielt die Gold- und Silberprägung dem Kaiser vor und beließ dem Senat nur die im 1. Jahrh. n. Chr.
ganz verfallene, aber damals neu belebte Kupferprägung. Auch
Kupfermünzen autonomer Städte fanden sich
in der Kaiserzeit; das Prägerecht wurde hier beson- ders verliehen. Aurelian (gest. 275) nahm dem Senat auch noch die Kupferprägung.
Die Haupt- münzeinheit ist damals der Aureus, an dessen Stelle in Konstantins d. Gr. Zeit der Solidus (s. d.) tritt, über
den histor. Wert der Kaisermünzen s. d. Von einer wissenschaftlichen Beschäftigung
der Griechen und Römer mit Münzen ist nichts bekannt, wenngleich es den Anschein hat, daß letztere kostbare griech.
Münzen aufbewahrten (vgl. Suetons «^u- 3U8W8»,
Kap. 75). Im Mittelalter war Italien
[* 41] das erste Land, in welchem man Interesse für die Numismatik ge- wann und mit dem Sammeln von
Münzen begann.
Petrarca und Cosimo de' Medici besaßen Münz- sammlungen. Dann breitete sich das Interesse für die Münzkunde auch in Spanien,
Frankreich, den Niederlanden und Deutschland aus. Zunächst legten die Fürsten Münzkabinettean, später wurde das Sammeln
von Münzen eine gelehrte Lieblingsbe- schäftigung und vornehme Modesache. Der Holland. Kupferstecher und Antiquar Hubert
Goltzius be- suchte in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh, nicht weniger als 950 numismat.
Kabinette. Zu den bedeutendsten Münzsammlungen gehören die des Britischen Museums (s. d., Bd.
3, S. 552 d) in Lon- don, der Lid1iotli6(iu6 national in Paris und das Münzkabinett im Museum zu Berlin;
[* 42] ferner die Sammlungen
zu Wien, Gotha, München, Dresden, Petersburg (Eremitage), Kopenhagen, Madrid, Turin, Florenz, Rom, Neapel. Die
vermehrte Nachfrage, zunächst nach antiken Münzen, rief bald Nachahmungen seltener Stücke hervor. Namentlich in Padua
[* 43] schnitten
im 16. Jahrh. Giovanni Cavino und Alessandro Bassiano vor- zugsweise nach Großbronzen röm. Kaiser neue Stempel und stellten
mittels derselben Kopien her, die man Paduaner nennt. In neuerer Zeit haben sich namentlich Becker in Hanau
[* 44] und Cigoe in Udine einen berüchtigten Namen als Münzfälscher gemacht; die Falsifikate des letztern haben die besten Kenner
getäuscht.
Das Studium dieser Fälschungen ist ein treffliches Mittel, den praktischen Blick für echte Münzen zu schärfen; im
königl. Münzkabinett zu Berlin sind die verschiedenen Falsifikate als be- sondere Abteilung gesammelt. Ein wesentliches Verdienst
um die Verbreitung der Münzkunde haben sich die numismat. Gesellschaften erworben. Bekannt sind die Gesellschaften in Berlin,
Wien, London
[* 45] und Paris; neuerdings ist von den Brüdern Erbstein in Dresden auch ein «Kongreß deutscher Münzforscher»
ins Leben gerufen w'orden.
Litteratur. Auf dem Gebiet der antikenMün- zen war epochemachend das Werk von Ios. Eckhel, voctrina. numoruni vetsruiu (8
Bde., Wien 1792 -98). Außerdem sind hervorzuheben die Werke von Voeckh, Mionnet, Cohen, Lenormant, Graf Vorghesi, HerzogBlacas
d'Aulps, Cavedoni, Hultsch, Fried- länder, Imhoof-Blumer (s. die Einzelartikel);
ferner Werlhof, Handbuch
der griechischen Numismatik (Hannov. 1850);
Vrandis, Das Münz- und Gewichtswesen in Vorderasien bis auf Alexander d. Gr. (Berl. 1866);
Samwer, Geschichte des ältern röm. Münzwesens (Wien 1883);