Nottaufe
,
s. Taufe.
Nottaufe
187 Wörter, 1'332 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Nottaufe,
s. Taufe.
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Nottaufe,
die Taufhandlung, die an Neugeborenen oder nach den Grundsätzen der kath. Kirche sogar an Halbgeborenen, für deren Leben zu fürchten ist, in Abwesenheit eines Geistlichen durch die Hebamme oder irgend eine andere Person unter Anwendung der Taufformel vollzogen wird. Nur wenn der Taufakt mangelhaft vollzogen ist, muß derselbe, wenn das Leben des Kindes erhalten wird, wiederholt werden; sonst ist nur eine nachträgliche Einsegnung des Täuflings durch den Geistlichen erforderlich.
Die Nottaufe
in diesem Sinne war der alten Kirche unbekannt. Sie entwickelte sich unter dem Einfluß der früher aufgekommenen Vorstellungen
von der sündentilgenden Kraft
[* 3] der Taufe aus der sog. Krankentaufe (lat. baptismus clinicorum), wurde dann infolge der seit
Augustinus ausgebildeten Vorstellung von der Verdammnis ungetauft verstorbener Kinder allgemein verbreitet
und blieb auch in der griech. und röm.-kath. Kirche herrschende Praxis. Luther erklärte sich für die Beibehaltung der Nottaufe
, stellte
aber das Schicksal der ungetauft verstorbenen Christenkinder der göttlichen Gnade anheim. Zwingli und Calvin verwarfen sie und
sprachen sich für die Seligkeit der vor der Taufe gestorbenen Christenkinder aus. Diese Ansicht wurde später
auch bei den Lutheranern herrschend; doch wird die Nottaufe
noch jetzt vollzogen.
(griech. Baptisma, Baptismus), das Sakrament, durch welches der Täufling mittels Untertauchung oder Besprengung mit Wasser in die christliche Kirche aufgenommen wird. Heilige Waschungen findet man fast bei allen alten orientalischen Völkern (s. Reinigungen) und Spuren von feierlicher Lustration neben der Beschneidung auch bei den Juden (s. Proselyt), welchen die körperliche, sogen. levitische Reinheit als das Symbol, ja Surrogat der innern Reinheit galt.
Durch die Wassertaufe weihte namentlich Johannes der Täufer alle, welche Buße thaten, für das nahe bevorstehende Gottesreich, und auch Jesus empfing diese im Jordan. Nach seinem Vorbild ließen sich dann seine Gläubigen taufen. In Paulinischen Kreisen faßte man die Taufe als ein mysteriöses Bad der [* 5] Wiedergeburt auf und setzte sie mit dem Tod und der Auferstehung Christi in Beziehung, daher man bald in der Taufe eine über das Sinnbild des Unter- und Auftauchens hinausschreitende, geheimnisvolle Verbindung mit Christum fand.
Weil man sie zugleich als das spezifische Organ der innerlichen Reinigung und Sündenvergebung betrachtete, verschoben viele, wie Kaiser Konstantin, ihre Taufe bis ans Lebensende (procrastinatio baptismi). Erst Augustin aber gab durch seine Lehre [* 6] von der Erbsünde der Taufe eine dogmatische Unterlage und bewies ihre absolute Notwendigkeit. Die Erbsünde wird durch sie zwar als Schuld getilgt, doch bleibt die Fleischeslust noch als »Zunder der Sünde« in dem Getauften.
Die Wiederholung der Taufe war lange eine Streitfrage, besonders mit Bezug auf die Ketzertaufe. Seit dem 3. Jahrh. sprach sich die Kirche immer bestimmter dahin aus, daß ein auf die Trinität getaufter Ketzer beim Übertritt zur orthodoxen Kirche nicht wiederum zu taufen sei. Die richtig vollzogene Taufe ist nach katholischer Lehre das die erstmalige Eingießung übernatürlicher Gerechtigkeit vermittelnde Sakrament. Auch nach den protestantischen symbolischen Büchern gewährt die Taufe Vergebung der Sünde und Mitteilung des Heiligen Geistes, kann folglich, wenn rechtmäßig vollzogen, an demselben Individuum nicht wiederholt werden.
Während aber nach der lutherischen Lehre die Taufe durch die wunderbare Wirksamkeit des mit dem Wasser verbundenen Worts außer der Sündenvergebung auch Wiedergeburt (s. d.), Wiederherstellung der Freiheit des Willens zum Guten und sogar in Kindern den Glauben wirkt, gilt sie bei Zwingli als Pflichtzeichen und kirchlicher Einweihungsakt, überhaupt in der reformierten Kirche mehr als Symbol und Unterpfand dafür, daß Gott denen, welche zum Glauben gelangen, die verheißenen Heilsgüter auch zukommen lassen werde.
Beide Kirchen haben auch die Kindertaufe beibehalten, welche schon seit etwa 200 sporadisch vorgekommen, seit Augustin allmählich herrschende Sitte geworden war. Weil für dieselbe kein Befehl Christi und der Apostel vorliegt, und weil die Kinder überdies auch zu dem Glauben, welcher in der Taufe vorausgesetzt ist, nicht befähigt sind, verwarfen die Wiedertäufer (Mennoniten) dieselbe völlig, indem sie eine Wiederholung der an den Erwachsenen statuierten. Ähnlich weisen auch die Quäker (s. d.) und die Baptisten (s. d.) Englands und Nordamerikas die Kindertaufe zurück. Dagegen soll nach der Lehre der katholischen und evangelischen Kirche die Taufe regelmäßig von dem ordinierten Geistlichen verrichtet werden. Nur in Notfällen soll auch die Laientaufe (Nottaufe) zugelassen werden. Die unter wörtlicher Beziehung auf die drei Personen der Trinität vorzunehmende Applikation des Wassers ¶
kann Untertauchung (immersio) oder Besprengung (adspersio oder infusio) sein. Der erstere Taufmodus ist bis in das 12. Jahrh. üblich gewesen und findet noch jetzt in der morgenländischen Kirche statt. Der Exorzismus (s. d.) ist in der protestantischen Kirche nicht überall abgeschafft worden. In der alten Kirche wurde die Taufe in den Kathedralkirchen vorgenommen, welche besondere Taufkapellen (Baptisterien) hatten. Nachdem aber die Bischöfe sich nur noch die Konfirmation oder Firmung (s. d.) ausschließlich vorbehalten hatten, die Verrichtung der Taufe dagegen den Presbytern zugewiesen worden war, brachte man in jeder Kirche Taufsteine an. Später wurden Haustaufen üblich, mehr noch bei den Lutheranern als bei den Katholiken.
Bei der Taufe findet nach Luk. 1,59; 2,21,. wie bei der jüdischen Beschneidung, eine Namengebung statt. Wo sich Staat und Kirche nicht in der Weise der modernen Gesetzgebung auseinander gesetzt haben, erscheint die Taufe als notwendige Handlung und kann daher auch gegen den Willen der Eltern erfolgen;
über die Taufe selbst muß der Geistliche ein Register führen (s. Kirchenbuch);
die formellen Auszüge daraus (Taufzeugnisse) gelten als öffentliche Urkunden.
Vgl. Höfling, Das Sakrament der Taufe (Erlang. 1846-48, 2 Bde.).
Zur Taufe diente in den Kirchen ursprünglich ein Bassin mit Wasser, in welchem der Täufling untergetaucht wurde. An seine Stelle trat später der Taufstein, ein Becken aus Stein auf hohem Ständer, mit symbolischen Figuren oder auf die Taufe bezüglichen Darstellungen, bisweilen auch von Figuren (den vier Flüssen des Paradieses, Löwen [* 8] u. a.) getragen. Solcher Taufsteine sind noch viele aus romanischer Zeit erhalten. In die Vertiefungen der Steine ließ man seit dem 11. Jahrh. metallene Becken ein, zu denen sich später metallene Deckel gesellten, die ebenfalls mit bildlichen Darstellungen verziert waren und durch Ketten emporgezogen oder durch Arme fortbewegt wurden, wenn Taufen vollzogen wurden. In spätgotischer Zeit wurden über die Taufsteine bisweilen Baldachine angebracht. In neuerer Zeit (seit dem 17. Jahrh.) sind die Taufbrunnen außer Gebrauch gekommen, und an ihre Stelle sind Taufschüsseln und Taufkannen getreten.