Notrecht
(Staatsnotrecht, Jus eminens), die Befugnis der Staatsgewalt zum Eingriff in die Rechte der Einzelnen im Interesse der staatlichen Gesamtheit. Ein solcher Eingriff in die Rechtssphäre der Staatsbürger ist der Staatsgewalt nur ausnahmsweise und nur dann gestattet, wenn ihn ein unabweisbares Bedürfnis des Staats erheischt. In solchen Fällen muß sich das Einzelinteresse dem Gesamtinteresse unterordnen. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn es sich um die Erhaltung des Staats selbst handelt und die Staatsgewalt zu diesem Zweck der Freiheit der Einzelnen vorübergehend Beschränkungen auferlegt, z. B. durch Verhängung des Belagerungszustandes (s. d.) und in England durch Suspension der Habeaskorpusakte (s. Ausnahmegesetz). Namentlich gehört aber die Befugnis der Staatsregierung hierher, Privateigentum, wenn auch gegen volle Entschädigung, im öffentlichen Interesse dem Eigentümer zu entziehen, worauf namentlich das Rechtsinstitut der Zwangsenteignung oder Expropriation beruht. Auch der Grundsatz, daß Eingriffe in fremde Rechtssphären, welche von einer Privatperson im Notstand (s. d.) begangen werden, straffrei sind, wird zuweilen, jedoch mit Unrecht, als Notrecht bezeichnet; denn der Notstand ist kein Recht, sondern nur ein thatsächlicher Zustand.