Noterben
,
die von dem Gesetz gegen die Bestimmung des
Erblassers berufenen
Erben. Der
Begriff ist nicht der gleiche wie
der der notwendigen
Erben (heredes necessarii), welche letztern nach Gemeinem
Rechte nicht ausdrücklich oder stillschweigend
die
Annahme der Erbschaft erklären dürfen, vielmehr ausschlagen müssen, wenn sie nicht erwerben wollen.
(S. Erbschaftserwerb.) Nach Gemeinem
Rechte müssen Noterben
von dem
Erblasser, welcher letztwillig verfügt, entweder als
Erben eingesetzt
oder enterbt werden, andernfalls wird das
Testament nichtig.
Im Zusammenhange mit der Bezeichnung Noterben
spricht man vom Noterbrecht und versteht darunter die Rechtsvorschriften,
welche das
Recht der Noterben
sichern und als gesetzliche Schranken der
Freiheit, letztwillig zu verfügen, zu
Gunsten gewisser gesetzlicher
Erben in die Erscheinung treten. Das Gemeine
Recht unterscheidet zwischen materiellem Noterbrecht
oder Pflichtteilsrecht (s. Pflichtteil) und formellem Noterbrecht. Formell sind Noterben
die
intestaterbberechtigten
Ascendenten gegenüber ihren
Abkömmlingen, die intestaterbberechtigten
Abkömmlinge gegenüber
ihren
Ascendenten.
Diese Noterben
müssen, wenn sie nicht enterbt sind oder enterbt werden dürfen (s.
Enterbung), in dem vom
Erblasser errichteten
Testament (s. d.) als
Erben, wenn auch nur auf einen kleinen Bruchteil, eingesetzt werden. Sind sie das, das Hinterlassene
beträgt aber nicht den Pflichtteil, so haben sie
Anspruch auf Ergänzung des Pflichtteils. Sind sie nicht
als
Erben eingesetzt, so dürfen sie, sie mögen nun mit Vermächtnissen oder in anderer Form oder gar nicht bedacht sein,
gegen die im
Testament berufenen
Erben ihr Noterbrecht geltend machen. Ob in diesem Falle eine Nichtigkeit (s. d.)
des
Testaments oder eine Anfechtbarkeit (s.
Anfechtung) vorliegt, und wenn das letztere, ob die
Anfechtung
mit der sog. querela inofficiosi testamenti geltend zu machen ist, gehört zu den beliebtesten
Streitfragen der heutigen Romanisten (vgl. Windscheid,
Pandekten, Bd. 3, §§. 591 fg.). Bei Erbverträgen wird
die Verpflichtung, zum
Erben einzusetzen, überhaupt geleugnet.
Das Sächs. Bürgerl. Gesetzb. §. 2589 erklärt den Pftichtteilsberechtigten als Erben hinsichtlich seines Pflichtteils und giebt ihm die Erbschaftsklage auf Gewährung oder Ergänzung des Pflichtteils. Ihm folgen die meisten thüring. Rechte, jedoch nicht ohne Ausnahme. Der Code civil und das Badische Bürgerl. Gesetzbuch beschränken den Erblasser zu Gunsten gewisser Personen in der Befugnis, zu verfügen (s. Enterbung und Erbeinsetzung). Da diesen Personen rechtswirksam nicht mehr, als das Gesetz bestimmt, entzogen werden kann, so bedürfen sie eines weitern Schutzmittels nicht.
Das Österr.
Bürgerl. Gesetzb. §. 762 nennt alle Pflichtteilsberechtigten Noterben;
dennoch kennt es nur ein materielles
Noterben
recht, nicht aber ein formelles. Die Noterben haben stets ausschließlich
Anspruch auf Zuwendung eines
bestimmten Nachlaßteiles. (Vgl.
Unger, Das Österr.
Erbrecht, 3. Aufl., Lpz. 1879, §. 78, insbesondere Anm.
6.) Nach
Preuß. Allg.
Landr. Ⅱ, 1, §. 631; Ⅱ, 2, §§. 391 fg.; Ⅱ, 3, §§. 32, 33 hat der Berechtigte nur einen als
Bruchteil des reinen Nachlaßwertes zu berechnenden Wertbetrag (also einen Pflichtteil) aus dem Nachlasse
zu beanspruchen. (Vgl.
Entscheidungen des Reichsgerichts in Civilsachen, Ⅵ [Lpz. 1882], S. 252; ⅩⅩⅠ [ebd.
1888], S. 272.) Für die
Mark Brandenburg gilt noch heute das Gemeine
Recht. Das engl.
Recht kommt ganz ohne das Noterben
recht
und Pflichtteilsrecht aus. Das
Bürgerl. Gesetzbuch für das
Deutsche Reich
[* 2] (§. 2303) kennt nur ein Pflichtteilsrecht,
nicht ein Noterben
recht (Motive Ⅴ [Berl. 1888], S. 386 fg.). – Die
Personen der Noterben
sind dieselben, welchen andere
Rechte
einen Pflichtteilsanspruch gewähren. – Vgl.Stobbe, Handbuch des deutschen Privatrechts, Bd. 5 (2.
Aufl., Berl. 1885), §. 305; Schultzenstein, Beiträge zur
Lehre
[* 3] vom Pflichtteilsrecht (2. Ausg., ebd.
1883); Schröder, Noterben
recht
(Tl. 1, Heidelb. 1877).