Titel
Notariat
(lat.), die Gesamtheit der von der Staatsgewalt zur Aufnahme und Beglaubigung von Rechtsakten ermächtigten Personen (Notare, lat. notarii, franz. notaires), auch die Summe der denselben übertragenen Befugnisse;
Notariat
surkunden
(Notariat
sinstrumente), die von einem
Notar in amtlicher
Eigenschaft aufgenommenen
Urkunden, welche öffentlichen
Glauben genießen;
notarielle Schulddokumente, die vom Notar beglaubigten Schuldverschreibungen, auf Grund deren nach französischem Rechte die sofortige gerichtliche Hilfsvollstreckung statuiert wird, ein System, welches auch die deutsche Zivilprozeßordnung (§ 702) angenommen hat;
Notariat
sordnungen, ausführliche
Gesetze zur Normierung des gesamten Notariat
swesens.
Die heutigen
Notare
haben von den Notarii der
Römer
[* 2] (»Geschwindschreiber«, von »notae«,
d. h. abkürzende Schriftzeichen) nur den
Namen.
Ihre eigentlichen Vorgänger waren vielmehr die römischen Tabelliones,
welche, wie man dies in
Italien
[* 3] noch jetzt zuweilen findet, auf öffentlichen
Plätzen ein
Geschäft daraus machten, dem
Publikum
durch die Abfassung schriftlicher
Aufsätze und Eingaben an Behörden u. dgl.
dienstbar zu sein. Dadurch nun, daß man dieselben zur
Beurkundung gerichtliche
Akte zuzog und den von ihnen aufgenommenen
Urkunden öffentlichen
Glauben beilegte, entwickelte sich im
Mittelalter in
Italien das heutige Notariat
, welches
in
Deutschland
[* 4] namentlich durch die Notariat
sordnung
Kaiser
Maximilians von 1512 gesetzlich geregelt wurde.
Besonders ausgebildet wurde das Notariat
in
Frankreich, wo nahezu die gesamte
freiwillige Gerichtsbarkeit den
Notaren
übertragen ist,
also namentlich die
Aufnahme von
Verträgen, besonders Ehekontrakten,
und von
Testamenten, ferner öffentliche
Versteigerungen,
Erbteilungen etc. Nach der hier einschlägigen französischen
Gesetzgebung, deren Grundlage dermalen das
Gesetz
vom 25.
Ventôse XI bildet, erfolgt die Ernennung zum
Notar durch die Staatsbehörde, nachdem der
Kandidat, welcher
mindestens 25 Jahre alt sein muß, eine sechsjährige Vorbereitungszeit bei einem
Notar (stage) durchgemacht
und seine Fähigkeit und
Moralität nachgewiesen hat.
Die
Disziplinargewalt über die
Notare wird durch Notariat
skammern ausgeübt, welche auch etwanige
Beschwerden über jene, namentlich
über Gebührenrechnungen, entgegennehmen. Ein großer Übelstand ist aber die Käuflichkeit der Notariat
sstellen, welche
zur
Folge hat, daß der
Notar, um sein
Anlagekapital wieder herauszuschlagen, vielfach anderweite
Geschäfte
mit betreibt, welche an und für sich nicht in seinen Wirkungskreis fallen. Übrigens ist dies
System in
Elsaß-Lothringen
[* 5] nicht beibehalten, vielmehr ist hier die Käuflichkeit der Notariat
sstellen unter
Entschädigung der von
Frankreich übernommenen
Notare aufgehoben worden. In
Deutschland hat das Notariat
nur in Rheinpreußen (Notariatsordnung vom
und in
Bayern
[* 6] (Notariat
sordnung vom eine gleiche
Ausdehnung
[* 7] gefunden.
Außerdem ist der Wirkungskreis der
Notare meistens nur auf
Beglaubigung von
Unterschriften und von
Abschriften sowie auf die
Aufnahme von
Wechselprotesten beschränkt, und zumeist ist das Notariat
mit der Rechtsanwaltschaft verbunden. Die
Aufstellung einer
allgemeinen Notariat
sordnung für das
Deutsche Reich
[* 8] ist in Aussicht genommen. In
Preußen
[* 9] sind die
Notare
Staatsbeamte, welche zu den nicht richterliche Justizbeamten zählen und unter der
Aufsicht des Justizministers, der Oberlandes-
und Landesgerichtspräsidenten stehen.
Zur
Anstellung wird die Befähigung zum Richteramt erfordert. Das preußische
Gesetz vom faßt das Notariat
in
drei wesentlich gleichartige
Gruppen zusammen:
1) Oberlandesgerichtsbezirk Köln [* 10] mit der rheinischen Notariatsordnung vom und Nachträgen dazu vom und
2) Oberlandsgerichtsbezirk Celle [* 11] mit der hannöverschen Notariatsordnung vom welche mehrfach modifiziert und auf den Kreis [* 12] Rinteln mit ausgedehnt ist;
3) die übrigen Teile der preußischen Monarchie, auf welche das zunächst nur für das landrechtliche Gebiet erlassene altpreußische Notariatsgesetz vom ausgedehnt ist. In Österreich [* 13] (Notariatsordnung vom ist der Notariatszwang für folgende Rechtshandlungen eingeführt, deren Gültigkeit durch die Aufnahme eines Notariatsaktes bedingt ist: Ehepakten, Kauf-, Tausch-, Renten- und Darlehnsverträge und Schuldbekenntnisse zwischen Ehegatten, Bestätigungen über den Empfang des Heiratsguts, Schenkungsverträge ohne wirkliche übergabe, endlich alle Urkunden über Rechtsgeschäfte unter Lebenden, welche von Blinden oder von Tauben, [* 14] die nicht lesen, oder von Stummen, die nicht schreiben können, errichtet werden. Im übrigen ist die Stellung der Notare dieselbe wie nach dem deutschen System; doch können die österreichischen Notare von den Gerichten für bestimmte Geschäfte als Kommissare bestellt werden.
Vgl. Chorinsky, Das Notariat (Wien [* 15] 1877);
Kühne und Sydow, Die preußischen Notariatsgesetze (Berl. 1880);
Stahl, Das bayrische Notariat (Nördling. 1880);
Clerc, Théorie du notariat (6. Aufl., Par. 1882);
»Deutsche Notariatszeitung« (Nördling. 1864 ff.);
»Zeitschrift für das Notariat« (Köln, seit 1856). ¶