(Nossairen, d. h. Halbchristen, auch
Kesbiner, Bergbewohner, irrtümlich auch
Ansarier genannt), mohammedan.
Sekte von der
Partei der
Schiiten, am
Libanon, bildete sich um 892 und erhielt ihren
Namen von Nosraya im Gebiet
Kufa, dem Geburtsort
ihres ersten Oberhauptes. Sie erklären sich selbst für Moslemin; doch ist ihre
Religion ein Gemisch
von mohammedanischem und christlichem Gnostizismus, vermischt mit
Elementen des assyrischen
Naturdienstes.
Obwohl die
Vielweiberei für unerlaubt gilt, so gestatten sie doch an gewissen Festtagen willkürliche Vermischung der
Geschlechter.
Die
Türken und
Ismaeliten, ihre nächsten Nachbarn, verachten sie; den
Christen dagegen sind sie sehr zugethan, wie sie auch
manche christliche
Feste feiern und manche christliche
Gebräuche beobachten. Ein geistliches Oberhaupt führt die
Aufsicht über den
Kultus und wird als
Prophet verehrt. Zu den
Zeiten der
Kreuzzüge war diese
Sekte in
Syrien und
Mesopotamien weit
verbreitet; später aber wurde sie auf die Gegend zwischen dem
Nahr Kadischa und dem
Orontes, besonders auf die
Gebirge von
Latakia, beschränkt, die sie noch gegenwärtig, etwa 75,000
Köpfe stark, als eine den
Türken zwar zinsbare,
sonst aber selbständige
Völkerschaft innehat.
Vgl.
Gobineau, Les religions et les philosophies dans l'Asie centrale (2. Aufl.,
Par. 1866).
(falsch Anßârier oder Ansarier), eine der arabisierten Völkerschaften Syriens, welche zugleich eine besondere
schiitische Sekte bildet und viele Elemente des altsyr. Naturdienstes erhalten hat. Die Nossairier bewohnen das
nach ihnen den Namen¶
mehr
454 Ansarijeh oder Nossairijeh führende und als die nördl. Fortsetzung des Libanons zu betrachtende
Küstengebirge von der Mündung des Nahr Kadischa bei der Stadt Tripolis bis zu derjenigen des Orontes. Die Höhen von Latakia
sind als ihr nationaler Mittelpunkt anzusehen. Im ganzen werden sie auf ungefähr 75000 Seelen geschätzt. Schon
im 10. Jahrh. n.Chr. sind sie vorhanden, im übrigen ist die Geschichte ihres Ursprungs unklar.
Als ihren hervorragendsten Lehrer nennen sie AbuAbdallâh al-Husain ibn Hamdân al-Chussaibi, von dem eine Anzahl religiöser
Werke erhalten ist, deren Inhalt auf die Überlieferung des elften Imams der Schiiten, Hassan Askari (gest. 873),
zurückgeführt wird und welche die Dogmatik, den Ritus und die Liturgie der Nossairier umfassen.
Daher nennen sich die Nossairier auch richtiger Al-Chußaibijja, während ihnen die Benennung Nossairier (Diminutiv
von Naßrâni, d. i. Christ) mit Bezug auf die vielen christl. Elemente ihres Glaubens und ihrer Religionsübung ursprünglich
von den Gegnern beigelegt wurde. IhreReligion unterscheidet sich nicht nur von der der gemäßigten Schiiten,
sondern auch von der anderer aus dem Schiitismus hervorgegangenen übertreibenden Sekten, z.B. der Drusen
[* 5] (s. d.) im Libanon.
Mit denselben teilen sie den Glauben an einen Mahdi (s. d.) und an die Pflicht der Geheimhaltung ihrer Lehre,
[* 6] die verschiedenen
Grade der Initiation u.s.w., mit den Schiiten im allgemeinen die Verehrung für Ali ibn Abî Tâlib, den
sie jedoch als Verkörperung Gottes anbeten und figürlich den «Herrn der Bienen» nennen, der sich in den Naturerscheinungen
(Sonne und Wolken) offenbart.
Die Naturerscheinungen und die geistige Welt werden bei den Nossairier in verschiedene Hierarchien eingeteilt.
Unter ihren Riten nimmt die Weihung der Speise und des Weins, also eine Art Abendmahl, eine hervorragende Stellung ein. Unter
den Nossairier haben sich unter der Hülle der Heiligenverehrung und des Kultus heiliger Orte ihres Gebietes viele Elemente des alten
Heidentums in umgebildeter Gestaltung erhalten. Von ihren Gegnern werden den Nossairier zuweilen
unzüchtige Mysterien zur Last gelegt, sowie überhaupt die Geheimthuerei dieser Sekte die Ursache der Unkenntnis ist, in welcher
man sich lange Zeit hinsichtlich ihres Glaubens befand.
Auf die Preisgebung der Religionslehren sind große Strafen gesetzt. Erst 1847 ist es Joseph Catafago, Dragoman des preuß.
Generalkonsulats in Beirut, geglückt, sich handschriftliche Katechismen und Gebetsformulare der Nossairier im
arab. Original zu verschaffen, aus welchem im «JournalofAmericanOrientalSociety», 1848 («Notices sur les Ansâriens») und in der «Zeitschrift
der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft» (Bd. 2 u. 3, Lpz. 1848–49) die Grundlehren der Sekte bekannt gemacht werden
konnten. 1865 ließ ein zum Protestantismus übergetretener Nossairier, Sulaimân Efendi aus Adana, in Beirut eine
Beschreibung der Riten, Gebete u.s.w. seiner frühern Glaubensgenossen in arab. Sprache
[* 7] im Druck erscheinen, woraus im «JournalofAmericanOrientalSociety» (1866) Auszüge und im «Journal asiatique», 1879, weitere Beiträge erschienen
sind. Zu den Nossairier werden auch die Kadamisseh gerechnet, welche östlich von ihnen gegen die Orontesniederung
hin einige Thäler des Kadmusgebirges bewohnen und von diesen den Namen führen.