Titel
Noailles
(spr. noáj), altes franz. Adelsgeschlecht, welches aus der Provinz Limousin stammte und seinen Namen von einer 1663 zum Herzogtum erhobenen Herrschaft bei Brives im Departement Corrèze erhielt, in deren Besitz es schon im 11. Jahrh. war. Die namhaftesten Sprößlinge desselben sind:
1) Antoine de, geb. bekleidete die Würde eines Admirals von Frankreich, schloß mit England den Waffenstillstand von Vaucelles 1556 ab und starb als Gouverneur von Bordeaux [* 2] - Seine Brüder François (1519-85) und Gilles (1524-1600) waren Bischöfe von Dax, daneben aber auch ausgezeichnete Diplomaten und Gesandte in Venedig, [* 3] London, [* 4] Rom und [* 5] Konstantinopel. [* 6]
Vgl. Vertot, Négociations des frères en Angleterre (Par. 1763);
»Lettres inédites de
François de Noailles«
(das.
1866).
2)
Anne Jules,
Herzog von,
Marschall von
Frankreich, geb. befehligte 1680 in
Flandern, 1689 in
Roussillon gegen die
Hugenotten, gegen die er große
Milde und Versöhnlichkeit bewies, und 1690-94 in
Katalonien, wo er die
Schlacht am
Ter gewann; später fiel er um seines
Bruders (s. Noailles
3) willen in
Ungnade beim König;
er starb
3) Louis Antoine de, Kardinal und seit 1695 Erzbischof von Paris, [* 7] Bruder des vorigen, geb. zeichnete sich durch seinen freien kirchlichen Standpunkt aus. Als er dem Jansenisten Quesnel (s. d.) seinen Schutz zuwandte und sich an der neuen Ausgabe des Neuen Testaments beteiligte, ward er von den Jesuiten verfolgt, verstand sich aber erst 1728 zur Unterzeichnung der gegen ihn erwirkten Bulle »Unigenitus«. Sein Appellationsinstrument gab Heineccius mit Anmerkungen heraus (Halle [* 8] 1718). Er starb
Vgl.
E. de
Barthélemy, Le
[* 9] cardinal de Noailles
(Par. 1887).
4) Adrien
Maurice,
Herzog von,
Marschall von
Frankreich, ältester Sohn von Noailles
2), geb. befehligte
im spanischen
Erbfolgekrieg ein französisches
Armeekorps in
Spanien,
[* 10] eroberte 1710
Gerona und wurde 1711 von
Philipp V. zum spanischen
Granden erhoben. Während der
Regentschaft des
Herzogs von
Orléans
[* 11] an die
Spitze des zerrütteten
Finanzwesens gestellt, griff
er zu den gewaltsamen Maßregeln der alten Finanzmänner, mußte endlich als Gegner des
Schotten
Law 1718 seine
Stelle an d'Aguesseau abtreten und zog sich, durch
Dubois vom
Hofe verdrängt, in den Privatstand zurück.
Erst 1733 im polnischen
Erbfolgekrieg erhielt er wieder ein
Kommando am
Rhein. Noailles
eroberte die
Linien von
Ettlingen, besetzte
Worms
[* 12] und erhielt nach dem
Tode des
Marschalls
Berwick vor
Philippsburg den Oberbefehl nebst dem
Marschallsstab. 1735 vertrieb
er an der
Spitze der salinischen
Truppen die Kaiserlichen aus
Italien.
[* 13] Im österreichischen
Erbfolgekrieg erlitt er bei
Dettingen 27. Juni von der
pragmatischen
Armee eine
Niederlage, vertauschte darauf sein
Kommando mit einer
Anstellung im
Staatsrat und
brachte die Leitung aller auswärtigen Verhältnisse in seine
Hand.
[* 14] 1746 übernahm er eine Sendung an den spanischen
Hof,
[* 15] den
er wieder mit
Frankreich aussöhnte. Seit 1755 zurückgezogen lebend, starb er Einen
Auszug aus seinen
»Mémoires«
gab Millot
(Maastricht
[* 16] 1777) heraus; die »Correspondance de
Louis XV et du maréchal de Noailles«
veröffentlichte
Rousset (Par. 1865, 2 Bde.). -
Sein ältester Sohn,
Louis,
Herzog von Noailles
, geb. erhielt für die in mehreren
Feldzügen
in
Flandern und
Deutschland
[* 17] geleisteten
Dienste
[* 18] 1775 den
Marschallsstab und wurde
Gouverneur von St.-Germain, wo er starb.
Seine
Gattin, geborne Cossé-Brissac, endete 70jährig mit vielen
Gliedern ihrer
Familie auf dem
Schafott.
5)
Paul,
Herzog von, geb. erbte 1824 die
Titel und
Pairie seines Großoheims
Louis
François
Paul,
Herzogs von Noailles
(1739-1824),
trat 1827 in die Pairskammer und zählte zu den
Legitimisten. Auch als Geschichtschreiber machte er sich
bekannt, wurde 1849 zum Mitglied der
Akademie erwählt und starb in
Paris. Er schrieb eine
»Histoire de
Madame de
Maintenon« (Par. 1848-58, 4 Bde.)
und
»Histoire de la maison St.-Cyr« (2. Aufl. 1856). -
Sein ältester Sohn,
Herzog Jules, geb. 1826, ist
jetzt
Haupt der
Familie.
Sein zweiter Sohn,
Emanuel Victorien
Henri,
Marquis de Noailles
, geb. 1830, ward 1872 französischer Gesandter
in
Washington,
[* 19] 1873
Botschafter in
Rom, 1882 in
Konstantinopel und nahm 1886 seinen
Abschied. Er machte sich durch Werke über
Polen bekannt (»La Pologne et ses frontières«, Par.
1863; »La poésie polonaise«, das.
1866, und
»Henri de
Valois et la Pologne en 1572«, das. 1867, 3 Bde.).
6)
Philippe de Noailles
,
Herzog von Mouchy,
Stifter der jüngern
Linie Noailles
-Mouchy, Sohn von Noailles 4), geb. erhielt, nachdem
er in der
Schlacht von
Fontenoy und in mehreren
Feldzügen in
¶
mehr
Deutschland mitgekämpft, den Marschallsstab und starb zugleich mit seiner Gemahlin, der Erbin des Hauses Arpajon, unter
der Guillotine. - Sein zweiter Sohn, Louis Marie, Vicomte de Noailles
, geb. 1756, nahm an Lafayettes Expedition nach Amerika
[* 21] teil, schloß
sich mit Begeisterung der Sache der Revolution an, war eins der ersten Mitglieder des Adels, die zur Nationalversammlung
übertraten, beantragte die Abschaffung der Feudalrechte, befehligte dann in Sedan
[* 22] und Valenciennes, verließ aber
nach Errichtung der Republik Frankreich und kehrte erst unter dem Konsulat dahin zurück. Er ging darauf als Brigadegeneral
nach Haïti,
[* 23] verteidigte es tapfer gegen die Engländer u. starb an seinen Wunden 1804 in Havana.
[* 24]
7) Antoine Justus Leo von Noailles
, Herzog von Mouchy, Fürst und Herzog von Poix, gegenwärtiges Haupt dieses Familienzweigs, geb. 1841,
seit 1865 vermählt mit der Prinzessin Anna Murat, ist einer der offensten und eifrigsten Bonapartisten und gehörte zu
deren Partei sowohl in der Nationalversammlung als seit 1876 in der Deputiertenkammer.