Nikolaus I., derHeilige, der
Große (858-867), aus
Rom
[* 5] gebürtig, unter
Leo IV. Kardinal, benutzte die polit.
Wirren seiner Zeit zur Mehrung und Befestigung der päpstl. Gewalt. Er zwang Lothar II. von Lothringen, seine verstoßene
Gemahlin Thietberga wieder aufzunehmen und seine Geliebte Waldrade zu entlassen. Dieser Ehestreit sowie das Zerwürfnis zwischen
dem Erzbischof Hinkmar von Reims
[* 6] und seinem
Bischof Rothad von
Soissons gab Nikolaus Gelegenheit, auf
Grund der
eben aufgekommenen Dekretalen des
Pseudoisidor (s. d.) auch der bisher fast unabhängigen frank.
Kirche seine Oberhoheit aufzudringen.
Dagegen gelang es ihm nicht, die
Bulgaren dauernd an
Rom zu fesseln. Durch die von ihm 863 über denPatriarchenPhotius (s. d.) von
Konstantinopel
[* 7] ausgesprochene
Exkommunikation veranlaßte er
die erste Spaltung der abendländ. und Morgenland.
Kirche. -
Vgl. Lämmer, Papst Nikolaus I. und die byzant.
Staatskirche seiner Zeit (Berl. 1857); Dümmler, Geschichte des
OstfränkischenReichs (2 Bde., Lpz. 1862-65; 2. Aufl., 3 Bde.,
1887-88); Chantel, Nicolas le
Grand et son siècle (Par. 1892).
Nikolaus II. (1058-61), geb. zu
Chevron in Savoyen, vorher Gerhard,
Bischof von
Florenz,
[* 8] wurde gegen den von der röm. Adelspartei
eingesetzten
Benedikt X. gewählt, setzte
Benedikt X. ab, übertrug 1059 die Papstwahl ausschließlich den Kardinälen und
bestrebte sich, die Cölibatsgesetze zur Geltung zu bringen. Im Abendmahlsstreite nahm er für die Transsubstantiationslehre
gegen
Berengar (s. d.) von
Tours
[* 9] Partei. In Robert
Guiscard gewann er einen Lehnsträqer und Beschützer seines unterital.
Besitzes.
Nikolaus III. (1277-80), aus dem Hause der
Orsini, seit 1244 Kardinaldiakon, ein Freund der
¶
mehr
Wissenschaften und gewandter Politiker, aber prachtliebend und Begünstiger des Nepotismus, erreichte es, daß Rudolf von
Habsburg allen kaiserl. Rechten über den Kirchenstaat entsagte; ferner zwang er Karl vonAnjou, auf die Reichsstatthalterschaft
in Toscana und auf den Titel eines röm. Senators zu verzichten. -
Nikolaus IV. (1288-92), früher Hieronymus von Ascoli, Kardinal und Bischof von Präneste, ein gelehrter Mann und eifriger Förderer
des Franziskanerordens, dessen General er war, sandte Missionare nach China
[* 12] und zu den Tataren, bemühte sich aber umsonst,
einen Kreuzzug zu stände zu bringen. -
Vgl. Langlois, Les registres de Nicolas IVe (Heft 1-7, Par. 1886-92).
Nikolaus, vorher Pietro Rainaluci oder Peter von Corbière, Minorit, wurde 1328 von Ludwig dem Bayern
[* 13] als Gegenpapst Johanns XXII.
eingesetzt, mußte sich 1330 unterwerfen, starb im Gefängnis und wird in der Reihe der Päpste nicht
gezählt.
I., russ. Nikolai Páwlowitsch, Kaiser von Rußland (1825-55), der dritte Sohn des KaisersPaul I. aus dessen
zweiter Ehe mit Maria Feodorowna (Sophia Dorothea von Württemberg),
[* 15] wurde 6. Juli im Schlosse
Gatschina bei Petersburg
[* 16] geboren und mit seinem jüngern BruderMichael (geb. 1798) durch den Grafen Lamsdorf erzogen. Während
der Regierung des ältesten BrudersAlexander blieb er den Staatsgeschäften gänzlich fern. Er vermählte sich mit
Charlotte (geb. gest. der ältesten Tochter
des Königs Friedrich Wilhelm III. von Preußen,
[* 17] welche beim übertritt zur griech. Religion den NamenAlexandra Feodorowna erhielt.
Als Alexander I. starb, fiel Nikolaus infolge des Verzichtes des ältern Bruders, des GroßfürstenKonstantin (s. d.), der
Thron
[* 18] von Rußland zu. Eine Militärverschwörung (s. Dekabristen), die mit dem Thronwechsel ausbrach, aber
mit großer Strenge unterdrückt wurde, verbunden mit Anzeichen einer innern Zerrüttung, die das milde, schwankende Regiment
Alexanders zurückließ, übte auf die Regierungspolitik und den persönlichen Charakter des neuen Herrschers einen bedeutenden
Einfluß. Nikolaus suchte fortan durch strenge Disciplin die absolute Herrscherautorität herzustellen. Die erste Regierungsthätigkeit
Nikolaus war die Untersuchung der zahllosen Mißbrauche in der Staatsverwaltung; daran schloß sich seit 1827 die
Systematisierung des russ. Gesetzbuchs, die 1846 vollendet wurde. Wiewohl Nikolaus als
Beschützer der Bauern gegen den Adel galt, ließ er doch, seinem
System gemäß, die
Leibeigenschaft fortbestehen, unterdrückte Bauernaufstände mit furchtbarer Strenge, suchte aber die Stellung
der Hörigen durch Erlasse zu regeln und zu erleichtern. Die äußere Politik Nikolaus' war in den ersten Jahren
seiner Regierung vorzugsweise auf Asien
[* 19] gerichtet. Der Krieg mit Persien
[* 20] führte zu dem Rußlands Ländergebiet bedeutend erweiternden
Frieden von Turkmantschai während der siegreiche Kampf gegen die Türkei
[* 21] ihm im Frieden
zu Adrianopel (Sept. 1829) nebst Länder- und Geldentschädigung den freien Verkehr auf der Donau, im Schwarzen und Mittelländischen
Meere brachte. Bald darauf begannen im europ. Westen die polit. Bewegungen von 1830, welche die nationale Erhebung des Königreichs
Polen im Gefolge hatten. Nikolaus hob die poln. Verfassung von 1815 auf und verwandelte Polen in eine russ. Provinz.
Von nun an führte Nikolaus im ganzen Umfang seines Reichs den strengsten Absolutismus durch. Die Einschränkung der wissenschaftlichen
Thätigkeit auf das rein praktische Bedürfnis, die Herabdrückung des Unterrichts und der Bildung zur Abrichtung für den
öffentlichen Dienst, die Fesselung der einheimischen, die strenge Überwachung der fremden Presse
[* 22] waren
die Folgen dieses polit. Systems. Es begann ferner die Russifizierung der übrigen Nationalitäten und die systematische Bekehrung
der Protestanten und Katholiken zur orthodoxen Kirche. 1840 mußte auch die griech.-unierte Kirche ihre Vereinigung mit der orthodoxen
eingehen.
Nach außen hin ward die Bezwingung der freien Bergvölker im Kaukasus nach der poln. Revolution mit gesteigerter
Energie, wenn auch ohne vollständigen Erfolg betrieben. (S. Kaukasische Kriege.) Bei aller diplomat. Klugheit, die Nikolaus in den
auswärtigen Verhältnissen beobachtete, erfuhr in den orient. Wirren von 1840 sein Übergewicht in Bezug auf die Türkei eine
Schmälerung, da das Schicksal des OsmanischenReichs durch Vertrag der Mächte unter die Obhut Europas gestellt
wurde.
In den polit. Stürmen von 1848 und 1849 bewahrte Nikolaus eine zuwartende Haltung. Durch die Intervention in Ungarn
[* 23] hoffte er die
österr. Politik mehr als je an sein Interesse zu fesseln, gewann Dänemark
[* 24] durch sein Auftreten gegen die Bestrebungen Deutschlands
bezüglich der Elbherzogtümer, trat in dem preuß.-österr. Zerwürfnis bei den zwei Zusammenkünften in Warschau
[* 25] 1850 als
Schiedsrichter auf und sprach im SinneÖsterreichs für Niederwerfung jeder Art von «Revolution». 1853 glaubte
er den Zeitpunkt gekommen, mit seinen längst vorbereiteten und zur religiösen Angelegenheit des russ.
Volks erhobenen Plänen gegen die Türkei hervorzutreten.
Napoleon III. vereitelte dieselben und brachte eine Koalition gegen Nikolaus zu stände, der sich sogar Österreich
[* 26] nicht ganz entzog,
während Preußen besonders auf BismarcksRat sich fernhielt. (S. Orientkrieg.) Mitten im Kriege, der darüber ausbrach und eine
für Rußland verhängnisvolle Wendung nahm, starb Nikolaus 2. März zu Petersburg. Ein Reiterstandbild
Nikolaus' (von Clodt, 1859) steht auf dem Marienplatz in Petersburg (s. Tafel: Russische Kunst
[* 27] I,
[* 10]
Fig. 5). Seinen Namen führt das brandend.
Kürassierregiment Nr. 6.
Auf dem Throne folgte ihm sein ältester Sohn Alexander II. (s. d.);
außerdem hinterließ er noch drei Söhne: Konstantin (s. d.),
Nikolaus (s. o.) und Michael (s. d.), und drei Töchter: Maria, geb. 18. (6.) Aug. 1819, vermählt mit dem
Herzog von Leuchtenberg, nach dessen Tode in morganatischer Ehe mit
¶
russ. Nikolaj Nikolájewitsch, Großfürst von Rußland, geb. 8. Aug. als dritter Sohn des Kaisers
Nikolaus I., trat jung in den Militärdienst, nahm am Krimkriege teil und wurde später Oberkommandant der Garden. Im Russisch-Türkischen
Kriege von 1877 bis 1878 führte er den Oberbefehl der Donauarmee und wurde nach Abschluß des Friedens
zu San Stefano zum
Generallieutenant
ernannt. Sein Ansehen wurde schwer erschüttert durch seine Verbindung mit betrügerischen Armeelieferanten
während des Krieges, (über das Verhalten des Großfürsten im Türkenkriege vgl. Lose Blätter aus dem Geheimarchiv der russ.
Regierung, Lpz. 1882.) Eine Verteidigung seines Verhaltens (1880 in Paris
[* 29] in der «NouvelleRevue» erschienen)
zog ihm den Verlust aller militär. Ämter zu. Wegen seiner Verschwendung wurde er 1882 unter Vormundschaft gestellt und auf
ein Monatsgeld von 7000 Rubel beschränkt. Nikolaus starb 25. (13.) April 1891 zu Alupka in der Krim.
[* 30] Er war seit 6. Febr.
mit der Prinzessin Alexandra von Oldenburg
[* 31] vermählt. Aus dieser Ehe entstammen: Nikolaus, geb. 18. (6.)
Nov. 1856, der 1877-78 am Russisch-Türkischen Kriege als Ordonnanzoffizier seines Vaters teilnahm und jetzt Generallieutenant
und Generalinspecteur der Kavallerie ist, morganatisch vermählt mit einer Witwe Burinin; Peter, geb. 22. (10.) Jan. 1864, seit 7. Aug.
vermählt mit Miliza, Prinzessin von Montenegro, Rittmeister im Gardeulanenregiment.