(Sternutatio), eine krampfhafte Reflexbewegung der Atmungsmuskeln, die dadurch zu stande kommt, daß sich ein
die Gefühlsnerven der Nasenschleimhaut treffender Reiz auf das Gehirn fortpflanzt und von dort auf die Bewegungsnerven der
Atmungsmuskeln übertragen (reflektiert) wird. Beim Niesen folgt auf eine tiefe Inspiration eine kurze, sehr kräftige, durch Stimmbandschwingungen
tönende Exspiration, wobei der durch die Nase gestoßene Luftstrom Schleimpartikelchen mit sich fortreißt.
Eine eigentümliche Form der krankhaften Reflexbewegung des Niesens ist der sogen.
Nieskrampf, der hauptsächlich bei weiblichen Individuen von hysterischer Stimmung, bei Irren und andern nervösen und reizbaren
Personen ohne alle wahrnehmbaren Veränderungen in der Nasenhöhle nicht ganz selten vorkommt, so daß manchmal tage-
und wochenlang das Niesen fast ohne Unterbrechung fortdauert und einen wirklich qualvollen Zustand bedingt.
In
andern Fällen finden freie Zwischenräume statt, aber der Nieskrampf kehrt in stundenlangen oder noch längern Anfällen
ohne alle neue Ursache oder auch durch die geringfügigsten Veranlassungen wieder.
Die Neigung zu solchen Anfällen verliert sich nach kürzerer oder längerer Zeit, zuweilen erst nach Jahren, von selbst.
Man benutzt das Niesen zuweilen als Heilmittel, z. B. bei Kopfschmerz, Eingenommenheit des Gehirns, oder um die Schleimhaut der
Nase oder andrer naheliegender Organe in erhöhte Thätigkeit zu versetzen, oder um eine heftige Erschütterung der Atmungsorgane,
z. B. bei Scheintod, zu erzielen. Um es hervorbringen, wendet man entweder unmittelbar mechanische Reizung der
Nasenschleimhaut (z. B. mittels Federposen) oder die sogen.
Niesemittel (Sternutatoria, Errhina) an, die gewöhnlich in Pulvergestalt, in einzelnen Fällen aber auch in flüssiger und
Dampfgestalt gebraucht werden. Zu den gebräuchlichen gehören Tabak, Haselwurzel, Veilchenwurzel, Maiblumen, weiße und schwarze
Nieswurz.
Das Gesundheitwünschen beim Niesen soll bei Gelegenheit einer Pest aufgekommen sein, weil man in demselben
ein Zeichen der beginnenden Genesung erkannt habe. Indes findet sich die Sitte bereits in den ältesten Zeiten (z. B. in der
Odyssee) und in vielfach wechselnder Gestalt fast auf der gesamten Erde, jedenfalls hervorgerufen durch die Überraschung und
Unwiderstehlichkeit des Reflexaktes, der den einen als ein Omen, eine Bestätigung ausgesprochener Ansichten
(»etwas beniesen«) oder eine Geistereinwirkung galt, der man durch einen
zugefügten Wunsch eine günstige Wendung geben müsse, den andern als ein Akt, den man in Bezug auf das wohlthätige Gefühl
des Niesens als ein Zeichen der Gesundheit ansehen und aus Höflichkeit nicht unbeachtet lassen dürfe. Tylor (»Anfänge
der Kultur«, Leipz. 1873) hat die Verbreitung der Wünsche, Zeremonien und abergläubischen Vorstellungen, die sich an das Niesen knüpfen,
über alle Erdteile nachgewiesen.
Simmenthal). 2366 m. Berühmter Aussichtsberg der Berner Voralpen; nordöstliche Eckpyramide der vom Wildstrubel abzweigenden
und das Engstligen- und Kanderthal einerseits vom Simmen- und Diemtigthal andererseits trennenden Niesenkette. Nahe unter dem
obersten Gipfel steht seit etwa 1859 ein Gasthaus, zu dem von Wimmis, Heustrich Bad und Frutigen aus Saumpfade hinaufführen
(Wimmis-Niesen 4½ Stunden). Es wird auch der Bau einer Bahn auf den Niesen geplant. Die Aussicht ist eine der schönsten
und geschätztesten der Voralpen und umfasst die gesamten Berner Hochalpen von der Dent de Morcles bis zum Sustenhorn, über die
auch noch einige Gipfel der Walliser Alpen hereinschauen; einen prächtigen Vordergrund zu diesem grossartigen
Gebirgskranz bilden der Thunersee und die wie auf einer Landkarte ausgebreiteten Thalschaften (Suldthal, Kienthal, Kanderthal
bis Kandersteg, Engstligenthal, Simmenthal und Diemtigthal).
Der Niesen, schon 1357 urkundlich als Yesen bezeichnet, ist mit dem gegenüberliegenden Stockhorn 1557 oder 1558 von Benedikt
Marti (Aretius) aus Bern
zum erstenmal bestiegen worden, dessen interessante Beschreibung dieser Tour Konrad
Gessner in Zürich
1560 unter dem Titel Stocchornii et Nessi in Bernatium Helvetiorum Ditione montium et nascentium in eis stirpiumbrevis descriptio veröffentlicht hat. Darin findet sich über den Namen des Berges folgender Passus: Qui proxime montem habitantnominant eum den Stalden, praesertim lacus occiduum quo ab Erlenbachio scanditur, alii quibus remotiuscognitus est den Niesen ab ellebori albi [Helleborus, deutsch Niesswurz], cuius magna est in eo copia, nomine.Non desunt tarnen qui putent nominandum den Jesen, et finde articulo cum nomine coalescente pro Jesen Niesen dici coeptum.
^[Latein:] Marti gibt ferner eine Liste von 22 Pflanzenarten, die er auf dem Berg gefunden. 1606 erschien
in Bern
ein vom Pfarrer Hans Rudolf Räbmann in Thun verfasstes merkwürdiges Gedicht Ein neuw Poetisch Gastmahl und Gesprächzweier Bergen, dess Niesens und Stockhorns. Diese Veröffentlichungen zeigen uns, dass der Berg damals schon oft besucht worden
ist. Vergl. Coolidge, W. A. B. Josias Simler et les origines de l'alpinisme jusqu'en 1600. Grenoble 1904;
Studer, G. Das Panorama von Bern.
Bern
1850.
Der Niesen ist aus Flysch aufgebaut, der hier entweder als dickbankiger und grobkörniger Sandstein (sog. Niesensandstein)
oder als feinkörniger und oft sehr harter Sandstein mit Glimmerblättchen oder auch als Kalktonschiefer
erscheint, welch' letzterer zum Teil gebrochen wird. Der Niesensandstein besteht aus einem Gemenge von Granit, Gneis, Glimmerschiefer
und sedimentären Gesteinsbrocken (Kalke, Dolomite etc.). Die Schichten sind stark gefaltet und zerknittert.
(Hoh) oder Riedbündistock (Kt. Bern,
Amtsbez. Frutigen).
2456 m. Gipfel in der Niesenkette. Wird schon 1557 oder 1558 von Benedikt
Marti genannt. S. den Art. Hohniesen.