Nieren
(Harndrüsen, Renes), die drüsigen Organe zur Absonderung des Harns oder zur Abscheidung gewisser für den Körper unbrauchbarer Stoffe aus dem Blut in flüssiger oder fester Form. Ursprünglich höchst wahrscheinlich als Hautdrüsen nahe der Oberfläche der äußern Haut [* 2] gelegen, kommen sie doch bei den meisten Tieren tief im Innern des Körpers, in der Leibeshöhle, vor. Außer ihrer eigentlichen Funktion übernehmen sie häufig auch noch die Fortleitung der Geschlechtsstoffe (Samen, [* 3] Eier). [* 4]
In den einzelnen Abteilungen des
Tierreichs sind sie von sehr verschiedener Form, meist röhrig und oft von ungemeiner
Länge,
daher in viele
Schleifen aufgewunden (sogen. Schleifenkanäle) bei
Würmern, ebenfalls röhrig und lang
bei den
Insekten
[* 5] (sogen.
Malpighische Gefäße), meist sehr unansehnlich bei den
Krebsen, wiederum stark entwickelt, aber in
Form eines
Sackes, bei den
Mollusken
[* 6] etc. Bei den
Wirbeltieren stellen die Nieren
in ihrer einfachsten Form (sogen.
Urniere der
Cyklostomen)
einen langen, geraden
Kanal
[* 7] (Urniere
ngang) dar, welcher vorn durch mehrere trichterförmig Öffnungen
mit der
Leibeshöhle in
Verbindung steht, hinten in der
Nähe des
Afters durch eine besondere Öffnung, den sogen. Bauchporus,
nach außen mündet und von
Strecke zu
Strecke seitliche Harnkanälchen abgibt, von denen jedes ein einzelnes Nieren
bläschen
(s. unten) bildet.
Bei den Fischen erstreckt sich die Niere durch den ganzen Leib hindurch, manchmal bis zum Kopf hin, liegt dicht unter der Wirbelsäule und läßt in dem hintern Abschnitt zwei Gänge, die Harnleiter, aus sich hervorgehen, welche, gewöhnlich vereint und häufig zu einer Art von Harnblase erweitert, hinter dem After ausmünden. Auch ist an diesem Gang [* 8] bei vielen Fischen ein besonderer seitlicher Zweig mit einer weiten Öffnung nach der Leibeshöhle zu ausgestattet und nimmt aus ihr die reifen Geschlechtsstoffe auf, so daß also die Harnleiter wenigstens in ihrem untern Teil zugleich als Samen-, resp. Eileiter fungieren.
Diese
Verbindung von
Harn- und
Geschlechtsorganen in ihren Ausführungsgängen ist in ähnlicher
Weise bei
allen übrigen
Wirbeltieren vorhanden (näheres s. bei
»Geschlechtsorgane«). Der absondernde, vordere Teil der Nieren
ist übrigens
bei den
Fischen ein kompaktes
Organ. Bei den
Amphibien hingegen bleibt nur der hintere
Abschnitt der
Urniere als
Drüse thätig;
für ihn bilden sich alsdann besondere
Harnleiter aus, während der Urniere
ngang samt dem vordern Teil
der
Urniere in nähere Beziehung zu den
Geschlechtsorgane tritt.
Bei den höhern
Wirbeltieren ist es ähnlich, doch liegt die Niere in der
Leibeshöhle stets sehr weit nach hinten, ist bei
den
Reptilien und
Vögeln lang und schmal, bei den
Säugetieren vielfach rundlich, öfters aber auch in
einzelne
Lappen geteilt, von denen jeder eine Niere im kleinen darstellt. Diese Nieren
lappen enthalten jeder eine Anzahl Nierenbläschen
nebst den aus ihnen hervorgehenden Harnkanälchen, welche auf besondern
Papillen (Nieren
wärzchen) ausmünden; um letztere
zieht sich zur Aufsammlung des hervorquellenden
Harns eine trichterförmig
Wand, der Nieren
kelch.
Solcher
Lappen sind z. B. bei den
Walen gegen 200 vorhanden, meist jedoch viel weniger; verbinden sie sich
unvollständig miteinander, so bleibt die Oberfläche der nun einheitlichen Niere höckerig, verschmelzen sie mehr, so wird,
wie beim
Menschen, die Oberfläche glatt, doch kann alsdann die Trennung im Innern noch bestehen und in der
Menge
der Nieren
kelche ausgedrückt bleiben.
Letztere treten aber dann wieder zu einem größern trichterförmigen
Rohr, dem Nieren
becken,
zusammen, welches den Anfang des
Harnleiters bildet. Dieser mündet in die
Harnblase (s. d.) ein. Die
Urniere, hier auch als
Wolffscher Körper, und der Urniere
ngang, auch als
Müllerscher Gang bezeichnet, fungieren nicht weiter im
Dienste
[* 9] der Harnbereitung (s.
Geschlechtsorgane).
Die Nieren
des
Menschen (s. Tafeln
»Eingeweide
[* 10] I« und
»Blutgefäße«) sind zwei bohnenförmige, rotgraue
Drüsen von je etwa 10
cm
Länge, 5-7
cm
Breite,
[* 11] 3½-4½
cm
Dicke und 120-170 g
Gewicht. Sie liegen (und zwar die rechte etwas tiefer als die linke) in der
Lendengegend, dicht an der
Wirbelsäule, und werden vom
Bauchfell nicht überzogen, dagegen von einer
Schicht
fettreichen
Bindegewebes (Nierenfett
) eingehüllt, jedoch nicht so fest, daß nicht infolge mechanischer Einwirkungen (z. B.
Druck benachbarte
Geschwülste, starkes
Schnüren bei
Frauen) Lageveränderungen einer oder beider Nieren
eintreten könnten (sogen.
wandernde Nieren
). Darunter folgt dann eine weißliche, dünne, aber feste
Haut, welche der Niere selbst angehört.
Schneidet man eine Niere der
Länge
¶
mehr
nach durch, so sieht man unter einer etwa 1 cm dicken, gelb- oder grauroten Rinde 8-18, gewöhnlich 12-14 blässere Pyramiden,
welche durch die dunklere Rindensubstanz voneinander getrennt sind und selbst aus sogen. Marksubstanz
bestehen. Jede mit dem zu ihr gehörigen Teil der Rindensubstanz entspricht einem der oben genannten Nieren
lappen, besitzt
also an ihrer Spitze ihr Nieren
wärzchen und um dasselbe meist auch einen eignen Nierenkelch. Rindensubstanz und Pyramiden
(sogen. Malpighische Pyramiden) bestehen aus großen Mengen Harnkanälchen und Blutgefäßen nebst dem dieselben stützenden
spärlichen Bindegewebe, mit dem Unterschied jedoch, daß in ersterer die Kanälchen meist geschlängelt, in letzterer meist
gerade verlaufen, sowie daß in ersterer mehr Gefäße vorhanden sind. Die Absonderung des Harns aus dem
Blut geschieht nun in folgender Weise. Die Nieren
arterie (s. Tafel »Blutgefäße«,
[* 13] Fig. 5) tritt an der innern Seite der Niere
durch den sogen. Nieren
nabel (wo zugleich die Vene austritt) in sie ein und teilt sich sofort in mehrere
Äste, deren Verzweigungen zwischen den Pyramiden hindurch zur Rinde gelangen und hier in einer enormen Anzahl feinster Zweige
endigen.
Von diesen windet sich jeder zu einem sogen. Gefäßknäuel (s. Wundernetz) zusammen, das eben noch mit bloßem Auge
[* 14] als rotes
Pünktchen sichtbar sein kann, streckt sich darauf wieder glatt und löst sich dann erst in Kapillaren
auf, aus denen sich die feinen Zweige der Vene zusammensetzen. Die Gefäßknäuel (glomeruli Malpighii, Malpighische Körperchen)
sind jedes in ein Bläschen, das Nieren
bläschen, hineingestülpt, welches sie dicht umschließt und nichts als der blinde,
erweiterte Anfang eines Harnkanälchens ist.
Durch die dünnen Wandungen des Gefäßknäuels und des Bläschens hindurch filtriert gewissermaßen aus dem Blut zunächst nur Wasser, welches so in das Harnkanälchen gelangt. Dieses selbst verläuft anfangs in der Rinde vielfach gewunden und nimmt während dieser Zeit aus den umspinnenden Kapillaren eine kleine Menge derjenigen Stoffe auf, welche aus dem Blut entfernt werden sollen; darauf senkt es sich in gerader Richtung zum Mark herab, kehrt in einer Schleife zur Rinde zurück und mündet in ein weiteres Kanälchen, das noch eine Reihe gleicher aufnimmt und in der Pyramide geradlinig nach ihrer Spitze hin seinen Lauf nimmt.
Durch solche Vereinigung mehrerer Kanälchen wird ihre Zahl nahe ihrer Mündung auf der Spitze der Pyramiden auf ungefähr 200 reduziert. Sie sind von den Kapillaren umsponnen und lassen den Harn tropfenweise in die Nierenkelche, von denen zuweilen einer für mehrere Pyramiden zugleich bestimmt ist, fallen, worauf er dann sich in das gemeinschaftliche Nierenbecken und aus diesem durch den Harnleiter in die Harnblase (s. d.) ergießt. Die Harnleiter (Ureteres, Ureteren), gleich dem Nierenbecken mit einer besondern Muskelschicht in der Wandung ausgestattet, sind etwa 5 mm weit, 32-34 cm lang und münden in die Harnblase in der Art ein, daß sie nach Durchbohrung der Muskelhaut derselben noch 1-1½ cm weit zwischen dieser und der Schleimhaut verlaufen, ehe sie sich in die Blase öffnen. Die Nerven [* 15] der Nieren stammen vom Sympathikus (s. d.) ab, begleiten die Arterien und sind mit kleinen Ganglien versehen. Zuweilen ist die eine Niere sehr verkleinert oder fehlt ganz, alsdann ist aber die andre um so größer; auch gibt es Fälle von Verschmelzung beider Nieren oder von ihrer Auflösung in mehrere Lappen. Über die Erkrankungen der s. Nierenkrankheiten.
In der Kochkunst werden Nieren vom Hammel, Kalb und Schwein [* 16] vielfach verwendet und gelten als Leckerbissen, während Rindsnieren zu fest sind u. meist nur zur Verbesserung des Geschmacks der Fleischbrühe dienen. Hammel-, Kalbs- und Schweinsnieren werden gebraten, gebacken, mit feinen Kräutern (aux fines herbes) gedämpft (sauté), mit Wein und Champagner zubereitet; man verwendet sie zu Suppen, Pasteten, als Füllung von Omeletten und zu Ragouts. In Süddeutschland sind saure Nieren allgemein beliebt.