Nichtigkeit
(Nullität), in der Rechtssprache die totale Ungültigkeit einer Rechtshandlung, so daß dieselbe juristisch als nicht geschehen anzusehen ist. So sind z. B. Veräußerungen von Grundstücken eines Minderjährigen durch dessen Vormund nichtig, wenn dieser nicht durch ein Dekret der Obervormundschaft dazu ermächtigt ist. In manchen Fällen können jedoch nichtige Rechtsgeschäfte nachmals doch noch rechtsgültig werden, indem das ihrer Gültigkeit entgegenstehende rechtliche Hindernis beseitigt wird; so z. B. wenn in dem letztern Fall der Minderjährige volljährig wird und nun jenes Geschäft genehmigt (sogen. Konvaleszenz eines ungültigen Rechtsgeschäfts).
Auch ist zu beachten, daß ein
Rechtsgeschäft sehr wohl teilweise nichtig und teilweise gültig sein kann.
Denn die Nichtigkeit
wirkt nur, soweit sie reicht, und dadurch, daß ein Teil des
Geschäfts nichtig ist, wird keineswegs das ganze
nichtig (»utile per inutile non vitiatur«). So ist z. B.
gemeinrechtlich eine
Schenkung über 500
Dukaten ungültig, wenn sie nicht gerichtlich geschieht. Schenkt also jemand einem
andern 600
Dukaten ohne gerichtliche
Insinuation, so ist diese
Schenkung bis zum Betrag von 500
Dukaten gültig
und nur in Ansehung des
Plus nichtig.
Die
Klage auf Nichtigkei
tserklärung eines
Rechtsgeschäfts, einer
Ehe etc. heißt Nichtigkei
tsklage (querela nullitatis). Verschieden
von den
Fällen der eigentlichen (absoluten) Nichtigkeit
sind diejenigen der sog. Anfechtbarkeit
(relativen Nichtigkeit
) eines
Rechtsgeschäfts. Hier ist nämlich das
Geschäft an und für sich vollkommen gültig;
doch kann ein Kontrahent aus gewissen
Gründen verlangen, daß es durch Richterspruch für ungültig erklärt (»rescindiert«)
werde.
Ist z. B. jemand durch
Betrug zum
Abschluß eines
Vertrags bestimmt worden, so kann der Betrogene diesen
Vertrag anfechten und
auf Rescission desselben klagen (s.
Anfechtung). Auch auf das Gebiet des
Prozesses ist das
Institut der
Nichtigkei
tsklage (Nullität
squerel, Nichtigkeit
sbeschwerde)
übertragen worden. Doch hat man dieses
Rechtsmittel, wenigstens
in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in neuerer Zeit wesentlich eingeschränkt. Die deutsche
Zivilprozeßordnung insbesondere
(§ 542) gestattet eine Nichtigkei
tsklage gegen ein richterliches
Urteil nur dann, wenn ein unfähiger
oder mit Erfolg abgelehnter
Richter mit entschieden hat, wenn das
Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt oder wenn eine
Partei
in dem
Verfahren nicht nach Vorschrift des
Gesetzes vertreten war, sofern sie nicht die Prozeßführung ausdrücklich oder
stillschweigend genehmigt hat.
Zweck der Nichtigkei
tsklage ist die
Wiederaufnahme des Verfahrens (s. d.). Außerdem ist wegen
Verletzung eines
Gesetzes das
Rechtsmittel der
Revision (s. d.) gegeben. Im
Strafprozeß ist das
Rechtsmittel der Nichtigkeit
sbeschwerde
dann statthaft, wenn
es sich um die
Verletzung von Formvorschriften handelt, welche bei
Strafe der Nichtigkeit
beobachtet werden müssen,
oder wenn das
Urteil in materieller Beziehung auf einer
Verletzung des
Gesetzes beruht. Diese Nichtigkeit
sbeschwerde
geht regelmäßig an die höchste
Instanz
(Kassationshof), welche darüber zu entscheiden hat, ob das
Urteil zu »kassieren«
und das
Verfahren zu wiederholen sei oder nicht. Die deutsche Strafprozeßordnung (§ 374 ff.)
hat auch hier die Bezeichnung
Revision (s. d.) adoptiert.
Vgl. Skedl, Die Nichtigkeit
sbeschwerde in ihrer geschichtlichen
Entwickelung (Leipz. 1886).