Neufundland
,
engl. Newfoundland, frz.
Terre-Neuve,
Insel an der Nordostküste
Amerikas, östlich
vor dem St. Lorenzgolf, bedeckt 110670 qkm und bildet mit
Anticosti (s. d.) und der
Küste von Labrador ein eigenes brit. Gouvernement.
Die
Küsten sind besonders an der
Ost- und Südseite durch tiefe
Baien und Meeresarme vielfach zerrissen und steigen außer
an der minder zersplitterten Westseite steil aus dem
Meere empor. Die Häfen sind im
Frühjahr und Winter
durch
Eis
[* 3] versperrt und die für Neufundland
charakteristischen dicken Nebel, welche ebenso wie die verhältnismäßig
milden Winter dem Einfluß des Golfstroms und einer kalten Polarströmung zuzuschreiben sind, machen die
Annäherung gefährlich.
Das
Innere ist eine von Seen,
Flüssen,
Sümpfen und Morästen erfüllte Wildnis mit einigen Gebirgszügen,
deren höchster, die 400 km lange Küstenkette Long-Range, bis 600 m ansteigt. Der größte
Fluß ist der Exploit-River, dessen 320 km
langes, von der
Bahn durchzogenes
Thal
[* 4] die
Insel von
SW. nach
NO. teilt.
Das Klima ist halb kontinental, halb maritim,
die
Winde
[* 5] sind meist
Landwinde, die jährliche Regenhöhe trotzdem 2 m; St. Johns hat ein Jahresmittel von + 5,1° C., ein
Maximum von 31,6° und ein Minimum von -16.5° C.
Über das
Treibeis bei Neufundland
, das im Mai bis 41° nördl.
Br. vordringt, giebt
die
Hamburger Seewarte etwa vierteljährlich Kartenskizzen aus.
Die ansässige Bevölkerung [* 6] ist der Hauptsache nach eine Mischbevölkerung franz. und engl. Ursprungs, welche, außer der unbewohnbaren Nordküste, zerstreut an den Küsten wohnt. Die Ureinwohner der Insel, die Beothuk oder Roten Indianer, sind ganz verschwunden und die nach ihnen eingewanderten Mic-Mac sind sehr wenig zahlreich. Die Besiedelung der Insel wurde sehr erschwert durch das Verbot, daß kein Fischer und kein Schiff [* 7] nach Beendigung des Fanges hier zurückbleiben durfte; Fremden wurde das Ansiedeln nur selten gestattet. 1894 wurden 203500 E. gezählt.
Urbarer Boden findet sich fast nur an einzelnen Buchten, Ackerbau und Viehzucht [* 8] sind daher unbedeutend (1891: 6138 Pferde, [* 9] 23822 Rinder, [* 10] 60840 Schafe, [* 11] 32011 Schweine). [* 12] Man baut auf 26102 ha fast nur Kartoffeln, etwas Hafer [* 13] und Gerste. [* 14] Von Mineralien [* 15] wird Kupfer [* 16] in der Notre-Dame-Bucht abgebaut. Das Innere hat beträchtliche Waldungen von Fichten, Lärchen und Birken und zahlreiche Sägemühlen. Von Landtieren sind zu nennen der Caribou oder das amerik. Renntier, Biber, Füchse, Wölfe und Bären.
Der berühmte
Neufundländer
Hund findet sich nur noch in vereinzelten Exemplaren. Wichtiger als die Landtiere sind die Fische,
[* 17] namentlich der Kabeljau (Codfish). Im Fischfang sind 54755, auf Farmen 1547, als Handwerker 2682, in
Bergwerken 1258
Personen
thätig. Am ergiebigsten erweist sich die sog.
Große
Bank von Neufundland
im
Osten und Südosten von der
Insel, welche 120000
qkm umfaßt und zwischen 45 -175 m Wasser über sich hat; 200 km östlich liegt eine andere
Bank, die Vlämische Kuppe, und
südwärts gegen Neuschottland eine ausgedehnte Reihe von
Bänken. Trotz der ungeheuren Menge, die hier alljährlich
¶
mehr
gefangen wird, ist eine Abnahme des Fischreichtums noch nicht bemerkt worden. Die besten Fischreviere liegen zwischen 42 und 46° nördl. Br. Seit einigen Jahren wird in großem Maße die künstliche Zucht von Kabeljau und Hummer betrieben.
Die Ausfuhr betrug (1894) 5,81 Mill. Doll., während die Einfuhr 7,16 Mill. Doll.
wertete. Haupteinfuhrgegenstände waren Mehl
[* 19] (1,35 Mill. Doll.), Woll- und Baumwollwaren (1,11 Mill.),
Vieh und Fleisch (0,75 Mill.), Melasse (0,32 Mill.) u. s. w.; Hauptausfuhrgegenstände:
Stockfisch (3,70 Mill.), Fischthran (0,54 Mill.), Erze (0,51 Mill.), Hummer (0,31 Mill.), Robbenfelle (0,23 Mill.) u. s. w.
Neufundland
steht unter einem Gouverneur nebst Rat (7 Mitglieder), Gesetzgebendem Körper von 15 und Unterhaus (Assembly)
von 36 Mitgliedern.
Die Staatseinkünfte beliefen sich (1894) auf 1,50 Mill. Doll., die Ausgaben auf 2,24 Mill. Doll. Die Staatsschuld hatte eine Höhe von 9116534 Doll. erreicht. Eisenbahnen waren 391 km und Telegraphen [* 20] 1738 km im Betrieb. In Trinity-Bay enden transatlantische Kabel. An der Südküste vor Fortune-Bay liegen die franz. Inseln St. Pierre und Miquelon, die den franz. Stockfischfängern als Ausrüstehäfen und als Plätze zum Trocknen und Salzen des Kabeljaus dienen.
Neufundland
wurde von Giovanni Caboto (s. d.) und dessen Sohn Sebastian entdeckt und 1583 von England in
Besitz genommen. Indessen sollen schon im 11. Jahrh. Normänner sich daselbst angesiedelt haben. Als sich
seit dem Ende des 16. Jahrh. Franzosen daselbst festsetzten, entstanden unaufhörliche Streitigkeiten. Zwar wurde die Insel
im Utrechter Frieden 1713 ganz an England abgetreten, aber die Konflikte dauerten fort. Im Frieden zu Versailles
[* 21] von 1783 erlangten
die Franzosen vorteilhafte Bedingungen für die Fischerei,
[* 22] die aber in dem Revolutionskriege wieder ganz
in die Hände der Engländer kam, nachher jedoch sowohl den Franzosen als den Nordamerik
anern zugestanden wurde. Die Vereinigten Staaten
[* 23] sind bemüht, in Neufundland
eine Bewegung zu Gunsten einer Annexion durch die Verewigten Staaten hervorzurufen, während eine andere
Partei in Neufundland
den Eintritt in die Dominion of Canada anstrebt. -
Vgl. Pedley, History of Newfoundland (Lond. 1863);
Hatton und Harvey, Newfoundland (ebd. 1883);
Prowse, A history of Newfoundland (ebd. 1895).